Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:
"Das heute vorgelegte Sondergutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen macht deutlich, daß die Einbeziehung von sogenannten biologischen Quellen und Senken im Klimaschutzprotokoll von Kioto noch viele Fragen aufwirft. Vor diesem Hintergrund ist es gerade mit Blick auf die bevorstehende 4. Vertragsstaatenkonferenz in Buenos Aires nützlich, daß das Gutachten Empfehlungen für die weiteren Verhandlungen auf diesem Gebiet gibt. Es wird deshalb für die laufende Erarbeitung der deutschen und europäischen Position weiter analysiert und berücksichtigt werden. Nach vorläufiger Einschätzung unterstützt das Gutachten weitgehend die bisherige kritische Position der Bundesregierung auf diesem Gebiet. Die Bundesregierung hält es für unerläßlich, daß weitere Entscheidungen über die konkrete Anwendung der bestehenden Regelungen und die mögliche Einbeziehung weiterer biologischer Quellen und Senken erst getroffen werden, wenn hierfür international anerkannte wissenschaftliche Grundlagen vorliegen. Wir müssen auf jeden Fall sicherstellen, daß künftige Entscheidungen in diesen Bereichen keine Schlupflöcher zur Verwässerung des Kioto-Protokolls eröffnen." Dies erklärte heute in Bonn der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Erhard Jauck, anläßlich der Übergabe des Sondergutachtens des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU).
Das Sondergutachten des WBGU wurde im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt, da die Thematik der biologischen Quellen und Senken nach Kioto auf der 4. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention vom 02. - 13. November 1998 in Buenos Aires erneut auf der Tagesordnung stehen wird. Hintergrund für den Gutachtenauftrag sind die im Kioto-Protokoll fixierten Regelungen in diesen Bereichen, die in mehrfacher Hinsicht problematisch sind.
Mit dem 1997 in Kioto verabschiedeten Protokoll zur Klimarahmenkonvention wurden erstmals mengenmäßig bestimmte und verbindliche Reduktionsverpflichtungen für Treibhausgase vereinbart. In diesem Rahmen können biologische Quellen und Senken für Treibhausgase auf die Reduktionsverpflichtung eines Landes angerechnet werden, soweit sie auf Aufforstung, Wiederaufforstung und Entwaldung zurückgehen. Senken für Treibhausgase nehmen Kohlendioxid auf, während Quellen für Treibhausgase Kohlendioxid freisetzen. Ferner ist im Kioto-Protokoll festgelegt, daß auf der 1. Vertragsstaatenkonferenz des Protokolls entschieden werden soll, welche zusätzlichen Kategorien von biologischen Quellen und Senken in den Bereichen landwirtschaftliche Böden, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft einbezogen werden sollen.
Der WBGU stellt in seinem Gutachten die Quellen- und Senkenpotentiale terrestrischer Ökosysteme dar und kritisiert Unsicherheiten sowie offene Fragen bei der Anrechnung auf Treibhausgasreduktionen. Er hält ferner die Berücksichtigung zusätzlicher Kategorien, wie Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft im Kioto-Protokoll für problematisch. Vor dem Hintergrund dieser kritischen Einschätzung empfiehlt der WBGU für die ausstehenden Verhandlungen u.a.:
- Wiederaufforstungen sollen nur dann angerechnet werden, wenn sie auf Flächen erfolgen, die 1990 keinen Wald trugen, um dem Anreiz zur Entwaldung vor der ersten Verpflichtungsperiode, d.h. vor 2008, zu begegnen.
- Senken sollten wegen der bestehenden Unsicherheiten nur zu einem gewissen Prozentsatz angerechnet werden können.
- Bedingungen sollten festgelegt werden, um die Nachhaltigkeit von Aufforstungs- und Wiederaufforstungsmaßnahmen zu gewährleisten.
- Zusätzliche Kategorien von Senken in den Bereichen landwirtschaftliche Böden, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft sollten nicht angerechnet werden, da die Unsicherheiten weitaus größer sind als bei den bereits einbezogenen Kategorien. Allenfalls könne versucht werden, die wichtigsten Quellen einzubeziehen, wie etwa Degradation von Wald, die Umwandlung von Primär- in Sekundärwälder oder die Trockenlegung von Feuchtgebieten, um einen Anreiz zur Erhaltung dieser bedeutenden Senken zu schaffen.
Staatssekretär Erhard Jauck: "Wir begrüßen, daß der Zwischenstaatliche Ausschuß über Klimaänderungen (IPCC) bei den Klimaverhandlungen vom 02. - 12. Juni 1998 in Bonn beauftragt wurde, einen Sonderbericht zu erarbeiten, der u.a. die Fragen der Definition, der Unsicherheit in der Erfassung, der Berichterstattung und der Verifizierbarkeit von biologischen Quellen und Senken prüfen soll. Dieser Sonderbericht dürfte etwa Mitte 2000 vorliegen. Für die Erstellung des Berichts wird das WBGU-Sondergutachten sehr nützlich sein. Das Bundesumweltministerium wird sich dafür einsetzen, daß die Ergebnisse des Gutachtens im Rahmen des Sonderberichts angemessen berücksichtigt werden. Wir müssen zu einer akzeptablen Lösung in den Bereichen biologische Quellen und Senken kommen, damit hier nicht die Reduktionsverpflichtungen des Kioto-Protokolls ausgehebelt werden."