Statement von Steffi Lemke vom 7. September zur IAA 2023:
"Ich freue mich darauf, mich auf der IAA Mobility 2023 über die neuesten nachhaltigen Mobilitätskonzepte zu informieren. Die Automobilbranche bringt Innovationen hervor, die aus Umweltsicht wegweisend sein können und die wir für eine klimaneutrale und ressourcenschonende Zukunft der Mobilität dringend benötigen. Menschen müssen sicher und zuverlässig von A nach B kommen, ob zu Fuß, mit dem Rad, dem Auto oder dem 49-Euro-Ticket. Gerade in ländlichen Regionen wird das Auto gebraucht, um zum Supermarkt, zum Sportverein oder ins nächste Dorf zu kommen. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung am Hochlauf der E-Mobilität im PKW-Sektor arbeitet. Ein Elektromotor ist für Autos mit Abstand der effizienteste Antrieb: wartungsarm, günstig im Betrieb und mit grünem Strom wirklich klimafreundlich. Die meisten Autohersteller haben dies erkannt und längst die Weichen in Richtung Elektrifizierung gestellt."
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die freundliche Begrüßung. Sie alle, die sie hier sind, wissen, die Automobilindustrie steckt mitten im Wandel. Manche sagen: in der Krise. Das würde ich mir nicht zu eigen machen, denn die Automobilindustrie erlebt eine solche Situation auch nicht zum ersten Mal. Sie hat bei der Transformation unserer Wirtschaft eine Schlüsselrolle. Die hat sie auch in der Vergangenheit schon häufiger eingenommen. Der Wandel, der in der Industrie insgesamt stattfindet, vollzieht sich in der Automobilindustrie im Moment in einem rasanten Tempo. Das hat natürlich zu tun mit den gesellschaftlichen, mit den globalen wirtschaftlichen Veränderungen, vor denen wir stehen.
Es sind zum einen die Folgen der Klimakrise. Die Automobilindustrie spielt hier eine Schlüsselrolle bei der Frage, ob wir diese Krise in den Griff bekommen können.
Zweitens verändert die Digitalisierung Produkte und Produktion. KI ist in aller Munde. Man sieht es auch hier den Produkten und den Ausstellern in der Messehalle an, dass Digitalisierung eine der großen Aufgaben ist, die bereits angepackt wurde. Vieles liegt aber noch vor uns.
Und drittens haben der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Folgen der Corona Pandemie tiefe Spuren in globalen Lieferketten hinterlassen, auch in unserer Gesellschaft. Wir haben ein Gespür dafür bekommen, wie verletzlich unsere Gesellschaften sind und dass wir darauf reagieren müssen.
In einer sich tiefgreifend verändernden Welt muss sich eben auch die Automobilindustrie weiter wandeln. Das Mobilitätsverhalten verändert sich zum Beispiel durch Homeoffice, aber natürlich auch durch Ki. Als Schlüsselindustrie in Deutschland muss die Automobilindustrie diese Herausforderung nicht nur für sich selbst lösen, sondern sie nimmt dabei auch eine, ich sage mal, Vorbildrolle, was Innovation und Veränderungsbereitschaft anbetrifft, ein.
Die Chancen für Innovation sind enorm, aber sie müssen auch ergriffen werden. Die Automobilindustrie ist darauf angewiesen, dass die Bundesregierung und dass Europa dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Hier gibt es in Einzelfragen Kontroversen. Das ist in so rasanten Veränderungszeiten auch gar nicht anders möglich. Aber es gibt einen Punkt, an dem wir uns alle einig sind, aus welcher Richtung wir auch immer auf diese Transformation schauen. Wir haben dafür keine 20 Jahre Zeit. Wir können nicht abwarten, weil andere das auch nicht tun.
Ich nehme sehr aufmerksam wahr, dass sich die Automobilindustrie in weiten Teilen bei den zentralen Zukunftsfragen enorm engagiert. Das gilt für Digitalisierung, aber auch für die ökologischen Herausforderungen. Es wird Sie wahrscheinlich nicht wundern, wenn ich als Umweltministerin an einigen Aspekten auch mit einer anderen Brille darauf schaue. Aber es ist kein Gegeneinander, sondern es ist ein Miteinander auf dem Weg in eine neue Zukunft. Diese Zukunft ist für die Autoindustrie elektrisch.
Das ist nach meiner Wahrnehmung auch das klare Signal, dass hier von der IAA ausgeht. Viele Hersteller wollen auch gar nicht auf 2035 warten, sondern die Neuwagen in Europa sind schon Ende dieses Jahrzehnts ganz überwiegend emissionsfrei. Und das ist auch gut so.
Umweltschutz ist nicht nur eine Frage der Elektrifizierung der Antriebswende. Es geht insgesamt um den CO2-Fußabdruck der Produktion. Hier ist für die Automobilindustrie natürlich der Bereich der Batterien einer der ganz entscheidenden neben den digitalen Anwendungen. Es ist gut, dass es bemerkenswerte Technologiesprünge in den vergangenen Jahren gegeben hat bei der Batterieentwicklung. Weitere stehen in Aussicht. Das Ende der Fahnenstange ist hier noch lange nicht erreicht. Deshalb nehmen der Einsatz von Materialien, ressourcenschonendes Entwickeln von Batterietechnik und recyclingfähige Materialien bereits jetzt eine ganz große Rolle ein. Das heißt, neben Mobilitätswende und neben Energiewende geht es ganz entscheidend um das Thema Kreislaufwirtschaft, sowohl aus ökologischer Hinsicht als auch aus ökonomischer.
Lassen sie mich kurz auf die Rahmenbedingungen eingehen, die bereits geschaffen wurden und die aktuell in der Bundesregierung und in Brüssel diskutiert werden. Für den Klimaschutz sind es zum einen die CO2-Flottengrenzwerte als zentraler Baustein für die Transformation, die ab 2035 eben nur noch emissionsfreie Pkw in der Neuzulassung haben. Die Bundesregierung unterstützt den Hochlauf der E-Mobilität unter anderem durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur als wahrscheinlich entscheidenden Schlüssel für die kommenden Jahre. Gleichzeitig wird aber auch diskutiert, welche weiteren Schritte zur vollständigen Dekarbonisierung des Verkehrssektors notwendig sind.
Ich möchte betonen, dass wir angesichts des engen Zeitfensters, dass wir aufgrund des globalen Wettbewerbsdrucks haben, uns auf die realistischen Lösungen konzentrieren sollten. Das heißt, dass E-Fuels wegen der geringen Effizienz, der mangelnden Verfügbarkeit und der hohen Kosten im Pkw-Bereich keine entscheidende Rolle spielen werden. In anderen Bereichen werden sie gebraucht, da werden wir sie einsetzen müssen. Auch deshalb wird die Verfügbarkeit für den Pkw Bereich nicht ausreichend sein, um hier einen relevanten Anteil zu spielen.
Es gibt zweitens den neuen EU-Verordnungsentwurf zur Verbesserung der Kreislauffähigkeit in der Automobilindustrie. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass ich den aktuellen Vorschlag der Kommission grundsätzlich begrüße und dass wir hier sicherlich noch Diskussionen vor uns haben. Aber die Zielrichtung, Kreislaufführung und Ressourceneffizienz von Fahrzeugen, um die Widerstandsfähigkeit der Automobilindustrie im globalen Wettbewerb zu stärken und ökologische Fortschritte zu machen, ist definitiv richtig. Mir sind folgende Punkte dafür besonders wichtig:
Der Einsatz von Sekundärrohstoffen muss ausgebaut werden. Wir haben die Verletzlichkeit unserer Lieferketten erlebt. Wir wissen, dass die Verfügbarkeit von Primärrohstoffen unter zunehmendem globalen Wettbewerbsdruck nicht leichter und nicht preiswerter werden wird. Deshalb gebietet es der gesunde Menschenverstand, dass wir Design for Recycling und for Reuse von Anfang an stärken. Wie bei Batterien müssen wir den Lebenszyklus-Ansatz bei den Fahrzeugen stärken.
Zweitens, die illegale Verwertung und Verbringung von Pkw muss besser unterbunden werden. Ich begrüße deshalb ausdrücklich die Einführung des digitalen Verwertungsnachweises und dem verpflichtenden Nachweis der Fahrtauglichkeit beim Export. Wenn ich bei den internationalen Verhandlungen unterwegs bin, dann ist deutlich zu spüren, dass die Bereitschaft, nicht wiederverwertbare Produkte aus den Industriestaaten in anderen Ländern aufzunehmen, geringer wird. Da wird sehr stark drauf geschaut, ob ein Nutzen für die jeweiligen Länder daraus existiert, weil das reine Aufnehmen von Müll, sowohl im Plastik Bereich als auch im Fahrzeugbereich, immer kritischer gesehen wird.
Drittens soll die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, die derzeit mit einem wirklich umfangreichen Beteiligungsprozess erarbeitet wird, ein eigenes Handlungsfeld „Fahrzeuge und Batterien“ erhalten. Darin wollen wir Themen wie Verwertung, Rohstoffrückgewinnung und Produktgestaltung nach dem Motto „Denken im Kreislauf“ für die nationale Ebene zusammenführen.
Da es im Titel meiner Rede auch um Verantwortung geht, will ich dem Thema Euro-7-Schadstoffnormen nicht ausweichen. Wir haben eine Diskussion auf der europäischen Ebene bis zum Jahresende vor uns, von der ich hoffe, dass sie zügig und erfolgreich zum Abschluss gebracht wird, um dann klare Rahmenbedingungen zu haben. Diese Schadstoffnorm wird dabei helfen, die Belastung ist durch gesundheitsschädliche Luftschadstoffe zu reduzieren. Mir war als Umweltministerin von Anfang an eine abgewogene Position zwischen Fortschritt für die Luftreinhaltung und für die Industrie wichtig. Die Bundesregierung hat jetzt in Brüssel dementsprechend Position bezogen. Wir brauchen Wertschöpfung und Arbeitsplätze und Luftreinhaltung und deshalb eine ausgewogene neue Euro-7-Schadstoffnorm.
Zur Bewältigung der ökologischen Krisen, sehr geehrte Damen und Herren, wird es nicht reichen, den Verbrennungsmotor einfach durch Elektroantriebe zu ersetzen. Es ist die Frage nach der Art und Weise, wie Mobilität zukünftig nachhaltig gestaltet werden kann. Die diskutiert unsere Gesellschaft äußerst intensiv, in Teilen auch kontrovers. Aber ich sage, in großen Transformationsprozessen ist das gar nicht anders möglich. Aus Umweltsicht ist klar, dass die Menschen von A nach B kommen müssen, auch die Güter müssen von A nach B kommen. Wir müssen dies auch für die Zukunft sicherstellen. Dafür brauchen wir unterschiedliche Ansätze in einer Metropole wie Berlin oder München und im ländlichen Raum.
Die Wahlfreiheit für die Menschen, wie sie ihre Mobilität gestalten, stößt nach Jahrzehnten einer auf das Auto ausgerichteten Mobilität teilweise an Grenzen. Das beste Beispiel dafür ist das 49-Euro-Ticket, auf das die Infrastruktur überhaupt nicht ausgerichtet ist und in manchen Teilen jetzt einer Überforderung unterliegt. Deshalb ist es gut, wenn auch in der Automobilindustrie vernetzte Mobilität von Anfang an mitgedacht wird. Das heißt, die Verbindung von Fußgängern, von Radfahrerinnen, von ÖPNV, von 49-Euro-Ticket und Auto. Wenn das als gemeinschaftliche Aufgabe begriffen wird, wie wir diese verschiedenen Mobilitätsangebote gut vernetzen, dann glaube ich, wäre das für unsere Gesellschaft ein wirklich großer Fortschritt.
Deshalb ist es gut, dass die IAA mehr als Mobilitätsangebote für das Auto präsentieren will und die Mobilität der Zukunft breiter denkt. Deshalb ist es mir persönlich auch wichtig, dass sich das Women-in-Mobility-Netzwerk auf der IAA einbringt, weil ich glaube, dass hier ungehobene Kompetenzen schlummern.
Die IAA, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist längst ein Ort der Diskussion, ein Denklabor, das nach Lösungen für unsere Gesellschaft für eine bessere Zukunft sucht. In diesem Sinne möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, heute Morgen mit ihnen zu diskutieren, vor ihnen zu sprechen, die IAA und das Open Space zu besichtigen. Ich freue mich, wenn wir gemeinsam um die richtigen Lösungen ringen und dabei vorankommen.
Herzlichen Dank!