Wiederanfahren des Reaktors nur nach vollständiger Aufklärung der Ursachen möglich
Nach dem bundesaufsichtlichen Gespräch des Bundesumweltministeriums mit der schleswig-holsteinischen Landesatomaufsicht und Vertretern der Betreiberin des Atomkraftwerks Krümmel am gestrigen Montag (9. Juli) sieht die Bundesaufsicht deutliche Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Bedienungspersonals in dem Reaktor. Offenbar hat die zum Zeitpunkt der Schnellabschaltung Dienst tuende Schicht nicht entsprechend den Vorgaben im Betriebshandbuch und der Schulungen agiert. Ausmaß und Ursachen dieses Fehlverhaltens bedürfen weiterer Aufklärung. Ein Wiederanfahren des AKW Krümmel ist nur möglich, wenn die Ursachen vollständig geklärt und mögliche Defizite sowohl im Bereich der Anlagentechnik als auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Betreibers beseitigt sind.
Auslöser des Transformatorbrandes am 28. Juni war ein Kurzschluss in einem der beiden Transformatoren des Reaktors. Durch den Kurzschluss kam es zu hohen Temperaturen und in Folge davon zu einer Entzündung des brennbaren Kühlmittels des Transformators. Hätte die Anlage vorschriftsmäßig reagiert, hätte eine Reaktorschnellabschaltung mit den negativen Auswirkungen nicht stattgefunden. Die Anlage hätte in diesem Fall zwar keinen Strom mehr produziert, der Reaktor selbst hätte aber kontrolliert abgefahren werden können, d.h. die Steuerstäbe wären langsam eingefahren worden.
Tatsächlich kam es jedoch aus noch nicht abschließend verifizierten Gründen zu einer Reaktorschnellabschaltung. Dabei werden die Steuerstäbe mit hoher Geschwindigkeit automatisch in den Reaktor eingeschossen. In Folge der Reaktorschnellabschaltung kam es zu nicht vorgesehenen und beabsichtigten Druck- und Füllstandsveränderungen im Reaktordruckgefäß, die zwar nach derzeitigen Erkenntnissen zu keinen negativen Folgen geführt haben, die aber grundsätzlich Vorläufer von schweren Stör- oder Unfällen sein können. Ursache dieser Druck- und Füllstandsveränderungen sind sowohl im technischen Bereich als auch in der Bedienung der Anlage zu sehen.
Während die anlagentechnischen Abläufe bei dem Vorfall am 28. Juni in dem bundesaufsichtlichen Gespräch weitgehend dargestellt und aufgeklärt werden konnten, besteht weiterhin Unklarheit über Ausmaß und Ursachen des Fehlverhaltens der Bedienungsmannschaft. Die bisherigen Einlassungen des Betreibers hierzu sind völlig unzureichend. Entgegen der ausdrücklichen Bitte der Bundesaufsicht waren weder der Schichtleiter (das ist die Person, die die Verantwortung für die Steuerung der Anlage hat) noch der Reaktorfahrer (das ist die Person, die den Reaktor unter der Aufsicht und nach den Vorgaben des Schichtleiters steuert) bei dem bundesaufsichtlichen Gespräch anwesend. Begründet wurde die Nichtanwesenheit mit einem Schutzbedürfnis dieser Personen und mit einem Verweis auf die noch laufende Analyse, deren Ergebnisse noch abgewartet werden müssten. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Sachaufklärung auch für einen zukünftigen sicheren Betrieb ist diese Argumentation nicht akzeptabel.
Die Bundesaufsicht hält ein direktes Gespräch mit dem Schichtleiter und dem Reaktorfahrer auch unter Beteiligung des BMU für erforderlich. Von diesem Gespräch werden weitere Hinweise zum technischen Ablauf des Ereignisses, vor allem aber Hinweise auf mögliche Mängel in der Zuverlässigkeit (Organisation, Fachkunde, Ausbildung, Training im Simulator etc.) erwartet.
Über ein mögliches Wiederanfahren des Atomkraftwerks Krümmel wird einvernehmlich zwischen der Landesbehörde in Kiel und dem Bundesumweltministerium entschieden.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung vom 06.07.2007: Bundesumweltministerium lädt Landesatomaufsicht Kiel zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch