– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Jürgen Pöschk,
Damen und Herren,
wir leben in einer schwierigen Zeit. In Europa ist Krieg. Demokratien werden weltweit massiv herausgefordert. Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen. Und die drei großen ökologischen Krisen – Klimakrise, Artenaussterben und weltweite Verschmutzung – schreiten nahezu ungebremst voran.
Aber wir haben auch bewiesen, dass wir Krisen bewältigen können. Durch große gesellschaftliche Solidarität, entschiedenes Regierungshandeln und eine starke europäische Zusammenarbeit. Auch die zeitweise sehr hohen Energiepreise als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine haben wir überwunden.
Wir haben die negativen Auswirkungen mit einem Schutzschirm für Menschen und Wirtschaft und einem naturverträglichen Boost für die Erneuerbaren Energien abgefedert und sind zugleich einen wichtigen Schritt nach vorne gegangen.
Das war eine enorme gesamtgesellschaftliche Leistung und ich möchte an dieser Stelle noch einmal allen danken, die dazu im Kleinen oder Großen beigetragen haben.
Bei der Bewältigung der ökologischen Krisen liegt dagegen noch ein weiter Weg vor uns, auch wenn wir als Bundesregierung bereits große Schritte gegangen sind. Wir haben zum Beispiel das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz auf den Weg gebracht. Damit investieren wir in die Stärkung, den Schutz, die Wiederherstellung von Mooren und Auen, von Wäldern und Flüssen. Denn wie wichtig funktionierende Ökosysteme sind, haben uns die Dürrejahre und auch die letzten Hochwasserereignisse noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt. Und wir erarbeiten derzeit eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, die dafür sorgen soll, den Wert von Rohstoffen möglichst lange zu erhalten und so Umwelt und Klima zu schützen.
Um die Klimakrise zu bewältigen, braucht es viele weitere Schritte in nahezu allen Bereichen. Dazu gehört – als wichtiger Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität – die Wärmewende. Um klimaneutral zu werden muss Heizen effizienter und erneuerbar werden. Wir müssen dafür die Nah- und Fernwärme deutlich ausbauen, insbesondere in dichtbesiedelten Regionen, und erneuerbar machen.
Mit diesen Schritten werden wir unabhängig von unkalkulierbaren Preisschwankungen von Gas und Öl. Das hilft allen Verbraucherinnen und Verbrauchern. Daher ist es gut und wichtig, dass viele Kommunen sich jetzt aufmachen und die kommunale Wärmeplanung voranbringen.
Auf diesem Weg liegen aber noch einige Hürden vor uns. Damit Nah- und Fernwärme zu einer tragenden Säule der Wärmewende werden, ist es zentral, dass wir faire Preise und faire Bedingungen schaffen. Das ist im Moment noch nicht ausreichend der Fall. Faire Bedingungen sind auch zentral für die erforderliche hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Bisher können regionale Versorgungsunternehmen für Fernwärme die Bedingungen und Preise festsetzen, ohne dass Verbraucherinnen und Verbraucher den Anbieter wechseln können. Die Preise sind dabei nicht immer fair und die Preisgestaltung ist meist nicht nachvollziehbar. Das ist bereits seit vielen Jahren ein großes Ärgernis.
Das ist besonders für Mieterinnen und Mieter problematisch. Für sie ist die Situation besonders herausfordernd, denn sie können sich die Heizungsart nicht aussuchen. Sie können auch nicht eigenständig eine Dämmung installieren, um Kosten zu sparen.
Erst vor wenigen Wochen war ich zu Besuch beim Berliner Mieterverein. Dort wurde mir noch einmal sehr plastisch die bedrückende Lage vieler Berliner Mieterinnen und Mieter mit geringem Einkommen geschildert, die teilweise sehr hohe Nachforderungen bei Betriebskosten für 2022 und 2023 erhalten hatten. Einige Abrechnungen enthielten Nachforderungen von mehreren Tausend Euro. Für Menschen, die bereits jeden Euro umdrehen müssen, sind solche Summen kaum zu bezahlen. Die Situation erhöht den Druck auf jene, die sich Wohnen schon vorher kaum leisten konnten. Wohnen muss aber für alle bezahlbar bleiben, natürlich auch wenn klimafreundlich geheizt wird.
Damit die Nah- und Fernwärme verbraucherfreundlich ausgestaltet wird, sind aus meiner Sicht drei Punkte ganz entscheidend:
- Wir brauchen klare und nachvollziehbare Regelungen dazu, welche Kosten im Rahmen von Preisänderungen an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden können – und welche nicht.
- Wir brauchen eine starke Marktaufsicht, damit die Regeln auch durchgesetzt werden. Dafür müssen wir die staatlichen Aufsichtsbefugnisse ausbauen.
- Wir brauchen einen starken Schutz vor Wärmesperren, damit niemandem im Winter die Heizung abgedreht wird.
Um all das erreichen zu können, müssen wir politisch und regulatorisch handeln. Und das heißt: die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme muss im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher zeitnah überarbeitet werden. Das Wirtschafts- und Klimaministerium hat angekündigt, bis zum Sommer eine solche Überarbeitung vorzulegen.
Folgende Punkte sind mir als Verbraucherschutzministerin bei dieser Novelle besonders wichtig:
1. Die Novelle sollte konkrete Vorgaben dazu machen, unter welchen Bedingungen welche Preisänderungen erfolgen dürfen. Mit der Novelle muss außerdem die Preistransparenz verbessert werden. Mir ist wichtig, dass bei der Preisgestaltung künftig nicht mehr auf Marktindizes abgestellt werden kann, die die realen Kosten der Fernwärmeerzeugung nicht oder nur unvollständig abbilden. Denn das führt zu Verzerrungen, die letztlich von den Verbraucherinnen und Verbrauchern bezahlt werden.
2. Wir brauchen eine stärkere staatliche Aufsicht, um sicherzustellen, dass die neuen verbraucherschützenden Regeln auch eingehalten werden. Diese Aufsicht muss breite und wirksame Befugnisse haben.
3. Schließlich braucht es wirksame Schutzvorschriften vor Wärmesperren. In der Strom- und Gasgrundversorgung haben wir in den vergangenen Jahren viel erreicht, um den Schutz vulnerabler Verbraucherinnen und Verbraucher vor Energiesperren zu verbessern. So sind wir gut durch die Energiepreiskrise gekommen. Das gleiche wollen wir auch bei der Wärmelieferung erreichen.
Darüber hinaus sollten Menschen aus meiner Sicht auch nicht verpflichtet werden können, Nah- oder Fernwärme zu nutzen, wenn sie schon eine gleichermaßen klimafreundliche Heizung nutzen.
In einem zweiten Schritt müssen wir auch an die Wärmeliefer-Verordnung ran. Hier setze ich mich unter anderem für verbraucherfreundlichere Regelungen für das Wärmecontracting ein. So sollte ein Umstieg auf Wärmecontracting für Mieterinnen und Mieter nicht zu höheren Warmmieten führen.
Wenn es gelingt, Nah- und Fernwärme verbraucherinnenfreundlich zu gestalten, schaffen wir die nötige Akzeptanz für den Ausbau und damit die Wärmewende. Das bringt uns einen großen Schritt weiter bei der Bekämpfung der Klimakrise und macht uns zugleich widerstandfähiger gegenüber zukünftigen Energiepreiserhöhungen. Aber auch unabhängig davon ist der Schutz vor unangemessen hohen Preisen ein Gebot der Gerechtigkeit zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich bin sehr froh, dass wir die nötigen Schritte jetzt zusammen mit dem Wirtschafts- und Klimaschutzministerium gehen werden, nachdem das Problem schon viele Jahre bekannt ist. Mein Ministerium wird weiter intensiv an diesem Thema arbeiten, in enger Zusammenarbeit mit dem BMWK und dem Bauministerium – im Interesse der Umwelt und der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Jetzt wünsche ich Ihnen allen eine spannende Veranstaltung.
Vielen Dank.