Erste gesamtdeutsche "Rote Liste gefährdeter Tiere" vorgestellt

18.06.1998
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 42/98
Thema: Artenschutz
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Umweltpolitisches Schwerpunktprogramm zeigt Wege zur Trendwende auf - Merkel: - Deutsche Einheit auch für den Artenschutz ein Gewinn - Naturschutz braucht Landwirt- und Forstwirtschaft als Partner

Umweltpolitisches Schwerpunktprogramm zeigt Wege zur Trendwende auf - Merkel: - Deutsche Einheit auch für den Artenschutz ein Gewinn - Naturschutz braucht Landwirt- und Forstwirtschaft als Partner

"Seeadler, Fischadler und Weißstorch verzeichnen eine positive Bestandsentwicklung und die Großschmetterlinge Frankfurter Ringelspinner sowie Schwalbenschwanz gelten nicht länger als verschollen. Sie sind Beispiele dafür, daß die Deutsche Einheit auch für den Artenschutz ein Gewinn ist. Mit der großzügigen Ausweisung von Schutzgebieten in den neuen Bundesländern in der Wendezeit wurde eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, daß dies auch so bleibt. Es sind aber nach wie vor viele Arten bestandsgefährdet. Die Roten Listen gefährdeter Tier-, Pflanzen- und Biotoparten sind daher ein wichtiger Gradmesser dafür, wie es um die biologische Vielfalt steht. Angesichts des in Deutschland und Europa beobachteten Rückgangs von Tier- und Pflanzenarten muß der Schwerpunkt der Naturschutzpolitik auf den Schutz der Lebensräume ausgerichtet sein. Dazu gehört die Vernetzung von Lebensräumen, um den Austausch von Tier- und Pflanzenpopulationen und deren Ausbreitung zu ermöglichen. Dieses Ziel verfolgt auch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH). Sie will ein zusammenhängendes ökologisches Netz von Schutzgebieten aufbauen," erklärt Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel anläßlich der heutigen Vorstellung der ersten gesamtdeutschen "Roten Liste gefährdeter Tiere" in Bonn.

Mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wurde die europäische FFH-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die Novelle trägt auch dem Gedanken Rechnung, daß effektiver Naturschutz nur mit und nicht gegen die Nutzer möglich ist.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Effektiver Naturschutz ist ohne die Akzeptanz und Mitarbeit der Land- und Forstwirte, die rund 80 Prozent der Fläche unseres Landes bewirtschaften, kaum möglich ist. Nutzungseinschränkungen sind deshalb ohne Ausgleichszahlungen kaum vermittelbar. Ich weise auch den Vorwurf zurück, der Bund betreibe Naturschutzpolitik auf Kosten der Länder, weil sie für die Ausgleichszahlungen an Land- und Forstwirtschaft aufkommen müssen. Die Bundesregierung fördert seit 1979 47 Naturschutzgroß- und 13 Gewässerrandstreifenprojekte mit einer Fläche von über 456.000 ha. Hierfür wurden rund 600 Millionen DM aus dem Bundeshaushalt aufgebracht."

Für den Schutz des Naturhaushalts und die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist eine Fortschreibung der Naturschutzpolitik notwendig. Das umweltpolitische Schwerpunktprogramm sieht deshalb folgende prioritäre Handlungsfelder vor:

  1. Natürliche und naturnahe Flächen sichern und entwickeln
  2. Trendwende bei der Artengefährdung erreichen
  3. Flächeninanspruchnahme vermindern
  4. Umweltschonende Flächennutzung verwirklichen
  5. Eintrag von Schadstoffen weiter reduzieren
  6. Biotechnologische Verfahren für die Umwelt stärken nutzen.

1. Natürliche und naturnahe Flächen sichern und entwickeln

Der Schutz des Naturhaushaltes wird im Rahmen eines Konzepts der differenzierten Landnutzung auf der gesamten Fläche angestrebt. Dabei sind folgende Stufen zu unterscheiden:

  • Flächen, die in erster Linie dem Schutz des Naturhaushaltes dienen;
  • Flächen, die genutzt werden und auf denen durch besondere Maßnahmen ein hinreichender Schutz des Naturhaushaltes gewährleistet wird, und
  • intensiv genutzte Flächen, auf denen Mindeststandards beachtet werden müssen.

Die Einbettung von streng geschützten Gebieten in weniger streng geschützte Flächen, auf denen dem Schutzzweck angepaßte Nutzungen zulässig sind, puffert die empfindlichen Lebensräume gegen schädliche Einflüsse von außen ab und entspricht dem Konzept der differenzierten Landnutzung. Dazu will die Bundesregierung mit den Bundesländern ein "Bundeslandschaftskonzept" erarbeiten.

2. Trendwende bei der Artengefährdung erreichen

Der Schutz einzelner Tier- und Pflanzenarten gehört zu den ältesten Aufgaben des Naturschutzes. Durch Biotopschutzmaßnahmen, strikten Artenschutz und gezielte Artenhilfsprogramme konnten bei einigen Arten (z. B. Elbebiber, Weißstorch, Habicht und Sperber) gute Erfolge erzielt werden. Insgesamt hält jedoch die Gefährdung vieler Arten an, wie die neue Rote Liste gefährdeter Tiere belegt. Ursache ist vor allem die Gefährdung von Lebensräumen. In einem "100-Arten-Programm" soll deshalb zukünftig die Bestandsentwicklung von ausgewählten Arten, die für bestimmte Biotope repräsentativ sind, beobachtet und dargestellt werden.

3. Trendwende bei der Flächeninanspruchnahme erreichen

Bei kaum einer Ressource ist so offensichtlich wie beim Boden, daß eine ständig wachsende Inanspruchnahme auf Dauer nicht möglich ist. Das Bundesbodenschutzgesetz ermöglicht eine entscheidende Weichenstellung zu einer nachhaltigen Bodennutzung: Durch die Sanierung und Wiedernutzbarmachung von altlastverdächtigen Grundstücken lassen sich Neuausweisungen auf der grünen Wiese verringern. Mit der Verabschiedung der Grundpflichten im Bodenschutzgesetz wird die Flächeninanspruchnahme reduziert und zudem eine möglichst umweltschonende Bodennutzung (z. B. in der Landwirtschaft durch die Anwendung der guten fachlichen Praxis) vorgeschrieben. Weitere Ansatzpunkte sind:

  • Umsetzung des "Baurechtskompromisses" bei der Neuausweisung von Bauland,
  • Um- und Rückbau von nicht mehr benötigten Siedlungsflächen und Infrastrukturanlagen,
  • Bündelung von Verkehrswegen.

4. Umweltschonende Flächennutzung verwirklichen

Da die Art und Weise der Flächennutzung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt eine wichtige Rolle darstellt, soll mit dem Konzept der differenzierten Landnutzung der Schutz des Naturhaushaltes auf der gesamten Fläche verwirklicht werden. Für die verschiedenen Nutzungsbereiche werden Mindeststandards erarbeitet, die einen hinreichenden Schutz des Naturhaushaltes gewährleisten. Angesichts der Flächenverteilung kommt der Landwirtschaft (55%) und der Forstwirtschaft (30%) eine Schlüsselrolle für die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu. Insgesamt ist in den letzten Jahren eine Abschwächung der Umweltbelastung durch die Landwirtschaft eingetreten. Diese positiven Trends sollen fortgesetzt werden durch:

  • Schaffung ökonomischer Anreize zur Extensivierung der Land- und Forstwirtschaft,
  • angemessene Honorierung von besonderen ökologischen Leistungen der Land- und Forstwirte,
  • Förderung der ökologischen Landwirtschaft insbesondere durch Steigerung der Nachfrage.

5. Eintrag von Schadstoffen weiter reduzieren

Der Schadstoffausstoß konnte in Deutschland drastisch reduziert werden. Hier ist es gelungen, das Wirtschaftswachstum von Umweltbelastungen zu entkoppeln und eine deutliche Verbesserung der Umweltqualität zu erreichen. Die positive Entwicklung der Artenvielfalt in Fließgewässern ist so auf eine deutlich verbesserte Wasserqualität zurückzuführen. Um diese positiven Trends fortzuentwickeln sollen die Stickstoffeinträge im Wasser und Boden, Säurebildner und Schwermetalle sowie Pflanzenschutzmittel weiter vermindert werden.

6. Biotechnologische Verfahren für die Umwelt stärker nutzen

Biotechnologie und Gentechnik können wichtige Beiträge für eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung leisten. Die Biotechnologie wird zunehmend im Sinne eines vorsorgenden, produkt-integrierten Umweltschutzes eine Rolle spielen. Seit längerem sind beispielsweise gentechnisch hergestellt Waschmittelenzyme im Einsatz, die bei gleicher Waschleistung Energie einsparen und die Abwässer entlasten. In der Landwirtschaft können durch Züchtung krankheits- und schädlingsresistenter Sorten Pflanzenschutzmittel eingespart werden.

18.06.1998 | Pressemitteilung 42/98 | Artenschutz
https://www.bmuv.de/PM623
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