Rede von Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes

22.09.2022
Steffi Lemke spricht bei der Sitzung des Bundestags. Thema ist die Änderung des Atomgesetzes.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat im Bundestag eine Rede zum von der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes gehalten.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Frau Präsidentin / Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich bin dankbar, dass wir in den noch laufenden Atomkraftwerken Techniker, Arbeiter und Ingenieure haben, die für die Sicherheit dieser Atomkraftwerke garantieren, an jedem Tag, an dem die Atomkraftwerke laufen. Gerade in krisenhaften Zeiten brauchen wir mehr Sicherheit, nicht mehr Risiko. Und ich glaube, dass diese Arbeiter, Techniker und Ingenieure in den Atomkraftwerken schon so etwas wie einen Murmeltier-Tag hatten, als Herr Merz und Herr Söder dort im August in ihren weißen Anzügen auftauchten und sagten, sie wären im Reaktor gewesen und - sinngemäß - hätten festgestellt, dass alles in Ordnung ist.

Ich halte das für keinen verantwortlichen Umgang mit der Atomkraft.

Deswegen sage ich Ihnen: Die Entscheidung zum Atomausstieg steht.

Der 2011 im breiten Konsens beschlossene Atomausstieg kommt. Seien Sie doch stolz darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, dass Sie dies seinerzeit mit der FDP beschlossen haben. Das war verantwortungsvolle Politik! Damit haben wir gemeinsam einen jahrzehntelangen gesellschaftlichen Konflikt befriedet. Deshalb geht es hier nicht um das Lebenswerk von Herrn Trittin, sondern darum, dass Frau Merkel als damals zuständige Bundeskanzlerin diesen Atomausstieg in unserem Land mit unserer Unterstützung umgesetzt hat.

Und Sie können mit Ihrem Gesetzentwurf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Ihnen jetzt darum geht, diese Entscheidung zurück zu drehen. Mit Ihrem Gesetzesentwurf wollen Sie nicht nur eine Laufzeitverlängerung bis 2024 ermöglichen, sondern darüber hinaus. Sie wollen das Rad der Geschichte der Atomkraft zurückdrehen und das wird nicht geschehen.

Es ist verantwortungslos, wenn Sie mit dieser Hochrisikotechnologie umgehen, als wäre es eine Kaffeemaschine, die Sie ab und zu mal an- und ausknipsen, neu mit Wasser befüllen, einen neuen Filter reinmachen und sie dann wieder anschalten.

Es gibt drei Gründe, warum wir aus der Atomkraft ausgestiegen sind – mit einem Gesetzentwurf der CDU:

  • ihre Nutzung ist risikoreich, Tschernobyl, Fukushima und andere Katastrophen haben es gezeigt.
  • Sie ist teuer und produziert hochgiftige Hinterlassenschaften, mit denen noch viele Generationen fertig werden müssen.
  • Die Sicherheitslage von Atomkraftwerken hat sich im Februar 2022 in Europa radikal geändert. Sie sind zum Kriegsziel des Krieges Russlands gegen die Ukraine geworden, wenige Hundert Kilometer von uns entfernt.

Ich habe mir nicht vorstellen können, als ich gegen die Atomkraft demonstriert habe, aus guten Gründen, dass wir über den Wiedereinstieg in die Atomkraft auf Initiative der CDU/CSU diskutieren, während diese Kraftwerke Kriegsziele geworden sind, wenige Hundert Kilometer von hier entfernt.

Und deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es keinen Wiedereinstieg in die Atomkraft geben.

Wir werden jetzt sorgfältig prüfen, ob wir für den kommenden Winter zwei der drei noch laufenden AKW möglicherweise als Reserve brauchen, um auf eine mögliche krisenhafte Zuspitzung der Versorgungslage reagieren zu können.

Gerade das drastische Versagen der Atomkraftwerke in Frankreich wird diese Entscheidung möglichweise hier in Deutschland erzwingen. Deswegen ist es richtig, eine Bereitschaftsreserve vorzuhalten. Aber nicht, daraus aus billigem Populismus die Konsequenz zu ziehen, die Nutzung der Atomkraft um mehrere Jahre verlängern zu wollen.

Verantwortung zu übernehmen heißt auch, transparent und ehrlich zu kommunizieren. Das haben wir in dieser Woche getan. Die Ventil-Leckage am AKW Isar 2 ist kein Sicherheitsproblem, sondern ein technisches Problem. Jetzt muss entschieden werden, wie wir damit umgehen. Es ist darüber hinaus ein schon lange absehbares, berechenbares, mechanisches Problem, das aber dazu führt, dass das AKW jetzt im Herbst, wo wir auch schon eine problematische Stromsituation aufgrund der fehlenden Atomkraftwerke in Frankreich haben, vom Netz genommen werden muss.

Dass uns diese Information von der bayerischen Atomaufsicht nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist, das lasse ich hier mal unkommentiert im Raume stehen.

Wir werden die notwendigen Antworten auf die gegenwärtige Energiesituation geben. Wir treiben die Energiewende voran, indem wir die Erneuerbaren Energien massiv ausbauen, auf Energieeffizienz und Einsparung setzen und indem wir in diesem Winter nochmal auf alte Energieversorgungsquellen zurückgreifen und damit auch den Reservebetrieb für zwei der drei noch laufenden AKWs ermöglichen werden, wenn er notwendig wird.

Vielen Dank.

22.09.2022 | Rede Nukleare Sicherheit
https://www.bmuv.de/RE10268
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