Rede von Steffi Lemke bei der CEWI-Konferenz "Circular Economy gemeinsam anpacken"

23.06.2022
Bundesministerin Steffi Lemke
Bei der Konferenz "Circular Economy gemeinsam anpacken" wurden Projekte vorgestellt, die sich für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen beim Automobilbau und im Gebäudesektor einsetzen. Steffi Lemke hielt die Eröffnungsrede.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Nallinger,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen durch Klimakrise, Artenaussterben und Verschmutzungskrise ist unübersehbar. Immerhin wächst das Bewusstsein dafür und Maßnahmen gegen diese Krisen finden immer mehr gesellschaftliche Unterstützung.

Der Fokus liegt jedoch immer noch vorwiegend auf der Umstellung der Energieversorgung von fossile auf erneuerbare Quellen. Es reicht aber nicht, nur diesen einen Sektor zu transformieren. Letztlich müssen sich alle Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft beteiligen.

Dabei ist der Verbrauch von Rohstoffen die vielleicht entscheidende Stellschraube. Nach Schätzungen des "International Resource Panels" der Vereinten Nationen gehen ungefähr fünfzig Prozent der globalen Treibhausgasemissionen direkt oder indirekt auf die Gewinnung und Verarbeitung von fossilen Brennstoffen, Biomasse, Erzen und Mineralen zurück. Neunzig Prozent des Verlustes der Artenvielfalt wird durch Rohstoffabbau und -verarbeitung verursacht.

Die Konsequenz daraus kann nur eine Verringerung des Verbrauchs an Primärrohstoffen sein.

Weniger Primärmaterialien einzusetzen zahlt sich auch für die Wirtschaft aus. Die Beeinträchtigung von Lieferketten während der Pandemie hat Rohstoffe verknappt und teurer gemacht. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat das Problem noch weiter verstärkt und uns vor Augen geführt. Die mögliche Antwort auf diese Schwierigkeiten in der Lieferkette liegt nah: ein echter Stoffkreislauf. Viele Rohstoffe werden ja bereits im Wirtschaftskreislauf geführt, aber von einer echten Kreislaufwirtschaft sind wir noch ein gutes Stück entfernt.

Hier sind weitere technische Innovationen notwendig, noch wichtiger sind aber soziale Innovationen, also neue Prozesse, neue soziale Praktiken und Organisationsmodelle. Ich möchte ausdrücklich würdigen, dass es bei CEWI darum geht, dass Unternehmen ihre Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette besser miteinander verknüpfen, um den Kreislaufgedanken mit den bereits umlaufenden Rohstoffen in die Tat umzusetzen.

Die Bundesregierung setzt dafür den politischen Rahmen. Zur weitgehenden Schließung von Stoffkreisläufen wollen wir eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie erarbeiten mit dem Ziel, den primären Rohstoffeinsatz zu senken und die Potenziale der Kreislaufwirtschaft für den Klimaschutz zu heben.

Zukünftig muss viel stärker bei der Produktgestaltung angesetzt werden. Dort muss das „Denken in Kreisläufen“ beginnen, denn durch das Design werden die Umweltauswirkungen eines Produkts bereits am Beginn des Lebenszyklus zu 80 Prozent festgelegt.

Ebenso wichtig ist es, die Wettbewerbsfähigkeit von Sekundärrohstoffen zu stärken. Hier könnten die steigenden Preise für Primärrohstoffe ausnahmsweise etwas Positives bewirken. Gleichzeitig werden Qualitätsstandards und -kontrollen gebraucht, um das Vertrauen in die Sekundärrohstoffe zu stärken.

Wir beginnen glücklicherweise nicht bei null. Auf die Wichtigsten Vorhaben will ich kurz eingehen:

  • Seit 2012 gibt es das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm – kurz ProgRess – mit Zielen, Leitideen und Handlungsansätze zum Schutz der natürlichen Ressourcen. 2016 und 2020 wurde ProgRess fortgeschrieben und damit der Beitrag der Ressourceneffizienz zum Erreichen der Klimaschutzziele deutlich gemacht.
  • ProgRess III fordert deutlich mehr Aktivitäten bei Normung und Standardisierung. DIN, DKE und VDI unterstützen das Bundesumweltministerium bei der Erarbeitung einer Normungs-Roadmap Circular Economy. Sie soll die Handlungsbedarfe für künftige Normen und Standards zur Erhöhung der Ressourceneffizienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufzeigen. Im Januar 2023 soll die Roadmap vorliegen und ich will die Gelegenheit nutzen, mich bei den zahlreichen Beteiligten für ihre Mitwirkung zu bedanken.
  • Die Bundesregierung hat das Recht auf Reparatur im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Ich stimme dazu momentan mit den anderen Ministerien ein Aktionsprogramm ab, um Maßnahmen zu erarbeiten, damit Produkte besser reparierbar und Verbraucherrechte gestärkt werden.
  • Die Bundesregierung wird natürlich auch die Gesetzgebungsprozesse auf EU-Ebene aktiv begleiten. Ich begrüße in diesem Zusammenhang sehr, dass die neue Sustainable Products Initiative die erfolgreiche EU-Ökodesign-Richtlinie ersetzt und erweitert, sowie für alle regulierten Produktgruppen Digitale Produktpässe verpflichtend einführt. Informationen zu den verwendeten Materialien, zum Einsatz von Rezyklaten, zur Reparierbarkeit, zu Ersatzteilen oder zur fachgerechten Entsorgung werden zukünftig in solchen Digitalen Produktpässen hinterlegt. Damit liegt uns in naher Zukunft ein neues Informationsinstrument vor, das für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft eine große Rolle spielen wird.
  • Neben diesem politischen Rahmen gibt das vom Bundesumweltministerium geförderte VDI Zentrum Ressourceneffizienz seit 2009 den Unternehmen Hilfestellungen an die Hand, um die Ressourceneffizienz in ihrem Betrieb zu überprüfen und zu erhöhen.

Es gibt bereits viele Aktivitäten zur Umsetzung oder Flankierung der Transformation hin zu einer zirkulären Wirtschaft. Die Stiftung KlimaWirtschaft, der WWF und das Wuppertal Institut sind Teil dieses Prozesses und haben gemeinsam das Projekt CEWI – Circular Economy als Schlüsselstrategie für eine klimaneutrale und ressourceneffiziente Wirtschaft – aus der Taufe gehoben. Eine solche Allianz aus Unternehmen, Zivilgesellschaft und Forschung ist genau die Art von Vernetzung, die gebraucht wird.

Ich bin sehr gespannt auf Ihre Projektideen und wünsche Ihnen eine anregende und produktive Veranstaltung!

Teil 2

Sehr geehrte Frau Nallinger,
sehr geehrte Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer,
sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Ausführungen! Es ist beeindruckend, wie viele und unterschiedliche Themen Sie hier mit Ihren Projektideen adressieren wollen und wie viele unterschiedliche Akteure sich hier vernetzt haben.

Sie haben ganz verschiedene Aspekte der Kreislaufwirtschaft adressiert, von praktischen Anwendungen wie der Jugendherberge in Balingen und der Fahrzeugverwertungsfabrik, über digitale Instrumente bis zur Berücksichtigung von entsprechenden Kriterien bei der Finanzierung von Vorhaben.

Das ist nach meiner Einschätzung der richtige Weg und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Weiterentwicklung und Umsetzung dieser Ideen!

Als Bundesumweltministerium wollen wir Initiativen und innovative Ideen für mehr Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft in der deutschen Wirtschaft durch Fördermaßnahmen unterstützen. Dazu ist beispielsweise ein Programm "Ressourceneffizienz zirkuläre Produktionsprozesse" in Vorbereitung, für das in Kürze die Förderrichtlinie veröffentlicht wird.

Wir stehen auch kurz vor der Auftragserteilung für den Green-AI Hub Mittelstand. Der Green-AI Hub Mittelstand des Bundesumweltministeriums zielt darauf ab, mit KI ökonomisch und ökologisch sinnvolle Lösungen zu finden. Viele Unternehmen sind sich dieses Potenzials noch nicht hinreichend bewusst. Der Auftragnehmer wird in diesem Vorhaben vor allem mit kleinen und mittleren Unternehmen Open-Source-Anwendungen für ressourcenschonende KI-Technologien entwickeln und direkt im Unternehmen einsetzen. Für mich ist sehr wichtig, dass die Ressourceneinsparung dabei insgesamt größer ist als der notwendige Einsatz an Energie und Material für die Anwendung der KI.

Möglicherweise sind die genannten Aktivitäten auch hilfreich zur Umsetzung Ihrer Projektideen.

Damit muss ich mich jetzt von Ihnen verabschieden und wünsche Ihnen weitere produktive Gespräche, sowohl auf dem Podium als auch in der Kaffeepause und beim Mittagessen! Herzlichen Dank für Ihr Engagement, ich wünsche Ihren Projekten viel Erfolg!

23.06.2022 | Rede Kreislaufwirtschaft

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https://www.bmuv.de/RE10151
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