Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:
"Nicht die politische Opposition, die Medien oder die Länder haben die Vorgänge um die kontaminierten Brennstoffelementtransporte aufgedeckt, sondern nach entsprechenden Informationen Frankreichs die aktive Untersuchungs- und Informationspolitik des Bundesumweltministeriums. Aus diesem Grund wurden in der letzten Woche die Energieversorgungsunternehmen und die Länder einbestellt, um den Sachverhalt aufzuklären. Ich habe sofort nach Bekanntwerden der Grenzwertüberschreitungen in Wahrnehmung unserer Aufsichtspflicht Kraftwerksbetreiber, Länder und Öffentlichkeit informiert und einen vorläufigen Transportstopp verfügt. Auf dem deutsch-französischen Umweltrat in der nächsten Woche werde ich mit der französischen Seite erörtern, wie dafür Sorge getragen werden kann, daß festgestellte Grenzwertüberschreitungen sofort an uns weitergemeldet werden. Ich habe veranlaßt zu prüfen, ob rechtliche Schritte gegen mögliche Verantwortliche einzuleiten sind. Über weitere Schritte, die sich aus der Prüfung des Sachverhalts ergeben, werde ich auch nach Abstimmung mit den zuständigen Landesbehörden - wie bisher - umgehend die Öffentlichkeit informieren," erklärte Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel.
Seit der ersten Information des Bundesumweltministeriums am 24.04.1998 wurden neben der Öffentlichkeit sofort die zuständigen Behörden auf Bundes- und Länderebene unterrichtet. Es wird nochmals festgehalten, daß sich durch die Grenzwertüberschreitungen keine zusätzlichen Strahlenbelastungen ergeben haben. Die von den Verunreinigungen ausgehende Strahlung liegt unter ein Promille der Gesamtstrahlung beim Transport.
Gegenwärtiger Erkenntnisstand zu Behälterkontaminationen
1. Bis zu den Verlautbarungen des DSIN Ende April 1998 hatten Behörden des Bundes keine Kenntnis von Kontaminationsgrenzwertüberschreitungen bei Brennelementtransporten nach Frankreich. Die erste Information von DSIN an BMU erfolgte am 24. April 1998. BMU hat die erste Presseerklärung am 30. April 1998 herausgegeben.
In ersten telefonischen Informationen des DSIN war die Rede von Behälterkontaminationen im Bereich von 20 Becquerel pro Quadratzentimeter. Die jetzt bekannten Werte bezüglich der Waggons ergeben sich aus Messprotokollen der französischen Transportfirma TRANSNUCLEAIRE, die vom DSIN am 12. Mai 1998 in Paris übergeben wurden.
2. Das Überwachungssystem in Deutschland sieht vor: Eingangs- und Ausgangskontrollen in den Kraftwerken mit Überwachung durch die Landesbehörden, Messungen durch das Eisenbahnbundesamt auf Unterwegsbahnhöfen an 60 % der Transporte mit bestrahlten Brennelementen. Die in Frankreich festgestellten Kontaminationen können - sofern sie bereits in Deutschland vorgelegen haben sollten - praktisch nur nach Entladung der Waggons festgestellt werden.
3. Eine endgültige Erklärung für erst nach Absendung aufgetauchte Kontaminationen bei Brennelementtransporten gibt es bislang nicht. Das Problem ist in den vergangenen Jahren vereinzelt auf internationalen Fachkongressen wissenschaftlich behandelt worden. Anzunehmen ist, daß es sich um Restkontaminationen handelt, die von der Beladung der Behälter im Brennelementbeckenwasser der KKW herrühren und während des Transports aus bisher noch nicht abschließend geklärten Gründen punktuell an der Behälteroberfläche auftreten und auf die Ladefläche des Eisenbahnwaggons "abtropfen". Die Dichtheit der Behälter wird nicht in Frage gestellt.
4. Die Kontaminationen stellen eine Überschreitung des nach dem für den Versand von Gefahrgut vorgesehenen Grenzwertes von 4 Becquerel pro Quadratzentimeter dar. Dieser Wert gilt für alle Arten von Versandstücken, unabhängig davon, ob Personen mit ihnen in Berührung kommen (z. B. beim Versand von Medizinprodukten).
5. Die 1997 in ca. 20 % der Transporte aus Deutschland aufgetretenen Kontaminationen finden sich am Boden der Transportwaggons sowie vereinzelt an den Behältern. Beide befinden sich unter einer verschlossenen Abdeckhaube, so daß es ausgeschlossen werden kann, daß Personen vor der Entladung mit diesen Kontaminationen in Berührung kommen. Die von den Kontaminationen ausgehende Strahlung ist, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Direktstrahlung der abgebrannten Brennelemente, zu vernachlässigen. BMU schließt sich daher der Bewertung des DSIN an, wonach hierdurch weder für Beschäftigte noch für die Bevölkerung eine Gefahr bestand.
6. Die Vorwürfe des DSIN gegenüber EdF und Cogéma beziehen sich auf innerfranzösische Transporte. Im Hinblick auf die möglicherweise anders gelagerten Umstände (Außenkontami-nation der Waggons und in der Umladestation Valognes) sind sie nicht auf die Situation in Deutschland übertragbar.
7. Der Frage, ob die Cogéma die Messergebnisse an die deutschen Absender weitergegeben hat bzw. was diese gegebenenfalls veranlaßt haben, wird nachgegangen. Es ist nicht hinnehmbar, daß ausreichende Abhilfemaßnahmen nicht getroffen wurden und die deutschen Behörden keine Kenntnis von diesen Sachverhalten hatte.
8. Weitere Transporte dürfen erst stattfinden, wenn hinreichende Abhilfemaßnahmen ergriffen worden sind. Hierzu ist unter Auswertung des jetzt vorliegenden Datenmaterials die Ursachenklärung energisch voranzutreiben. Erste Maßnahmen wurden bereits in die Wege geleitet, wie z. B. durchgängige Verwendung von Kontaminationsschutzhemden für die Behälter bei der Beladung, längere Standzeiten nach der Beladung zum Temperaturausgleich, intensivere Dekontamination etc..
9. Die Abhilfemaßnahmen werden von dem Gutachter GRS bewertet. Diese wird ihre Auswertungen in mehreren Schritten vorzulegen haben. Insbesondere die Feststellungen in Frankreich, aber auch die Frage der Übertragbarkeit von Erfahrungen bei BNFL (Großbritannien) oder aus Japan erfordert längerfristig angelegte Untersuchungen.
10. Die Zusammenarbeit der deutschen und französischen Sicherheitsbehörden wird intensiviert. Die deutsche Seite hat hierzu bereits entsprechende Vorschläge gemacht. Diese zielen auf eine engere institutionalisierte Zusammenarbeit der Behörden und der Sachverständigenorganisationen.