Anlässlich des 29. Jahrestags der Atom-Katastrophe von Tschernobyl dringt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks auf eine rasche Fertigstellung der neuen Schutzhülle für das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine. "Die Atomruine muss dauerhaft und sicher von der Umwelt abgeschirmt werden. Wir dürfen nicht riskieren, dass die in den letzten 29 Jahren erzielten Fortschritte wieder zunichte gemacht werden, weil sich die internationale Gemeinschaft nicht auf die Finanzierung für Maßnahmen zum sicheren Einschluss einigen kann."
Am 26. April 1986 explodierte der Block 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl. Absolute Priorität hatte nach dem Unfall der schnellstmögliche Einschluss des radioaktiven Materials, um eine weitere Ausbreitung von Radioaktivität zu verhindern: Innerhalb von wenigen Monaten wurde der heute noch existierende Sarkophag gebaut. Allerdings wird dieser zunehmend marode, seine Lebensdauer ist auf 20 bis 30 Jahre begrenzt. Bei einem Einsturz würde erneut Radioaktivität freigesetzt. Um die Atomruine dauerhaft zu sichern, unterstützt die internationale Gemeinschaft die Ukraine daher seit 1997 bei der Erstellung der neuen Schutzhülle mit dem Ziel einer sicheren Umschließung des Reaktors und eines späteren Rückbaus.
Allerdings ist die Fertigstellung des Projekts derzeit gefährdet: Zur Fertigstellung fehlen insgesamt rund 615 Millionen Euro. Um ein Scheitern des Projekts zu verhindern, findet am Mittwoch, den 29. April 2015, in London eine Geberkonferenz (Pledging Event) zur Weiterfinanzierung des Projekts statt. Die Konferenz wird von Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft geleitet.
Deutschland dringt im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft auf eine zügige Fertigstellung des neuen sicheren Einschlusses (New Safe Confinement) für den havarierten Block 4 und setzt sich für eine sichere Finanzierung der Baukosten im Rahmen des Chernobyl Shelter Fund (CSF) ein. Der deutsche Beitrag in diesen Topf der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) beläuft sich bisher auf rund 90 Millionen Euro. Nach den vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkten für den Bundeshaushalt ist Deutschland bereit, in den nächsten vier Jahren bis zu weiteren rund 18 Millionen Euro in den Fonds zu geben. Darüber hinaus beteiligt sich Deutschland in erheblichem Umfang an dem Beitrag, den die Europäische Union in den Fonds einzahlt.
Die weitreichenden und langwierigen gesundheitlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Folgen des nuklearen GAUs stellten die damalige Sowjetunion – später Russland, Weißrussland, aber insbesondere die Ukraine – vor große Probleme. Noch heute sind weite Landstriche kontaminiert. Die Umgebung des Reaktors im Umkreis von 30 Kilometern ist nach wie vor Sperrgebiet.
- Dennoch konnten in den vergangenen Jahren in Tschernobyl auch beachtliche Verbesserungen erzielt werden:
- Der internationale Austausch und die praktische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen wurden gestärkt.
- Die Sicherheit für Arbeiter und Umwelt am Standort hat sich signifikant verbessert.
- Für den havarierten Reaktorblock 4 wurde der Bau einer neuen Schutzhülle zu etwa 2/3 fertiggestellt. Endgültige Fertigstellung ist für 2017 geplant.
- Die Instabilität des alten Sarkophags konnte mittelfristig behoben werden.
- Die übrigen Reaktorblöcke 1-3 wurden endgültig abgeschaltet und werden derzeit stillgelegt.
- Ein sicheres Langzeitzwischenlager für abgebrannte Brennelemente befindet sich im Bau.
Die neue Schutzhülle über Block 4, der sogenannte sichere Einschluss (New Safe Confinement, NSC) mit ihren imposanten Ausmaßen von 257 Metern Spannweite, 162 Metern Länge und 108 Metern Höhe soll die Atomruine sichern. Zurzeit werden die zwei nacheinander errichteten Bauhälften des NSC miteinander verbunden. Die weitere Fertigstellung der Verkleidung und Installation der Innenausrüstung erfolgt in sicherer Entfernung vom Sarkophag, bevor die Hülle in ihre endgültige Position über Block 4 Position geschoben wird.