Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat sich erneut gegen eine finanzielle Mitwirkung des Bundes an der Fertigstellung zweier Atomkraftwerke in der Ukraine ausgesprochen. Es gebe begründete Zweifel, daß die Ukraine tatsächlich auf die beiden Reaktoren, die den Unglücksreaktor Tschernobyl ersetzen sollen, zur Deckung ihres Energiebedarfs angewiesen sei. Vielmehr sei zu befürchten, daß das Land die Kraftwerke nutzen werde, um Strom nach Westeuropa exportieren zu können.
"Es macht keinen Sinn, einem Land erst teure Atomkraftwerke zu subventionieren, damit es dann mit billigen Stromexporten die Kredite tilgen kann", so Trittin. "Die finanziellen Anstrengungen des Westens müssen sich darauf konzentrieren, der Ukraine bei der Sicherung des Tschernobyl-Sarkophags und bei der Linderung der sozialen und ökologischen Folgen der Atomkatastrophe von 1986 zu helfen. Es zeugt von einer falschen Prioritätensetzung, wenn die Gebergemeinschaft bereit ist, Millionenbeträge in die Finanzierung neuer, unsicherer und zudem überflüssiger Atomreaktoren zu stecken, während sie bis heute nicht einmal die erforderlichen Mittel für die Erneuerung der Betonhülle um die Atomruine in Tschernobyl aufgebracht hat."
Trittin wies darauf hin, daß es in der ersten Sitzung der Deutsch-Französischen Atom-Arbeits-gruppe am 30.03.1999 zu keiner Einigung über die Kredit-Finanzierung der beiden Reaktoren gekommen sei. "Wir können einer solchen Option nicht zustimmen, weil es nicht-nukleare Alternativen gibt, die nicht nur sicherer und zuverlässiger, sondern auch kostengünstiger sind – etwa der Bau von Gaskraftwerken. Insofern sehe ich die Voraussetzungen für eine Zustimmung Deutschlands zur Kreditvergabe durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) nicht als gegeben an." Die Federführung für die deutsche Stimmabgabe im Vorstand der EBRD liegt beim Bundesfinanzministerium.
Mit Hinweis auf jüngste Äußerungen des ukrainischen Atomministers Wasil Schewchuk nannte es der Bundesumweltminister beunruhigend, daß die Ukraine die zugesicherte Stillegung von Tschernobyl zum Jahr 2000 in Frage stelle. "Die Schließung von Tschernobyl spätestens im nächsten Jahr hat für die Bundesregierung Priorität. Sie wird dieses Ziel in weiteren Sondierungsgesprächen mit der Regierung der Ukraine nachdrücklich verfolgen", so Trittin.