In vielen deutschen Großstädten verschärft sich der Wohnungsmangel zunehmend. Das Problem kann nur gelöst werden, indem das Angebot insbesondere preisgünstiger Wohnungen vergrößert wird. Das Bundesbauministerium (BMUB) und der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW gehen daher gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und der Bauindustrie – beides Partner aus dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen – mit einer Ausschreibung für "Serielles Bauen" neue Wege, um den Bau preisgünstiger Wohnungen in hoher Qualität zu beschleunigen.
Dazu wurde heute ein europaweites Ausschreibungsverfahren gestartet. Ziel ist es, eine Rahmenvereinbarung über den Neubau von mehrgeschossigen Wohngebäuden in serieller und modularer Bauweise mit mehreren Bietergemeinschaften aus Planung und Ausführung abzuschließen. Dies bietet insbesondere öffentlichen Wohnungsunternehmen die Möglichkeit, ohne weitere Verfahren Angebote aus der Rahmenvereinbarung lokal angepasst direkt zu realisieren. Dies sollte die Vorlaufzeiten für Bauvorhaben wesentlich verkürzen. Damit setzen die Partner ein wesentliches Ergebnis der Baukostensenkungskommission um. Gesucht werden neue, innovative Konzepte des Wohnungsbaus, die in wenigen Monaten bereits in Deutschlands Städten für zeitgemäßen Wohnraum und eine Marktentlastung sorgen können.
Bundesbauministerin Barbara Hendricks: "Serielles Bauen kann einen Beitrag zum bezahlbaren Wohnen leisten und sollte daher forciert werden. Industrielle Bauweisen kommen bislang noch zu wenig zum Zuge, weil häufig die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Auftragsgröße nicht erfüllt sind. Als Ergebnis der von mir eingesetzten Arbeitsgruppe ‚Serielles Bauen‘ starten wir deshalb heute eine europaweite Ausschreibung, die sich an innovative Partnerschaften von Planern und Bauausführenden richtet. Wir wollen, dass das standardisierte Bauen den Rohbau und auch Ausbaukomponenten schnell und preiswert macht und dass die Baukultur dabei nicht verloren geht. Es geht auch um vernünftige Grundrisse, selbstverständlich auch variabel, mit wenig Verkehrsfläche. Wir wollen nicht an Qualität verlieren und unsere Städte sollen deswegen auch nicht uniform aussehen. Ich will weder Abstriche bei der Baukultur machen, noch bei den energetischen Voraussetzungen."
Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen: "Wir müssen es schaffen, dass für die Mitte der Bevölkerung neu gebaute Mietwohnungen auch ohne Förderung wieder bezahlbar werden. Erstmals schließen sich deshalb maßgebliche Akteure des Wohnungsbaus zusammen, um in enger partnerschaftlicher Zusammenarbeit innovative Lösungen für den Mietwohnungsneubau zu entwickeln. Die innovativen Baukonzepte sollen vier Dinge vereinen: Zeitersparnis beim Bau, reduzierte Baukosten, eine hohe architektonische und städtebauliche Qualität sowie die Berücksichtigung baukultureller Belange. Wir brauchen in Deutschland ein Neubau-Klima. Denn in den Städten haben insbesondere Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Insgesamt werden pro Jahr 80.000 zusätzliche Mietwohnungen im geförderten Bereich und rund 60.000 Mietwohnungen im bezahlbaren Segment benötigt."
Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer: "Das serielle Bauen hat vor dem Hintergrund der Wohnungsnot neue Aktualität. Wir wollen das schnelle und preisgünstige Bauen mit hoher gestalterischer Qualität verbinden. Nur gut gestaltete Wohnungen und Häuser erfreuen sich über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte großer Beliebtheit und Anziehungskraft. Der Bedarf nach neuem und bezahlbarem Wohnraum ist besonders in den Städten groß. Die Herausforderung für Städte und Gemeinden, für öffentliche und private Bauherren besteht darin, geeignete Flächen zu finden, auf denen gebaut werden kann. Hier gilt es, die urbanen Räume zu verdichten, um nicht nur die bestehende Infrastruktur wirtschaftlich zu nutzen, sondern auch neue Großsiedlungen mit all ihren Problemen zu vermeiden. Es wird keine neuen Plattenbausiedlungen geben. Die Architekten und Stadtplaner sehen einen langfristigen Erfolg des seriellen Wohnungsbaus zwingend mit integrierten Stadtentwicklungskonzepten verknüpft."
Marcus Becker, Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB): "Heute gilt es mehr denn je, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, wie Wohnungen in großer Stückzahl und in angemessener architektonischer Qualität in kurzer Zeit errichtet werden können. Dazu gehört auch die verstärkte Nutzung des seriellen und modularen Bauens. Statt teure Unikate zu fertigen, müssen künftig stärker Prototypen geplant und deutschlandweit in Serie umgesetzt werden. Für mich als Bauunternehmer steht aber auch fest: Wenn schnell und kostengünstig gebaut werden soll, muss Bauen partnerschaftlicher organisiert werden. Ich freue mich deshalb, dass mit der Ausschreibung der Rahmenvereinbarung Wohnungswirtschaft, planende und bauausführende Wirtschaft gemeinsam Neuland betreten wollen. Im Unterschied zur üblichen getrennten Ausschreibung von Planungs- und Bauleistungen sollen in der vorliegenden Ausschreibung Planungs- und Bauleistungen ‚aus einer Hand‘ abgefragt werden – mit dem erklärten Ziel, die Effizienzvorteile einer partnerschaftlicheren Projektbearbeitung von Planern und Bauunternehmen auszuloten."
Es ist beabsichtigt, eines oder mehrere Konzepte aus der Rahmenvereinbarung als Prototypen im Rahmen der IBA Thüringen 2019/2021 zu präsentieren. Dies ist ein wesentliches Element, um serielle und modulare Bauweisen zu forcieren. Auf diese Weise können auch alle theoretischen Angaben – beispielsweise zu Baukosten, technischer Machbarkeit, Prozessoptimierung der Produktion, Vorfertigungsgrad und bestmöglicher Digitalisierung – praxisgerecht evaluiert werden. In der Landeshauptstadt Erfurt werden dafür städtebaulich sehr interessante Flächen unmittelbar am Gelände der Bundesgartenschau 2021 zur Verfügung gestellt. Dies bietet ausgewählten Wettbewerbsteilnehmern die Möglichkeit, ihre zukunftsweisenden Lösungen für modernste serielle Fertigung einer breiten Öffentlichkeit mit hohem Aufmerksamkeitsgrad vorzustellen.
Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen vertritt als größter deutscher Branchendachverband bundesweit und auf europäischer Ebene rund 3000 kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen. Sie bewirtschaften rd. 6 Mio. Wohnungen, in denen über 13 Millionen Menschen wohnen. Der GdW repräsentiert damit Wohnungsunternehmen, die fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland bewirtschaften.
Die Bundesarchitektenkammer e. V. (BAK) ist ein Zusammenschluss der 16 Länderarchitektenkammern in Deutschland. Sie vertritt auf nationaler und internationaler Ebene die Interessen von circa 130.000 Architekten gegenüber Politik und Öffentlichkeit
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie vertritt die Interessen von 2000 großen und mittelständischen Unternehmen der deutschen Bauindustrie. Als Generalunternehmen, Spezialbauunternehmen oder Nachunternehmen erwirtschaften sie knapp die Hälfte des Umsatzes im deutschen Bauhauptgewerbe. Mit 250.000 Mitarbeitern stellen sie ein Drittel der Beschäftigten. Als Wirtschaftsverband vertritt der HDB die Interessen der deutschen Bauindustrie gegenüber Gesetzgeber, Regierung und Verwaltung. Als Arbeitgeberverband ist er Partner bei Tarifverhandlungen und engagiert sich im Bereich der betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildung.
Factsheet
Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung für serielles und modulares Bauen
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hat in Funktion der Vergabestelle gemeinsam mit Partnern aus dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Auftrag seiner Mitgliedsunternehmen eine Rahmenvereinbarung mit Teilnahmewettbewerb und anschließendem Verhandlungsverfahren öffentlich ausgeschrieben. Die Ausschreibung erfolgt mit dem Ziel, eine Rahmenvereinbarung über den Neubau von mehrgeschossigen Wohnbauten in serieller und modularer Bauweise mit Planern und Baugewerbe gemeinsam abzuschließen.
Das innovative Verfahren wurde in enger Zusammenarbeit mit dem BMUB, der Bundesarchitektenkammer und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie InWIS Forschung & Beratung GmbH und der auf das Vergaberecht spezialisierten Kanzlei Redeker Sellner Dahs erarbeitet. Durch die starke Verzahnung von Architekten und Fachplanern, bauausführenden Unternehmen und Wohnungsunternehmen sollen innovative serielle und modulare Lösungen für den Neubau von mehrgeschossigen Wohnbauten mit hoher architektonischer und städtebaulicher Qualität zu reduzierten Baukosten und unter Berücksichtigung baukultureller Belange entwickelt werden.
Bei dem grundsätzlich technologieoffenen Ausschreibungsverfahren steht die Entwicklung und Realisierung zukunftsfähiger Wohnkonzepte in serieller und modularer Bauweise im Fokus, die mit hoher architektonischer Qualität für die jeweiligen Nutzungserfordernissen variabel ausgerichtet werden können. Dabei sind wirtschaftliche sowie Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Temporärer Wohnungsbau ist nicht darunter zu fassen. Die Wohnbauten sollen dabei so flexibel sein, dass sie an unterschiedliche Standortbedingungen angepasst werden können.
Teilnahmeberechtigte
Bei dem Verfahren geht es darum, effektive Formen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu entwickeln. Teilnahmeberechtigt sind Bieter bzw. Bietergemeinschaften, die sich aus Architekten und bauvorlageberechtigten Ingenieuren, bauausführenden Unternehmen und/oder Wohnungsunternehmen zusammensetzen.
Zeitrahmen für Bewerber und Bieter
Bis 31 Tage nach der Bekanntmachung im EU-Amtsblatt – also bis zum 27. Juli 2017 – können sich potentielle Bieter um die Teilnahme an der Ausschreibung bewerben. Die konkreten Angebote der ausgewählten, teilnahmeberechtigten Bieter müssen dann bis zum 27. Oktober 2017, 12:00 Uhr, eingereicht werden.
Bewertung der Angebote
Grundsätzlich müssen bei den eingereichten Angeboten alle baurechtlichen Normen und Vorschriften erfüllt sein. Exemplarisch seien folgende ausgewählte Anforderungen genannt: gestalterisch ansprechende Architektur, städtebaulich variable Gebäude, Minimierung von Verkehrsflächen, ausreichende Belichtung für Wohnkomfort und Energieeffizienz, kompakte und flächeneffiziente Wohnungsgrundrisse, ein Drittel barrierefrei nutzbare Wohnungen, energieeffiziente (EnEV 2016) und nachhaltige Gebäudekonzepte, hohes Maß an Standardisierung zugunsten von zeit- und kostensparendem Bauen.
Anforderungen an die Angebote
Grundsätzlich müssen bei den eingereichten Angeboten alle baurechtlichen Normen und Vorschriften erfüllt sein. Exemplarisch seien folgende ausgewählte Anforderungen genannt: gestalterisch ansprechende Architektur, städtebaulich variable Gebäude, Minimierung von Verkehrsflächen, ausreichende Belichtung für Wohnkomfort und Energieeffizienz, kompakte und flächeneffiziente Wohnungsgrundrisse, ein Drittel barrierefrei nutzbare Wohnungen, energieeffiziente (EnEV 2016) und nachhaltige Gebäudekonzepte, hohes Maß an Standardisierung zugunsten von zeit- und kostensparendem Bauen.
Auswahl der Angebote
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW als Vergabestelle wird die endgültige Auswahl von insgesamt fünf bis zehn Bietern beziehungsweise Bietergemeinschaften auf Grundlage der Ergebnisse des Bewertungsgremiums vornehmen. Die Entwürfe der Bieter bzw. Bietergemeinschaften, die den Zuschlag für den Abschluss der Rahmenvereinbarung erhalten haben, werden in einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung präsentiert.
Der Rahmenvertrag
Der Rahmenvertrag wird mehrere Angebote umfassen und basiert auf einer funktionalen Ausschreibung für ein fiktives Grundstück. Er definiert Rahmendaten und Preise für ein Mustergebäude. Die konkrete Beauftragung eines Bauvorhabens erfolgt mittels eines Einzelauftrags. Ziel ist es, Ende des ersten Quartals 2018 die Rahmenvereinbarung mit den Siegern des Verfahrens zu unterschreiben.