Geplanter Nationalpark Elbtalaue erfüllt Naturschutzanforderungen nicht

15.01.1998
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 4/98 S
Thema: Naturschutz
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Hirche: Niedersachsen täuscht Naturschutzinteressen vor

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:

In seiner Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung über den Nationalpark Elbetal des Landes Niedersachsen kommt der Bund zu dem Ergebnis, daß der geplante Nationalpark nicht die Voraussetzungen des § 14 Bundesnaturschutzgesetz erfüllen kann, weil sich Nationalparke u.a. in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflußten Zustand befinden müssen. Dies ist im Elbetal nicht der Fall.

Darüber hinaus läßt der Verordnungsentwurf des Landes Niedersachsen weiterhin in erheblichem Umfang Nutzungen der Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft, Jagd und Fischerei im Nationalpark zu und stellt sie auch für die Zukunft weitgehend frei. Der Verordnungsentwurf enthält ferner keinen Hinweis, ob, wie und in welchen Zeiträumen diese Nutzungen reduziert oder gänzlich eingestellt werden sollen.

Zum gleichen Ergebnis ist die Föderation der Natur- und Nationalparke Europas (FÖNAD) - eine unabhängige Organisation - in einer wissenschaftlichen Untersuchung gekommen.

Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium Walter Hirche: "Das niedersächsische Umweltministerium versucht unter dem Deckmantel des Naturschutzes, dem Endlagerprojekt Gorleben weitere Steine in den Weg zu legen. Während land-, forst- und wasserwirtschaftliche Nutzungen keineswegs eingeschränkt werden sollen, was aber die Voraussetzung für einen Nationalpark wäre, werden z. B. Bohrungen im Nationalparkgebiet im Verordnungsentwurf ausdrücklich untersagt."

Das geplante Nationalparkgebiet grenzt Übertage an das Erkundungsbergwerk Gorleben und überschneidet sich teilweise Untertage. Der Standort Gorleben wird seit etwa 20 Jahren im Hinblick auf die Endlagerung insbesondere wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle untersucht. Der Bund führt damit am Standort Gorleben eine Aufgabe im Gemeinwohlinteresse durch. Das Bundesumweltministerium mußte deshalb vorsorglich darauf hinweisen, daß zum heutigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß weitere Bohrungen auch in fernerer Zukunft erforderlich werden können.

Hirche: "Niedersachsen plant ein naturschutzfachlich unsinniges Projekt und bürdet gleichzeitig den Bürgern finanzielle und entsorgungspolitische Risiken auf. Unbestritten handelt es sich bei der Elbtalaue aber um ein Gebiet von internationaler Bedeutung für den Naturschutz. Vor diesem Hintergrund sollte Niedersachsen das unter den vorliegenden Umständen Mögliche tun und die Chancen nutzen, die sich durch die UNESCO-Anerkennung als Biosphärenreservat ergeben. Darin kann Naturschutz in den Kernzonen betrieben werden und zugleich in den Entwicklungszonen eine verstärkte Nutzung erfolgen. Dies ist in einem Nationalpark nicht möglich."

Es zählt zu den Aufgaben des Bundes, ein Land auf bestehende Beschlüsse und Vereinbarungen zu bestimmten Vorhaben im geplanten Nationalpark hinzuweisen. Im Zusammenhang mit dem vom Land Niedersachsen vorgelegten Entwurf der Rechtsverordnung erfolgte dies zu bestehenden rechtlichen Erfordernissen aufgrund der Ausweisung von Teilbereichen des Nationalparks als besonderes Schutzgebiet nach der Richtlinie zur Erhaltung der wildlebenden Vogelarten der Europäischen Union, zur Sicherung notwendiger Anforderungen im Hinblick auf das Endlagerprojekt Gorleben und zu den Beschlüssen des Bundestages zum Verkehrswegeplan 1992.

Zusätzlich zu der Nutzungsproblematik wird der geplante Nationalpark aufgrund seiner räumlichen Darstellung mit einer Ausdehnung über 82 km Länge bei vergleichsweise sehr geringer Breite, zwischen 0,5 und maximal 3,0 km, wesentlich durch die daraus resultierenden Rand- und Störeffekte und nicht auszuschließenden Einwirkungen von außen geprägt.

In seinen Ausführungen gegenüber dem Land stellt das Bundesumweltministerium weiterhin heraus, daß ein Flußauen-Nationalpark, um den Anforderungen an diese Schutzgebietskategorie gerecht zu werden, den gesamten Bereich der Aue einschließlich aller natürlichen, stromtaltypischen und eigendynamischen Lebensräume des heimischen Pflanzen- und Tierbestandes umfassen sollte. Dies ist an der Elbe in hohem Maße nicht mehr gegeben, da große Teile der Aue von der natürlichen Flußdynamik abgeschnitten sind. Durch den Bau neuer Schöpfwerke wurde der Einfluß der Wasserdynamik an der Elbe für mehrere naturschutzfachlich interessante, binnendeichs liegende Gebiete weiter begrenzt, andere Teile unterliegen einer zunehmenden Entwässerung.

Zusammenfassend ergibt sich für das Bundesumweltministerium, daß mit dem vom Land Niedersachsen vorgelegten Verordnungsentwurf die als Nationalpark vorgesehenen Gebietsteile und die Schutzgebietsverordnung wesentliche fachliche Anforderungen des Naturschutzes nicht erfüllen, Naturschutz aber durchaus in dem gewünschten Umfang im Rahmen eines Biosphärenreservats betrieben werden kann.

15.01.1998 | Pressemitteilung 4/98 S | Naturschutz
https://www.bmuv.de/PM712
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