Rede von Steffi Lemke zur Konferenz des BMUV und Bitkom e.V. anlässlich des Safer Internet Day 2023

14.02.2023
Bundesministerin Steffi Lemke
In ihrer Rede bei der gemeinsamen Konferenz von BMUV und Bitkom e.V. sprach Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke über ungleiche Machtstrukturen im digitalen Raum und deren Auswirkungen auf Verbraucherinnen und Verbraucher.

Machtstrukturen, Beteiligung und Einfluss – Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher im digitalen Raum gestärkt werden?

Sehr geehrter Herr Dr. Rohleder,
sehr geehrte Frau Heyde,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich zur gemeinsamen Konferenz des Bundesverbraucherschutzministeriums und Bitkom anlässlich des Safer Internet Day. Als BMUV sind wir zum zweiten Mal dabei. Ich freue mich, dass die gemeinsame Veranstaltung zum ersten Mal in Präsenz stattfinden kann.

Die Corona-Krise und ihre Folgen klingen langsam ab, leider sind wir jedoch weiterhin mit multiplen Krisen konfrontiert. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine verursacht schreckliches Leid vor Ort. Seine Folgen treffen auch unsere Wirtschaft. Dass sich die Digitalwirtschaft in Deutschland in diesen schwierigen Zeiten insgesamt gut behauptet, ist erfreulich.

Der Propagandakrieg Russlands führt uns gleichzeitig vor Augen, wie stark – gerade in den sozialen Netzwerken – politische Meinungsbildung beeinflusst werden kann und welche Gefahren unserer demokratischen Gesellschaft dadurch drohen.

Insgesamt besteht im digitalen Raum ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen der Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Macht der Anbieter digitaler Dienste. Nutzerinnen und Nutzer bezahlen den angeblich kostenlosen Gebrauch sozialer Netzwerke und anderer digitaler Dienste mit ihren persönlichen Daten und mit Informationen über ihr Verhalten. Diese Währung hilft den großen IT-Konzernen beim Verkauf von Werbung. Sie macht das gefährliche politische Mikrotargeting überhaupt erst möglich.

Viele Menschen fühlen sich mittlerweile überfordert von technisch immer komplexeren Angeboten, permanenten Weiterentwicklungen und fehlender Transparenz, gerade bei der Verarbeitung von Daten. Mangels relevanter Alternativen können Verbraucherinnen und Verbraucher häufig nur noch wählen, ob sie ihre persönlichen Daten preisgeben oder ob sie Dienste gar nicht mehr nutzen – und damit an sozialer Teilhabe verlieren.

Eine ganz aktuelle repräsentative Online-Befragung im Auftrag des Bundesumweltministeriums zeigt auch deutlich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ungleiche Machtstrukturen im digitalen Raum wahrnehmen. 57% der Befragten meinen, dass die Marktmacht digitaler Großkonzerne zu groß ist und 55% wünschen sich eine stärkere Regulierung, um einen Missbrauch der Marktmacht zu verhindern.

Diesen ungleichen Machtstrukturen will ich als Verbraucherschutzministerin entgegenwirken. Die Frage, wie die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern im digitalen Raum gestärkt werden können, steht deshalb auch im Mittelpunkt der heutigen Konferenz.

Digitalisierung wird traditionell als technisches und wirtschaftliches Thema verstanden: Digitalisierung als Treiber von Innovationen, neuen Geschäftsmodellen und Effizienz. Als Teil einer digitalen Verbraucherpolitik bedarf es jedoch auch einer Diskussion, wie der digitale Raum neu strukturiert werden kann, so dass die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern aufgewertet werden.

Ich bin überzeugt: Für eine gemeinwohlorientierte digitale Gesellschaft müssen die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer konsequenter berücksichtigt werden. Dazu brauchen wir einen umfassenden Ansatz, zu dem Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft beitragen: - Erstens brauchen wir einen fairen und klugen Rechtsrahmen, der Nutzerinnen und Nutzer schützt. Dazu muss die Politik Rechtsdurchsetzung sicherstellen und gemeinwohlorientierte digitale Angebote fördern. - Zweitens müssen Unternehmen gesetzlich Vorgeschriebenes verbraucherfreundlich umsetzen und als zentrale Gestalter digitaler Märkte freiwillig Verantwortung übernehmen. - Drittens brauchen Verbraucherinnen und Verbraucher die nötigen Kompetenzen, um ihre Interessen zu wahren und ihre Rechte wahrzunehmen.

Dafür setze ich mich ein. Darauf will ich kurz im Einzelnen eingehen.

Zu meinem ersten Punkt, dem notwendigen Rechtsrahmen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden an vielen Stellen mit ungleichen Machtverhältnissen konfrontiert. Das gilt auch für Systeme der Künstlichen Intelligenz. Und dabei geht es nicht nur um Chat-GPT, das im Moment überall diskutiert wird und jetzt schon akademische Prüfungen besteht.

Ich setze mich für hohe Anforderungen an die verbraucherfreundliche und vertrauenswürdige Gestaltung von KI-Systemen ein, unter anderem auf europäischer Ebene.

Das gilt zum Beispiel bei EU-Vorhaben wie der neuen Verordnung über Künstliche Intelligenz, die wir als Verbraucherschutzministerium eng begleiten.

Das neue Gesetz über digitale Märkte, der Digital Markets Act der EU, beschränkt die Macht marktbeherrschender Digitalkonzerne. Für Plattformen wie zum Beispiel Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Vermittlungsdienste gelten künftig strengere Regeln für mehr Wettbewerb und Fairness. Zum Beispiel dürfen sie im Ranking nicht mehr eigene Angebote bevorzugen.

Ich begrüße diese gezielte Regulierung – ob das Gesetz hält, was es verspricht, muss sich zeigen, wenn es im Mai in Kraft tritt. Wichtig wird dabei auch eine schnelle und wirksame Rechtsdurchsetzung sein, sowohl individuell als auch kollektiv. Wegen der Komplexität digitaler Themen bietet sich hier besonders die Verbraucherverbandsklage an.

Generell darf es allerdings nicht darum gehen, die Verantwortung auf die Einzelne und den Einzelnen abzuwälzen. Deshalb ist mein zweiter Punkt die freiwillige Verantwortungsübernahme von Unternehmen. Mit unserer Corporate Digital Responsibility (CDR) Initiative arbeiten wir im Verbraucherschutzministerium daran, Digitalverantwortung zur Selbstverständlichkeit zu machen. Unser CDR-Kodex bietet eine entsprechende Orientierung.

Beispielsweise sollten Webseiten und Dienste konsequent Datenschutz, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit gewährleisten und zwar von vornherein durch Technikgestaltung und Voreinstellungen– also by design. Hier stehen die Unternehmen in Verantwortung.

Drittens: Digitale Angebote eröffnen Verbraucherinnen und Verbrauchern viele Chancen und Möglichkeiten. Damit sie diese Möglichkeiten selbstbestimmt nutzen können, müssen wir ihre Kompetenz stärken. Mein Haus unterstützt hier viele verschiedene Aktivitäten der Zivilgesellschaft.

Das Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz (ZVKI) zum Beispiel informiert über verbraucherrelevante Aspekte Künstlicher Intelligenz. Es will Debatten anstoßen zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik, und es entwickelt Instrumente zur Bewertung und Zertifizierung von vertrauenswürdiger KI. Ein anderes Beispiel ist der von uns geförderte Digital-Kompass mit kostenfreien Angeboten für Seniorinnen und Senioren rund um das Internet und digitale Dienste.

Diese Beispiele sind nur ein Ausschnitt. Weitere Projekte und Initiativen der Zivilgesellschaft sind auf dem "Markt der digitalen Interaktion" hier im Foyer mit Ständen vertreten. Die Panels liefern zum Thema Machtstrukturen im digitalen Raum aktuelle Impulse. Ich wünsche Ihnen spannende Diskussionen.

14.02.2023 | Rede Verbraucherschutz

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