Bundesumweltminister Jürgen Trittin will die Länder für eine Initiative zur Änderung des Grundgesetzes gewinnen, um dadurch das Projekt "Umweltgesetzbuch" auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage zu stellen. Eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen Stellungnahmen des Bundesjustiz- wie des Bundesinnenministeriums habe ergeben, dass die mit der Vereinheitlichung des Zulassungs- und Überwachungsrechts durch ein Umweltgesetzbuch verfolgten umweltpolitischen Ziele nur zu verwirklichen seien, wenn dem Bund im Bereich Gewässerschutz dieselben Kompetenzen eingeräumt würden, wie sie das Grundgesetz z. B. für die Bereiche Immissionsschutz und Abfallrecht vorsieht. Ein Umweltgesetzbuch auf der Basis des geltenden Artikels 75 Grundgesetz sei aus Sicht der Umweltpolitik unzureichend, ja ein Rückschritt hinter das geltende Recht. Trittin erklärte, dass eine Verfassungsänderung sicher nicht im Schnelldurchgang zu machen sei. Eine zeitliche Verzögerung sei aber in Kauf zu nehmen, wenn als Ergebnis am Ende ein Umweltgesetzbuch stehe, dass diesen Namen auch verdient. "Ich halte nachdrücklich an dem Projekt Umweltgesetzbuch fest. Die Zersplitterung des Umweltrechts darf kein Dauerzustand werden", so Trittin.
In der Koalitionsvereinbarung ist vorgesehen, das zersplitterte deutsche Umweltrecht in einem Umweltgesetzbuch (UGB) zusammenzuführen, um es effizienter und bürgernäher zu gestalten. Nach intensiver Vorarbeit hatte das Bundesumweltministerium im April dieses Jahres einen Entwurf für ein Erstes Buch zum UGB (UGB I) vorgelegt. Das UGB I soll das Zulassungs- und Überwachungsrecht für umweltrelevante Vorhaben (Industrieanlagen, Abfallentsorgungsanlagen und Deponien, Kläranlagen, Leitungsanlagen usw.) vereinheitlichen, vereinfachen und ökologisch modernisieren. Gleichzeitig sollen dadurch europäische Richtlinien zur Umweltverträglichkeitsprüfung und zur integrierten Vorhabengenehmigung in deutsches Recht umgesetzt werden. Deren fristgemäße Umsetzung war von der vorherigen Bundesregierung versäumt worden.
Die im UGB I vorgesehenen Regelungen erstrecken sich auch auf den Gewässerschutz. Für diesen Bereich besitzt der Bund nach Art. 75 Grundgesetz lediglich die Kompetenz zur Rahmengesetzgebung, die nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Vorschriften erlaubt. Nach Ansicht der Verfassungsressorts Justiz und Inneres müsste das UGB I den Ländern im Gewässerschutz weitreichende Gesetzgebungsspielräume eröffnen, um den Anforderungen des Artikels 75 Grundgesetz Rechnung zu tragen. Damit wäre die Einheitlichkeit der vorgesehenen Regelungen auf Bundesebene nicht mehr gegeben, ein wesentliches Ziel des Umweltgesetzbuchs würde verfehlt. "Aus diesem Dilemma können wir nur herauskommen, wenn dem Bund im Bereich Wasser die gleichen Kompetenzen wie beim Immissionsschutz und im Abfallrecht zugestanden werden. Erst eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Gewässerschutz wird uns die umwelt- und wirtschaftspolitisch erwünschte Vereinheitlichung und Vereinfachung des Umweltrechts ermöglichen", so Trittin.
Die mit dem UGB I zugleich beabsichtigte Umsetzung europäischer Richtlinien soll nun durch ein sogenanntes Artikelgesetz erfolgen, mit dem zahlreiche umweltrechtliche Einzelgesetze geändert werden. Betroffen sind in erster Linie das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Wasserhaushaltsgesetz, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sowie das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Außerdem ist eine Änderung von 16 Landeswassergesetzen erforderlich.
Trittin: "Eine solche einzelgesetzliche Umsetzung der Richtlinien entspricht nicht meinen umweltpolitischen Zielvorstellungen. Sie ist aber unvermeidlich, wenn die Richtlinien noch einigermaßen zeitnah umgesetzt werden sollen. Ich habe daher die unverzügliche Erarbeitung eines Artikelgesetzes veranlasst."