Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit legt Dritten Zwischenbericht vor

27.07.1998
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 49/98
Thema: Nukleare Sicherheit
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Merkel: Ursachenklärung kommt voran

Merkel: Ursachenklärung kommt voran

"Wesentliche Ziele des von mir vorgelegten 10-Punkte-Plans sind, die Ursachen der Grenzwertüberschreitungen bei Transporten mit bestrahlten Brennelementen in ausländische Wiederaufarbeitungsanlagen aufzuklären und Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Bei der Ursachenklärung ist die von uns beauftragte Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) inzwischen ein gutes Stück vorangekommen. Sie hat weitgehend alle verfügbaren Daten ausgewertet und die Beladevorgänge in den Kraftwerken untersucht. Erste Schlüsse, die daraus zu ziehen sind, sollen durch Messungen des Lagerbeckenwassers in einem Kernkraftwerk und Tauchtests mit Leerbehältern untermauert werden. Noch nicht abgeschlossen sind die im 10-Punkte-Plan ebenfalls geforderten Überprüfungen der Länder hinsichtlich der inneren Organisationsstruktur der Kernkraftwerke. Wir werden nach der Sommerpause hierzu Gespräche mit den Ländern führen. Mit den Ländern soll dann auch über einen Vorschlag zur Neustrukturierung der Transportunternehmen diskutiert werden. Deutliche Fortschritte haben wir auf internationaler Ebene erreicht. Der beim deutsch-französischen Umweltrat Ende Mai beschlossenen bilateralen Arbeitsgruppe sind nach den Schweizern nun auch die Briten beigetreten. Diese internationale Arbeitsgruppe hat inzwischen die Einrichtung einer Datenbank über die Transporte der letzten zehn Jahre beschlossen. Diese Datenbank sollte für die Zukunft fortgeführt werden, damit vollständige Transparenz hergestellt ist. Als nächstes muß eine Harmonisierung der Meßverfahren vereinbart werden. Die Untersuchungen der GRS haben ergeben, daß die bisherige internationale Abstimmung nicht ausreicht," erklärt Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel anläßlich der heutigen Vorstellung des dritten Zwischenberichts der GRS zu den Ursachen von Kontaminationsbefunden bei Brennelementtrans-portbehältern.

In der Datenbank der GRS sind gegenwärtig 1.370 von insgesamt 1.445 aus deutschen Kernkraftwerken zur Wiederaufarbeitung durchgeführten Transporten erfaßt. Lediglich die Meßdaten aus den 70er und frühen 80er Jahren konnten bisher nicht beschafft werden. Ausgewertet wurden die von den Ländern zur Verfügung gestellten Meßdaten. Die GRS hat darüber hinaus, wie im 10-Punkte-Plan angekündigt, auch die beim Eisenbahnbundesamt gesammelten Meßdaten überprüft und festgestellt, daß diese keine Hinweise auf Grenzwertüberschreitungen enthalten.

Die Auswertung der Transportdaten von und nach Großbritannien seit 1989 zeigt, daß bei 179 Transporten mit Leerbehältern 12 Behälter Grenzwertüberschreitungen aufwiesen. Das sind sieben Prozent. Oberflächenkontaminationen am Waggon wurden bei Leertransporten nicht gefunden. Von 179 Volltransporten wurden bei zwei Behältern und einem Waggon, also bei 1,5 Prozent der Fälle, Überschreitungen gemessen. Der britische Umweltminister hat zwischenzeitlich einen Bericht vorgelegt, der den Länderbehörden zur Verfügung gestellt wurde. Insgesamt ergibt sich bei den Transporten nach Großbritannien sowohl bei den Behältern wie bei den Eisenbahnwaggons eine geringere Kontaminationsrate gegenüber den Transporten nach Frankreich. Dies mag damit zusammenhängen, daß dort andere Behälter im Einsatz sind. Außerdem wird das Meßverfahren zum Nachweis der Einhaltung der Grenzwerte anders gehandhabt. Aus diesen Gründen hat die britische Regierung bisher keinen Transport-Stopp verfügt.

Eine Auswertung der Transporte der letzten zehn Jahre zur Cogéma ergibt, daß in ca. acht Prozent der Fälle Kontaminationen an den Behältern und in 16 Prozent der Fälle Kontaminationen an den Waggons aufgetreten sind (nur Volltransporte).

Die hohen punktförmigen Kontaminationen auf den Eisenbahnwaggons, sogenannte "Hot Spots", sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Partikel, die sich von den Brennelementen abgelöst und als Schwebteilchen im Wasser des Brennelementbeckens verteilt haben. Durch den Beladevorgang wurden sie aufgewirbelt und haben sich an schwer zugänglichen Stellen der Transportbehälter eingenistet. Zur weiteren Eingrenzung der Ursachen, insbesondere zur Größe und Nuklidzusammensetzung der Partikel, werden gegenwärtig im Kernkraftwerk Philippsburg Messungen im Beckenwasser durchgeführt. Als weiterer Schritt sind Tauchtests mit Leerbehältern vorgesehen.

Parallel zu unseren Untersuchungen sind in Frankreich Brennelementtransporte wieder aufgenommen worden. Die ersten beiden Transporte in Frankreich nach Aufhebung des dortigen Transportstopps haben nach einer Mitteilung der französischen Sicherheitsbehörde DSIN keine Grenzwertüberschreitungen ergeben. Ein dritter Transport, der diesmal auf der Straße durchgeführt werden soll, steht bevor.

Die Auswertung der Meßprotokolle durch die GRS hat bislang keinen völlig eindeutigen Zusammenhang zwischen Behältertypen, eingesetzten Maßnahmen zur Vermeidung der Kontaminationen und den tatsächlich festgestellten Kontaminationen erkennen lassen. Die Auswertungen der GRS legen jedoch nahe, daß bereits sorgfältig durchgeführte Beladungs- und Reinigungsmaßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte an den Behältern führen können. So hat es beim Kernkraftwerk Isar I in den vergangenen zehn Jahren nur eine Beanstandung gegeben. Auf jeden Fall muß sichergestellt werden, daß der Behälter nicht vorher bei einem Beladevorgang in einem anderen Kernkraftwerk kontaminiert wurde und in Ritzen versteckte Kontamination mit sich schleppt. So hat die GRS den "Lebenslauf" eines auffällig gewordenen Behälters zurückverfolgt, der in den verschiedensten Kernkraftwerken im In- und Ausland eingesetzt worden war (Anhang D, Tabelle D.4 des GRS-Berichts).

Um zukünftig Überschreitungen des zulässigen Grenzwertes für Kontaminationen zu vermeiden, sollten die Behälter durch eine zusätzliche Schutzhülle, die im Gegensatz zur bisherigen Praxis den ganzen Behälter abdeckt, so vor dem Beckenwasser geschützt werden, daß sich aufgewirbelte Partikel gar nicht erst einnisten können. Darüber hinaus könnte es vorteilhaft sein, daß die deutschen Kernkraftwerke nur noch solche Behälter einsetzen, die nicht bereits in anderen europäischen Kernkraftwerken verwendet wurden. Langfristig könnte die Entwicklung neuer, dekontaminationsfreundlicher Behälter den Beladevorgang vereinfachen.

Der dritte Zwischenbericht der GRS wird den Länderbehörden übermittelt. Die GRS wird im August 1998 zu einer Fachveranstaltung einladen, damit die verschiedenen Sachverständigen ihre Arbeitsergebnisse diskutieren können. Danach wird entschieden, ob noch weiterer Untersuchungsbedarf besteht.

Die Energieversorgungsunternehmen haben auf Bitte von Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel das Wirtschaftsprüfungsunternehmen C ∓mp; L Deutsche Revision (vormals Treuarbeit) mit der Erstellung eines Vorschlags für die Struktur der Transportunternehmen beauftragt. Das Bundesumweltministerium wird diese Ergebnisse im Bund-Länder-Fachausschuß für Brennstoffkreis-lauf (LAFAB) zur Diskussion stellen.

Nach der Sommerpause werden Gespräche mit den Ländern über die Untersuchungen zur inneren Organisationsstruktur der Kernkraftwerke stattfinden. Erste Aussagen der Länder liegen vor, geben aber noch keine Beurteilungsgrundlage.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Ich bin sicher, daß sich unsere sorgfältige Herangehensweise an das Problem auszahlen wird. Der heutige Zwischenbericht zeigt, daß wir in praktisch allen Bereichen vorankommen. Die konsequente Abarbeitung des 10-Punkte-Plans ist nach wie vor Voraussetzung für die Aufhebung des bestehenden Transport-Stopps."

27.07.1998 | Pressemitteilung 49/98 | Nukleare Sicherheit
https://www.bmuv.de/PM423
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