Rede von Dr. Jan-Niclas Gesenhues beim Fachforum "Natürlichen Klimaschutz beschleunigen – Rechtliche Rahmenbedingungen verbessern"

26.06.2024
Dr. Jan-Niclas Gesenhues
Dr. Jan-Niclas Gesenhues betont in seiner Rede die Bedeutung der Moorwiedervernässung für den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität. Er hebt die Notwendigkeit politischer Maßnahmen und internationaler Zusammenarbeit hervor.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Dr. Franziska Tanneberger,
Alexander Bonde,
Sophie Hirschelmann,
Prof. Dr. Sabine Schlacke,
Prof. Dr. Michael Sauthoff,
Dr. Franziska Kersten,
MinDirig Helmut Alda,
Axel Steffen,
Jan Peters,
Susanne Belting,
Hanna Gersmann,
Meine Damen und Herren,

ich freue mich sehr, heute hier sein zu dürfen!

Das Thema Moorwiedervernässung ist auch ein Thema am Bundesumweltministerium. Hier beschäftigt sich gleich ein ganzes Referat mit dem Schutz der Moore und eine ganze Unterabteilung mit Natürlichem Klimaschutz.

Die Wiedervernässung von Mooren ist eine große Herausforderung! Denn seit Jahrhunderten müssen Moore in Deutschland dem menschlichen Siedlungsbau und der Landwirtschaft weichen. Die Trockenlegung großer Moorflächen galt lange Zeit als zivilisatorischer Fortschritt. Zum Beispiel wurden unter dem preußischen König Friedrich II. riesige Moorflächen im Oderbruch entwässert, auf denen im Anschluss hunderttausende Menschen angesiedelt wurden.

Die Arbeiten zur Moorentwässerung sind historisch auch mit Zwangsarbeit und großem Unrecht verbunden. Im Nationalsozialismus mussten KZ-Häftlinge im Emsland mit Spaten ins Moor ziehen, um Torf zu stechen.

Auch in der ehemaligen DDR und in der Bundesrepublik Deutschland wurden Moore trockengelegt. In den norddeutschen Bundesländern wie zum Beispiel Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in Baden-Württemberg findet ein flächendeckender Torfabbau noch heute statt.

Ja, es steht außer Frage, auch die Entwässerung von Mooren und der Torfabbau haben zu Wohlstand beigetragen. Doch nun merken wir, dass mit der Trockenlegung gravierende Nachteile einhergehen. Im Unterschied zu intakten Mooren, geben entwässerte Moorböden riesige Mengen an gespeicherten Treibhausgasen ab, die den Klimawandel befördern. Mit der Trockenlegung von Mooren gefährden wir also unsere Lebensgrundlage!

Deshalb denken wir mittlerweile anders: Der Schutz und die Wiedervernässung von Moorböden sind notwendig, nicht nur für den natürlichen Schutz des Klimas, sondern auch, weil Moore Lebensraum für viele Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen bieten, Wasser und Nährstoffe speichern, Schadstoffe binden, den Landschaftswasserhaushalt stabilisieren und insbesondere auch bei Hochwasser ausgleichend wirken können.

Es gibt also viele gute Gründe, um unsere Moore zu erhalten und degradierte Moorböden wiederzuvernässen. Dabei ist auch die Politik gefragt.

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Anstrengungen zum Moorschutz auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene intensiviert werden.

Sie unterstützt die im März 2019 verabschiedete Resolution der Umweltversammlung der Vereinten Nationen zum Moorschutz. Darin werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, sich verstärkt für den Schutz, die nachhaltige Nutzung und die Wiederherstellung von Mooren und Moorböden einzusetzen.

Aktuell befinden wir uns in der Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Diese wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die Jahre 2021 bis 2030 ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, die Zerstörung und Degradierung von Ökosystemen weltweit zu stoppen, künftig zu verhindern und bereits geschädigte Ökosysteme - darunter Moore - wiederherzustellen. Bislang haben sich 70 Staaten, auch Deutschland, den Zielen der UN-Dekade verpflichtet.

Die Bundesregierung erkennt die wesentliche Rolle von Moorböden als natürliche Kohlenstoffsenken zur Erfüllung seiner Klimaziele an. Sie setzt die im Übereinkommen von Paris enthaltenen Verpflichtungen zur Treibhausgasreduzierung um und setzt dabei auf eine verstärkte Einbeziehung von Moorböden.

Auf europäischer Ebene werden viele von Ihnen das Tauziehen um die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur mitverfolgt haben. Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat sich aktiv für die Verabschiedung der Verordnung eingesetzt. Am 17. Juni 2024 schließlich haben die Umweltministerinnen und Umweltminister der EU-Mitgliedstaaten für die Verordnung, die auch als Renaturierungsgesetz bekannt ist, gestimmt. Das neue Gesetz ist insbesondere auch von Bedeutung für die Wiedervernässung von Moorböden. Mit ihm werden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und mindestens 20 Prozent der Meeresfläche der EU wiederherzustellen. Bis 2050 sollen Wiederherstellungsmaßnahmen für alle Ökosysteme, die der Wiederherstellung bedürfen, ergriffen werden.

Das Bundeskabinett hat am 9. November 2022 die Nationale Moorschutzstrategie beschlossen. Die Strategie soll einen Beitrag zur Erfüllung der internationalen und nationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Klima- und Biodiversitätsschutz leisten. Dazu benennt sie konkrete Maßnahmen, die für die Erhaltung und Wiederherstellungen der Moore von Bedeutung sind und für eine Verbesserung des Zustands der Moore umgesetzt werden müssen.

Im Zentrum steht die Wiedervernässung von trockengelegten Mooren und Moorböden sowie ihre klimaverträgliche Nutzung. Bis zum Jahr 2030 sollen die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden um mindestens fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente gesenkt werden. 

Wichtig ist, zu betonen, dass wir – soweit es um landwirtschaftlich genutzte Flächen geht - dabei mit Landwirtinnen und Landwirten auf Augenhöhe zusammenarbeiten wollen. In freiwilligen Kooperationen mit landwirtschaftlichen Betrieben und unter Berücksichtigung der regionalen Rahmenbedingungen werden Bewirtschaftungsformen eingeführt und gefördert, die einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten und die mit dem Moorbodenschutz sowie dem Schutz der biologischen Vielfalt in Einklang stehen.

Im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz nimmt der Moorschutz eine bedeutende Rolle ein. Der Schwerpunkt liegt auf der Wiedervernässung entwässerter land- und forstwirtschaftlich genutzter Moorböden. Dazu werden umfassende Fördermöglichkeiten zur dauerhaften Wiedervernässung mit anschließender, angepasster Bewirtschaftung entwickelt. Daneben soll die Renaturierung entwässerter ungenutzter Moorflächen gefördert werden. Eine Förderrichtlinie zur Information, Steuerung und Unterstützung von Maßnahmen zur Wiedervernässung von Moorböden dient der strukturierten und koordinierten Umsetzung der zuvor genannten flächengebundenen Fördermaßnahmen.

Von besonderer Bedeutung für die Weiterentwicklung eines ambitionierten Moorschutzes sind die vom Bundesumweltministerium geförderten Pilotvorhaben. In den vier Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Bayern wird über einen Zeitraum von zehn Jahren (2021 - 2031) erprobt, wie sich trockengelegte und landwirtschaftlich intensiv genutzte Moorböden in eine nasse Bewirtschaftung überführen lassen. Die Etablierung standörtlich angepasster Paludikulturen und die Entwicklung neuer Produkte sowie die Etablierung von Vermarktungs- und Verwertungswegen sind dabei Hauptanliegen. Wie Sie sehen, spielen auch soziale und wirtschaftliche Aspekte eine wichtige Rolle, sowie die Auswirkungen auf die heimische Biodiversität.

Die Pilotvorhaben umfassen ein Fördervolumen von rund 50 Millionen Euro.

Von besonderer Wichtigkeit für einen effektiven Moorbodenschutz ist ein einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern. Im Oktober 2021 wurde deshalb unter gemeinsamer Federführung des Bundesumweltministeriums und des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Schutz von Moorböden unterzeichnet.

Die Vereinbarung enthält u.a. das Ziel, die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen auf ihre Eignung zu überprüfen, um einen effektiven Moorbodenschutz zu gewährleisten. Dabei sollen v.a. auch die Interessen der Flächeneigentümerinnen und -eigentümer sowie Flächennutzerinnen und -nutzer angemessen berücksichtigt werden. Bei der Wiedervernässung von Moorböden soll auf Freiwilligkeit gesetzt werden.

In Umsetzung der Bund-Länder Zielvereinbarung, der Nationalen Moorschutzstrategie und des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz startet im nächsten Jahr das Vorhaben MoorRecht. In dessen Fokus steht die Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Wiedervernässung von Mooren und die Identifizierung von Regelungsoptionen zur Beschleunigung des natürlichen Klimaschutzes. Außerdem soll ein Leitfaden für den Vollzug erarbeitet werden.

Sie sehen, wir als Bund tun einiges, um unsere Moore zu schützen und ihre Wiedervernässung zu fördern! Daneben gibt es viele Initiativen und Maßnahmen in den Bundesländern, die den Schutz von Moorböden zum Ziel haben.

Es freut mich sehr, dass heute Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft, den Behörden, von Verbänden und aus der Politik zusammengekommen sind, um über Möglichkeiten der Beschleunigung von Maßnahmen zur Wiedervernässung von Moorböden zu diskutieren. Dabei ist die Einbeziehung aller Akteure wichtig, um bestehende Hürden zu identifizieren und Lösungsmöglichkeiten zu finden.

Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Sabine Schlacke und Prof. Dr. Michael Sauthoff liefert mit seiner Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen und seinen rechtspolitischen Empfehlungen einen wertvollen Beitrag, um den Moorschutz im Bund und in den Ländern voranzubringen.  

Ich freue mich auf die Vorstellung der Ergebnisse des Gutachtens durch Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke und Prof. Dr. Michael Sauthoff und auf eine fruchtbare Diskussion im Anschluss!

26.06.2024 | Rede Naturschutz
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