Windkraftausbau Artenschutz
FAQs
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Mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des BNatSchG werden insbesondere zwei Bereiche der artenschutzrechtlichen Prüfung in den Fokus genommen: Die Signifikanzprüfung (§ 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BNatSchG) und die Ausnahmeregelung (§ 45 Abs. 7 BNatSchG). Zum einen soll die Bewertung der Erhöhung des Tötungsrisikos für Brutvögel durch den Betrieb von Windenergieanlagen an Land standardisiert werden: Ab wann ist das Tötungsrisiko in solchen Fällen signifikant erhöht, so dass ein Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot droht? Zum anderen sollen die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Ausnahme in solchen Fällen konkretisiert werden: Hier geht es um Präzisierungen zu allen drei Ausnahmekriterien: Ausnahmegrund, Alternativenprüfung und Verschlechterungsverbot. Auch soll die besondere Situation des Repowerings an bestehenden Windenergiestandorten durch weitere Konkretisierungen bei der Signifikanz- und Ausnahmeprüfung Rechnung berücksichtigt werden. Mit Hilfe dieser rechtsverbindlichen Standardisierungen und Konkretisierungen werden die artenschutzrechtlichen Prüfungen vereinfacht und erleichtert, und die Verfahren damit beschleunigt.
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Durch die nun vorgesehenen Standardisierungen und Konkretisierungen (von Arten, Abständen, genau beschriebenen und möglichst artspezifischen Schutzmaßnahmen) sollen Vorbereitung (Antragsteller/Betreiber) und Durchführung der artenschutzrechtlichen Prüfung (Behörde) klarer und berechenbarer werden. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren werden dadurch erleichtert und beschleunigt.
Das Eckpunktepapier zu Windkraft und Artenschutz und der nun vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des BNatSchG sind wichtige Bausteine eines ganzen Bündels an dringend erforderlichen Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Dazu gehören insbesondere die Bereitstellung von Flächen in den Ländern durch entsprechende Planungen und die Stärkung der personellen Kapazitäten der Fachbehörden.
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Die Prüfung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots erfolgt anhand einer abschließenden Liste von 15 kollisionsgefährdeten Brutvogelarten (Einzelbrutpaare). Die Artenliste wurde gegenüber der Brutvogel-Liste der Landesumweltministerien aus dem sogenannten UMK-Prozess der Umweltministerkonferenz (UMK) um drei Arten erweitert (Kornweihe, Wespenbussard, Sumpfohreule). Die UMK-Liste ist Bestandteil des Beschlusses der Umweltministerkonferenz (UMK) zu "Windenergie und Artenschutz".
- Brutvogelarten der UMK-Liste: Baumfalke, Fischadler, Rohrweihe, Rotmilan, Schreiadler; Schwarzmilan, Seeadler, Steinadler, Uhu, Wanderfalke, Weißstorch, Wiesenweihe
Für die Prüfung von Ansammlungen/Rastplätzen (auch von Brutkolonien) von Vögeln und die Prüfung von Fledermäusen ergeben sich keine Änderungen. Diese sind wie bisher nach den geltenden Regelungen von Bund und Ländern zu prüfen.
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Sowohl die Eckpunkte von BMUV und BMWK zur "Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus von Windenergie an Land" als auch der nun vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des BNatSchGwurden vor dem Hintergrund des bestehenden europäischen Naturschutzrechts erarbeitet. Änderungen des europäischen Naturschutzrechts sind hierfür nicht erforderlich. Die Anforderungen an die individuenbezogenen Verbotstatbestände werden standardisiert. Der Populationsschutz wird gestärkt, indem die Erteilung der artenschutzrechtlichen Ausnahme erleichert und gleichzeitig durch Artenhilfsprogramme flankiert wird.
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Um neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen zu können, werden die Artenliste, die Abstände und Schutzmaßnahmen grundsätzlich alle drei Jahre evaluiert. Die erste Evaluierung erfolgt bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzesentwurfes zur Änderung des BNatSchG. Insbesondere ist davon auszugehen, dass sich die technischen Schutzmaßnahmen (Antikollisionssysteme) laufend fortentwickeln. Durch die regelmäßigen Evaluierungen können diese Entwicklungen aufgegriffen werden.
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Aufgrund der großen Bedeutung des Ausbaus der erneuerbaren Energien für eine sichere und klimaverträgliche Energieversorgung besteht der Vorrang in der Abwägung verschiedener Interessen und Schutzgüter solange, bis die festgelegten Ausbauziele erreicht sind. Gleichzeitig werden andere Belange, wie insbesondere der Artenschutz, nach wie vor entsprechend berücksichtigt. Schon aus europarechtlichen Gründen ist der Einzelfall zu prüfen. Dies kann durchaus dazu führen, dass bei einzelnen Projekten der Artenschutz gegenüber dem Interesse am Ausbau der Erneuerbaren Energien überwiegt, zum Beispiel wenn am geplanten Ausbaustandort besonders gefährdete windenergiesensible Arten vorhanden sind.
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Das Spannungsfeld zwischen dem Ausbau der Windenergie an Land und dem Artenschutz kann gelöst werden, indem der Ausbau insbesondere auf der Planungsebene klug gesteuert wird und geeignete Flächen für Wind zur Verfügung gestellt werden. An anderer Stelle werden dagegen Flächen ganz gezielt für langfristig wirksame Artenhilfsprogramme vorgesehen.
Durch eine konsequente Prüfung artenschutzrechtlicher Belange bereits auf Planungsebene können bereits frühzeitig die richtigen Weichen gestellt und konfliktarme Flächen identifiziert werden. Gleichzeitig wird hierdurch der Prüfaufwand für den Artenschutz auf Genehmigungsebene verringert.
Für eine weitere Beschleunigung auf Genehmigungsebene haben wir gemeinsam mit BMWK die jetzt vorliegenden Eckpunkte erarbeitet. Dabei konnten wir auf Vorarbeiten von den Ländern zurückgreifen (wie zum Beispiel den Signifikanzrahmen).
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Im Koalitionsvertrag wurde die Einrichtung von nationalen Artenhilfsprogrammen (AHP) vereinbart. Im Juli 2022 wurde eine entsprechende gesetzliche Regelung in das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) als § 45d aufgenommen. Die AHP dienen sowohl der naturschutzseitigen Flankierung der Energiewende als auch der generellen Bekämpfung der Biodiversitätskrise. Sie haben zunächst ein Volumen von gut 80 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre. Hinzu kommen die Beiträge der Windenergiebetreiber.
Gegenstand der AHP sind zum einen Maßnahmen an Land und im Meer, die die langfristige Qualität der Lebensräume der Arten sowie deren Erhaltungszustand nachhaltig verbessern. Zum anderen umfassen die nationalen Artenhilfsprogramme Maßnahmen, die Beeinträchtigungen der Arten und ihrer Lebensräume vermeiden oder ausgleichen. Die Artenhilfsprogramme sind damit eine zentrale Grundlage und Voraussetzung für den Ausbau der erneuerbaren Energien, die für das Erreichen der bundespolitischen Klimaziele und der internationalen Verpflichtungen Deutschlands einen entscheidenden Beitrag leisten sollen.
Die nationalen Artenhilfsprogramme sollen insbesondere die Arten und deren Populationen schützen, stützen und ihre Habitate und deren Vernetzung verbessern, die bei einem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien beeinträchtigt werden könnten beziehungsweise bereits werden. Dadurch soll das europarechtlich vorgegebene Ziel der Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes gewährleistet werden. Damit verfolgen die Artenhilfsprogramme einen vorsorgenden Ansatz und flankieren die ambitionierten Ausbauziele für erneuerbare Energien der Bundesregierung.
Dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist die Aufstellung und Umsetzung der nationalen Artenhilfsprogramme durch das BNatSchG übertragen worden.
Stand:
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Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf soll der Ausbau der Windkraft an Land naturverträglich beschleunigt werden, unter Wahrung ökologischer Schutzniveaus. Dies erfolgt über rechtsverbindliche Standardisierungen und Konkretisierungen, nicht aber über grundlegende Änderungen des existierenden Artenschutzrechts. Konkret ist vorgesehen,
- die Prüfung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots zu standardisieren,
- die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme zu erleichtern, indem die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme konkretisiert werden und
- das Repowering durch Standardisierung zu erleichtern, insbesondere indem bestehende Vorbelastungen des Standortes berücksichtigt werden. Dazu soll die Regelung des § 16b Abs. 4 Bundesimmissionsschutzgesetz, die sich auf die artenschutzrechtliche Prüfung zur Genehmigung einer Windenergieanlage bezieht, in das Bundesnaturschutzgesetz überführt werden.
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In Landschaftsschutzgebieten ist es auch bislang unter bestimmten Voraussetzungen möglich, Windenergieanlagen zu errichten. Von dieser Möglichkeit wurde in der Vergangenheit auch Gebrauch gemacht. Dies soll für den erforderlichen schnellen Ausbau der Windenergie künftig erleichtert werden. Eine Ausnahme oder Befreiung vom Landschaftsschutz wird nicht mehr erforderlich sein. Insbesondere durch eine kluge Standortwahl im Rahmen einer sorgfältigen Planung können aber mögliche Konflikte unter anderem mit dem Landschaftsbild bereits vorab vermieden oder deutlich vermindert werden.
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Die Bundesregierung will die personellen Kapazitäten der Fachbehörden stärken. Dies ist nach Auffassung des BMUV ein Schlüssel zur schnelleren und zugleich professionellen Genehmigung von Vorhaben. Wir brauchen dafür auch den im Koalitionsvertrag verankerten "Pakt mit den Ländern", um vor Ort die Behörden und Gerichte besser mit Personal und technischer Infrastruktur auszustatten.
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Im Rahmen des UMK-Prozesses wird zur Zeit eine Pilotstudie durchgeführt, die die Eignung der an mathematischen Wahrscheinlichkeiten orientierten Methode der Probabilistik wissenschaftlich untersucht. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse soll bis Mitte 2023 geprüft werden, ob sich auch diese Methode zur Bewertung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos eignet.
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Bei der Erstellung der Liste der potentiell kollisionsgefährdeten Brutvogelarten wurden nur solche berücksichtigt, bei denen im besonderen Maße von einer Kollisionsgefährdung durch Windenergieanlagen auszugehen ist und sie daher besonders planungsrelevant sind. Hierbei wurden unterschiedliche Quellen aus der Fachwissenschaft berücksichtigt. Insbesondere orientiert sich die Liste an dem UMK-Signifikanzrahmen aus 2020. Durch die Festlegung der 15 Brutvogelarten wird die Prüfung des Tötungs- und Verletzungsrisikos im Hinblick auf die betroffenen Arten standardisiert, was zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren beiträgt.
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Grundsätzlich sind alle besonders geschützten Arten vor Tötung und Verletzung geschützt. Mit Hinblick auf die Gefährdung durch Windenergieanlagen ist jedoch davon auszugehen, dass nur ein Teil der heimischen Brutvogelarten während des Brutgeschehens am Horst potentiell einem erhöhten Kollisionsrisiko unterliegt. Diese 15 Arten wurden bei der Änderung des BNatSchG berücksichtigt und haben Eingang in die Liste gefunden. Hier ist jeweils am konkreten Einzelfall zu prüfen, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch den Betrieb einer Windenergieanlage besteht. Für Brutvogelarten, die nicht auf der Liste stehen, ist aufgrund fachwissenschaftlicher Erkenntnis davon auszugehen, dass sie keinem erhöhten Kollisionsrisiko unterliegen.
Für die Prüfung von Ansammlungen/Rastplätzen (auch von Brutkolonien) von Vögeln und die Prüfung von Fledermäusen ergeben sich keine Änderungen. Diese sind wie bisher nach den geltenden Regelungen von Bund und Ländern zu prüfen.
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Der Nahbereich und die Prüfbereiche sind artspezifisch durch Auswertung der verfügbaren fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen ermittelt worden. Neben dem UMK-Signifikanzrahmen gehören hierzu insbesondere das "Helgoländer Papier" und die Leitfäden der Länder.