Die TA Lärm von 1968 wird durch Neuregelung ersetzt
Das Bundeskabinett hat heute en von Bundesumweltministerin Merkel vorgelegten Entwurf einer novellierten Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm - beschlossen. Die Neuregelung soll eine aus dem Jahr 1968 stammende und in vielen Bereichen veraltete Verwaltungsvorschrift ersetzen. Mit dem neuen Regelwerk werden den Vollzugsbehörden bundeseinheitliche Vorgaben für die Beurteilung von Anlagenlärm an die Hand gegeben, die auf umfassenden Praxiserfahrungen mit den bestehenden Lärmschutzregelungen für Industrieanlagen basieren.
Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "In der hochindustrialisierten Bundesrepublik Deutschland werden Lärmbelastungen von vielen Bürgern als gravierendes Problem wahrgenommen. Repräsentativen Umfragen zufolge fühlen sich rund 20 Prozent der Bevölkerung durch Industrielärm belästigt. Für die Ermittlung, Beurteilung und Verminderung der Lärmimmissionen aus gewerblich und industriell genutzten Anlagen schafft die jetzt beschlossene Novellierung der TA Lärm klare Vorgaben. Daher wird vor allem Klarheit in folgendem Kernpunkt geschaffen: Wurden nach der bisherigen TA Lärm die Lärmimmissionen je Anlage betrachtet und bestimmten Richtwerten unterworfen, so darf nach dem neuen Entwurf die Summe aller Immissionen von Industrie- und Gewerbeanlagen z. B. an einem benachbarten Wohnhaus den Richtwert nicht mehr überschreiten. Die Anwendung der neuen TA Lärm wird darüber hinaus die Transparenz, Schnelligkeit und Vorhersehbarkeit von Entscheidungen der Behörden zum Gewerbelärm wesentlich verbessern und einen wichtigen Beitrag zur Standortsicherung leisten. Die Novelle kommt damit sowohl den Interessen der betroffenen Nachbarschaft als auch denen der Wirtschaft und der Verwaltung entgegen."
Die neue TA Lärm stellt die notwendige Rechtssicherheit für die Beurteilung von Industrie- und Gewerbelärm her, so daß Genehmigungs- und Prüfverfahren zum Lärmschutz anhand klarer Vorgaben zügig durchgeführt werden können. Dem einheitlichen und effizienten Vollzug des Umweltrechts dient auch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der novellierten TA Lärm: Während die alte TA Lärm ausdrücklich nur für genehmigungsbedürftige Anlagen galt, bezieht die neue Regelung auch die nichtgenehmigungsbedürftigen Anlagen ein und erfaßt damit praktisch die gesamte Bandbreite wirtschaftlicher Betätigung vom Automobilwerk bis zur Bäckerei im Sinne eines "Gesamtkonzepts Gewerbelärm".
Inhaltlich orientiert sich die Novelle TA Lärm an dem bisher erreichten Stand der Rechts- und Verwaltungspraxis. Die neue TA Lärm übernimmt das bewährte Immissionsrichtwertkonzept der Fassung von 1968 und behält auch die Staffelung der Werte nach der Gebietsnutzung bei. In Wohngebieten darf der Bürger auch in Zukunft einen höheren Schutz vor Lärm erwarten als in Misch- oder Kerngebieten. Differenzierte Beurteilungskriterien für selten auftretende Lärmereignisse und für Lärmeinwirkungen am frühen Morgen und am Abend tragen den heutigen Lebensgewohnheiten der Bürger Rechnung und sichern auf diese Weise einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Belangen der Betriebe und dem Ruhebedürfnis der Nachbarschaft. Da sich gezeigt hat, daß plötzlich auftretender Lärm zu beträchtlichen Störungen führen kann, wurde bei der Novelle der TA Lärm der Schutz gegen laute Einzelereignisse verbessert. Die Meß- und Bewertungsverfahren der neuen TA Lärm berücksichtigen jetzt den neuesten Stand der Technik; die Prognoseverfahren, nach denen die Lärmimmissionen einer geplanten Anlage berechnet werden, wurden verbindlich festgelegt und tragen insbesondere den internationalen Entwicklungen in diesem Bereich Rechnung.
Auch wenn zwei unterschiedliche Lärmquellen physikalisch gemessen gleich laut sind, kann das subjektive Empfinden zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Bei den festgelegten Immissionsrichtwerten handelt es sich deshalb nicht um strikte Grenzwerte, die eindeutig die Grenze der schädlichen Umwelteinwirkung durch Lärm markieren, sondern um Richtwerte, die Spielraum für notwendige Einzelfallbeurteilungen lassen. Dieses Konzept hat sich in der Praxis der Beurteilung der Lärmauswirkungen von Anlagen bewährt. Die neue TA Lärm enthält darüber hinaus konkrete Prüf- und Entscheidungskriterien, die dem Vollzug die Einzelfallbeurteilung erleichtern soll.
Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Durch die Novellierung der TA Lärm werden die Rechtssicherheit im Rahmen der Genehmigung und Überwachung von Anlagen deutlich erhöht und die Voraussetzungen für einen bundesweit einheitlichen Vollzug geschaffen. Diesem Ziel messe ich angesichts der erheblichen Bedeutung des Lärmschutzes für die Genehmigung neuer Anlagen und für die Standortsicherheit der vorhandenen Gewerbe- und Industriebetriebe großes Gewicht bei."
Nach Abschluß der Novelle der TA Lärm wird sich der Handlungsschwerpunkt der nicht verkehrsbezogenen Lärmbekämpfungspolitik auf den Bereich der lauten Maschinen und Geräte verlagern, die gewerblich, zunehmend aber auch im Freizeit- und Hobbybereich eingesetzt werden. Die Europäische Kommission hat vor kurzem eine Richtlinie vorgeschlagen, die eine Geräuschkennzeichnung für zahlreiche laute Geräte vorsieht. Damit wird es dem Kunden oder Anwender erleichtert, sich für ein leiseres Gerät zu entscheiden.
Im Mittelpunkt der weiteren Lärmbekämpfungspolitik steht jedoch eindeutig der Lärm von Straße, Schiene und Luftfahrt. Auch hier arbeitet die Europäische Union an Regelungen zur Emissionsminderung: Für den Bereich des Straßenverkehrs liegt ein Vorschlag zur Begrenzung der Rollgeräusche der Reifen vor. Im Bereich des Schienenverkehrslärms wird die Europäische Kommission einem deutschen Vorschlag entsprechend eine Arbeitsgruppe einberufen, die Vorschläge für Lärmschutzregelungen für Schienenfahrzeuge ausarbeiten soll. Zusammen mit schalltechnischen Verbesserungen am Gleis können diese Minderungsmaßnahmen an der Quelle zumindest mittelfristig zu deutlichen Lärmminderungen im Schienennetz führen. Beim Fluglärm strebt die Bundesregierung entsprechend ihrem Konzept "Luftverkehr und Umwelt" eine Absenkung der Lärmgrenzwerte für Verkehrsflugzeugen um wenigstens 3 dB(A) an. Außerdem sollen durch die Staffelung von Betriebszeitregelungen und von Landegebühren nach der Lärmemission des Flugzeugs weitere Anreize zur raschen Umrüstung auf besonders lärmarme Flugzeuge geschaffen werden.