Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:
Am 20. Mai 1998 fand im Bundesumweltministerium eine Anhörung zu den in Frankreich und in Großbritannien festgestellten radioaktiven Kontaminationen verschiedener Spezialeisenbahnwaggons und Transportbehälter mit bestrahlten Brennelementen statt. Ein Teil der bestrahlten Brennelemente stammen auch aus deutschen Kernkraftwerken und sollen in Frankreich bzw. Großbritannien wiederaufgearbeitet werden.
Neben Vertretern der von den Vorfällen betroffenen Unternehmen (Bayernwerk AG, Energie Baden-Württemberg AG, Hamburger Elektrizitätswerke AG, PreussenElektra AG und RWE Energie AG, der Nuclear Cargo + Service GmbH und der Nukleare Transportleistung GmbH) nahmen an dem Gespräch Beamte des Bundesverkehrsministeriums, des Bundesamtes für Strahlenschutz, des Eisenbahnbundesamtes sowie Vertreter des mit der Aufklärung der Ursachen beauftragten Gutachters, die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, teil.
Ergebnisse des Gesprächs waren:
- Die deutschen Betreiber haben sich nach ihren Angaben als Verlader beim Versand der Brennelemente stets streng an der Einhaltung der Grenzwerte orientiert. Zum Zeitpunkt der Übergabe lagen die Kontaminationswerte der Behälter weit unterhalb der Grenzwerte (in der Regel Faktor 10 darunter). Entsprechende Meßprotokolle bestätigen dies.
- Die Betreiber haben eingeräumt, seit Mitte der achtziger Jahre in Einzelfällen von der Firma COGEMA Mitteilungen über Grenzwertüberschreitungen erhalten zu haben. Seit 1990 wurden die Informationen bei der Firma NTL gesammelt und im Rahmen von Besprechungen den EVU weitergegeben. Die EVU haben sich um Abhilfe bemüht. Die Sachverhalte wurden aber den für den Transport zuständigen Bundesbehörden nicht mitgeteilt. Das Bundesumwelt- und das Bundesverkehrsministerium haben dieses Verhalten scharf kritisiert. Die EVU wurden aufgefordert, ausreichende Vorschläge zur Verbesserung des Informationsflusses zu machen und ggfs. organisatorische Konsequenzen einzuleiten. Das Bundesumweltministerium wird andernfalls das Bundesamt für Strahlenschutz als atomrechtliche Genehmigungsbehörde anweisen, zukünftig Informationspflichten der an den Transporten beteiligten Stellen in den Genehmigungsbescheiden festzulegen.
- Das Bundesumweltministerium wurde erstmals am 24. April 1998 durch die französischen Sicherheitsbehörden von den radioaktiven Kontaminationen unterrichtet. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums Kenntnis von Grenzwertüberschreitungen vor diesem Zeitpunkt hatten. Auch die EVU haben anderslautende Behauptungen zurückgewiesen.
- Die deutschen Kernkraftwerksbetreiber haben dem Bundesumweltministerium eine konsequente Ursachenforschung zugesagt. Als kurzfristige Maßnahmen wollen die Betreiber
- den Kontaminationsschutz des Behälters beim Beladen, insbesondere im Bereich der kritischen, nicht zugänglichen Stellen verbessern,
- die Dekontaminationsmaßnahmen in diesen Bereichen intensivieren
- die Verweilzeit der Behälter innerhalb der Kraftwerksanlage verlängern, um so ein Ausschwitzen von Restwasser aus den Behälteroberflächen vor Abtransport zu erzielen.
Zusätzlich sollen zusammen mit COGEMA/NTL und den Behälterkonstrukteuren technische Zusatzmaßnahmen zur Vermeidung von Kontaminationen untersucht und implementiert werden. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) wird alle Vorschläge begutachten.
Zu kritisieren ist auch der zwischenstaatliche Informationsfluß. Das Bundesumweltministerium hätte von den Aufsichtsbehörden in Frankreich und Großbritannien über die Vorkommnisse informiert werden müssen. Es wird deshalb eine Initiative ergreifen, um den internationalen Informa-tions- und Erfahrungsaustausch, speziell mit Frankreich und Großbritannien, zu verbessern.
Zum Sachstand
Nach einer ersten Vorabinformation Ende April diesen Jahres haben Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums am 12. Mai 1998 in Paris von der Direction de la sûreté des installations nucléaires (DSIN) die vollständigen Meßprotokolle über die von der COGEMA in Valognes festgestellten Kontaminationen an Transportbehältern für bestrahlte Brennelemente aus deutschen Kernkraftwerken sowie an Spezialeisenbahnwaggons erhalten. Kontaminationen an Behältern und Waggons sind 1997 bei etwa einem Viertel aller Beförderungsvorgänge zur Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague beobachtet worden. Die Kontaminationen stellten - so auch die Einschätzung der DSIN - keine radiologische Gefährdung der Bevölkerung und der mit den Transporten Beschäftigten dar. Gleichwohl lagen die gemessenen Kontaminationen an einzelnen Stellen deutlich oberhalb der nach den Transportvorschriften zugelassenen Werte. Sie sind somit nicht hinnehmbar. Die vom DSIN übergebenen Unterlagen wurden umgehend dem Eisenbahnbundesamt (EBA) als der für Schienentransporte zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde sowie den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der betroffenen Bundesländer zur Verfügung gestellt und die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mit einer umfassenden Auswertung der Meßprotokolle sowie mit der Ursachenermittlung und daraus zu entwickelnden Abhilfemaßnahmen beauftragt. Bis dahin bleiben die Transporte in die Wiederaufarbeitungsanlagen ausgesetzt.
Am 19. Mai 1998 hat der Fachausschuß Brennstoffkreislauf des Bund-Länder-Ausschusses für Atomkernenergie festgestellt, daß selbst bei einer hypothetisch angenommenen Inkorporation der gesamten auf einem Waggon gemessenen Aktivität durch das Tansportpersonal die dadurch erzeugte Dosis gering ist. Gefahren für Mensch und Umwelt gehen von diesem Phänomen zumindest von den deutschen Transporten nicht aus.