Sitzung der OSPAR-Kommission 1998 vom 20. - 24. Juli 1998 in Sintra (Portugal)

19.07.1998
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 106/98 S
Thema: Europa
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:

Vom 20. bis 24. Juli 1998 findet in Sintra (Nähe Lissabon) die konstituierende Sitzung der OSPAR-Kommission statt. Im Rahmen des Ministersegments (22. und 23. Juli 1998) stehen eine Reihe von Entscheidungen an, z. B. in den Bereichen Ableitung radioaktiver Stoffe, Entsorgung von stillgelegten Offshore-Anlagen, Verminderung von Ableitungen gefährlicher Stoffe. Die deutsche Delegation wird vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Ulrich Klinkert, geleitet.

- Ableitung radioaktiver Stoffe ins Meer

Die Minister wollen eine langfristige Strategie zur Reduzierung der Belastung der Meeresumwelt mit radioaktiven Stoffen verabschieden. Streitig ist zwischen den Vertragsparteien, in welchem Umfang die Ableitungen radioaktiver Stoffe ins Meer reduziert werden sollen. Dänemark, Irland, Island und Norwegen schlagen vor, die künstlichen radioaktiven Einleitungen bis 2020 auf null zu reduzieren. Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Klinkert: "Aus deutscher Sicht ist dieser Vorschlag nicht zielführend. Die undifferenzierte Forderung nach "Null"-Emissionen ist weder gerechtfertigt noch umsetzbar. Sie würde faktisch dazu führen, daß alle Anlagen, in denen radioaktive Stoffe erzeugt oder angewendet werden, geschlossen werden müßten, darunter auch Isotopenlaboratorien, Forschungsreaktoren und nuklearmedizinische Kliniken. Das Ziel der Konferenz muß deshalb darauf ausgerichtet sein, die Strahlenexposition für den Menschen und die Meeresumwelt auf ein unschädliches Maß zu reduzieren. Deutschland setzt sich dafür ein, daß die Konzentrationen radioaktiver Stoffe in der Meeresumwelt soweit reduziert werden, daß sich die Strahlenexposition von Menschen und Meereslebewesen bis 2020 im Rahmen der Schwankungsbreite der natürlichen Hintergrundstrahlung bewegt. Da die Strahlung einzelner Radionuklide unterschiedliche Wirkungen hat, ist es erforderlich unter Anwendung der besten verfügbaren Techniken, primär die Ableitung der radiologisch relevanten Nuklide weiter zu reduzieren, die einen nennenswerten Beitrag zur Strahlenexposition leisten, wie z. B. Alphastrahler und Caesium 137."

Die Ableitungen radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen sind in den letzten 20 Jahren im OSPAR-Konventionsgebiet um den Faktor 10 bis 100 zurückgegangen. Die Hintergrundwerte (bedingt durch den Fallout von Kernwaffenversuchen, insbesondere in den 60er Jahren) und tatsächlichen Konzentrationen radioaktiver Stoffe betragen z. B. in der Deutschen Bucht für den Gammastrahler Caesium 137 2,5 Bq/m³ (Hintergrundwert) bzw. 5 - 10 Bq/m³ (tatsächlicher Wert), für den Betastrahler Strontium 90 1,6 Bq/m³ (Hintergrundwert) und 3,5 - 6 Bq/m³ (tatsächlicher Wert), für den Alphastrahler Plutonium 239/240 0,003 - 0,01 Bq/m³ (Hinter-grundwert) und 0,005 - 0,04 Bq/m³ (tatsächlicher Wert). Im Vergleich hierzu liegen die Aktivitätskonzentrationen des natürlichen Gammastrahlers Kalium 40 bei ca. 12.000 Bq/m³ und des natürlichen Alphastrahlers Pollonium 210 bei ca. 1 Bq/m³.

- Entsorgung stillgelegter Offshore-Anlagen

Die Minister werden voraussichtlich ein Verbot über das Versenken stillgelegter Offshore-Anlagen im Meer verabschieden. Streitig ist zwischen den Vertragsparteien noch, in welchem Umfang Ausnahmen von diesem Verbot zugelassen werden sollen. Aus deutscher Sicht müssen Ausnahmeregelungen auf ein Minimum beschränkt bleiben. Insbesondere für Stahlanlagen sollen möglichst keine Ausnahmen vom Dumpingverbot zugelassen werden. Bei einigen Betonanlagen wird man indessen Ausnahmen vorsehen müssen. Hier ist in den meisten Fällen die Entsorgung der Betonstrukturen an Land mit so hohem technischen Aufwand verbunden, daß sie derzeitig nicht realisierbar erscheint.

Soweit eine Vertragspartei von einer Ausnahme Gebrauch machen will, muß sie die anderen Vertragsparteien hiervon in einem Konsultationsverfahren in Kenntnis setzen. In diesem Rahmen werden unter anderem Stellungnahmen abgegeben und die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt berücksichtigt.

Im Nordostatlantik befinden sich derzeit etwa 720 Offshore-Anlagen, die mit dem Erreichen ihrer Betriebslebensdauer (z. B. wenn das Erdölfeld ausgebeutet ist) im Laufe der nächsten 30-40 Jahre zur Entsorgung anstehen. Es besteht Einvernehmen, daß die Aufbauten aller Anlagen an Land entsorgt werden. Bei den meisten Betonanlagen (29) dürfte nur eine Entsorgung im Meer in Betracht kommen. Bei den kleineren Anlagen aus Stahl (568) besteht Einvernehmen, daß diese Anlagen an Land entsorgt werden. Bei den großen Anlagen aus Stahl (123 Anlagen in Wassertiefen größer 75 m bzw. einem Gewicht größer 4000 t) konnte dieses Einvernehmen bislang nicht erzielt werden. Während die meisten OSPAR-Vertragsstaaten der Auffassung sind, daß auch diese Anlagen durchweg an Land entsorgt werden können, würden Großbritannien und Norwegen es vorziehen, diese Anlagen von einem generellen Verbot der Entsorgung auf See auszunehmen und einer jeweiligen Einzelfallentscheidung zu unterwerfen.

- Gefährliche Stoffe und Nährstoffe

Für den Bereich gefährlicher Stoffe wollen die Minister ein Strategiepapier verabschieden, das die langfristigen politischen Ziele und die Vorgehensweise für die weitere Reduzierung der Belastung der Meeresumwelt mit gefährlichen Stoffen festlegt. Ziel ist die kontinuierliche Verminderung von Ableitungen, Emissionen und Verlusten gefährlicher Stoffe, um bis zum Jahr 2020 die Konzentrationen natürlicher gefährlicher Stoffe (z. B. Kupfer, Blei, Zink) den Hintergrundwerten anzunähern und die Konzentrationen synthetischer gefährlicher Stoffe (vom Menschen hergestellte Stoffe, wie z. B. Chlorparaffine) auf Null zurückzuführen. Mit diesem Vorgehen werden die politischen Ziele der 4. Internationalen Nordseeschutz-Konferenz (Esbjerg 1995) in den Rahmen des OSPAR-Übereinkommens übernommen, konkretisiert und auf ein erheblich größeres geographisches Gebiet angewandt.

Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Klinkert: "Wichtige Beschlüsse der Nordseeschutzkonferenzen zu gefährlichen Stoffen werden durch die OSPAR-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks jetzt im Rahmen einer langfristigen Strategie durch geeignete Maßnahmen umgesetzt. Vorrangig zu nennen ist die politische Zielvorgabe, durch kontinuierliche Reduzierung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten, die Konzentrationen gefährlicher Stoffe in die Nähe der natürlichen Konzentrationen bzw. gegen Null zurückzuführen. Dies erfordert die dynamische Weiterentwicklung des "Standes der Technik" bei den Punktquellen sowie der "besten Umweltpraxis" bei den diffusen Quellen. Der Zeitrahmen bis 2020 soll der Industrie Planungssicherheit und die notwendige Zeit für technische Anpassungen geben."

Auch im Bereich der Nährstoffe will die Kommission eine Strategie zur Reduzierung der Einleitungen verabschieden. Bis zum Jahre 2010 soll es keine Eutrophierungsgebiete mehr geben. Der Eintrag von Nährstoffen (Stickstoff- und Phosphorverbindungen) aus Haushalten, Industrie und Landwirtschaft hat zur Überdüngung des Meeres und entsprechenden negativen Folgen (u. a. Algenmassenentwicklung, Sauerstoffzehrung, "Schwarze Flecken") geführt. Eine Halbierung der Phosphateinträge konnte bezogen auf den Zeitraum 1985 - 1995 bereits erzielt werden. Weiterer Anstrengungen bedarf es jedoch, um auch die Einträge von Stickstoffverbindungen entsprechend zu reduzieren. Die direkten Einleitungen von Nährstoffen in den Nordostatlantik betrugen etwa 1,6 Millionen Tonnen Stickstoff und 0,1 Millionen Tonnen Phosphor.

- Mariner Naturschutz

Das OSPAR-Übereinkommen soll jetzt um eine Anlage für die Erarbeitung von Naturschutzmaßnahmen erweitert werden, die von Deutschland maßgeblich mitgestaltet worden ist. Ziel ist, zukünftig rechtlich verbindliche Maßnahmen und Programme zum Schutz der biologischen Vielfalt und der marinen Ökosysteme verabschieden zu können. Zum Schutz der relevanten Arten und Lebensräume sind unter anderem die Erarbeitung von Grundlagen für ein OSPAR-weites System von marinen Schutzgebieten geplant. Die Entwicklung konkreter Maßnahmen für den Arten- und Lebensraumschutz sowie die verstärkte Einbeziehung des Naturschutzes in die Nordsee-Zusammenarbeit wurde von der 4. INK an OSPAR delegiert.

- Programme und Maßnahmen

Die Minister werden darüber befinden, welche Entscheidungen, Empfehlungen und anderen Vereinbarungen, die unter den inzwischen außer Kraft getretenen Übereinkommen von Oslo und Paris gefaßt worden sind, unter dem OSPAR-Übereinkommen weiter gelten sollen. Darüber hinaus stehen eine Reihe neuer Entscheidungen der Kommission zur Verabschiedung an:

· Zwei Entscheidungen zur Begrenzung von Emissionen und Ableitungen gefährlicher Stoffe aus der Herstellung von Vinylchlorid Monomeren und Suspensions-PVC.

· Eine Empfehlung mit der Beschreibung des Standes der Technik und der besten Umweltpraxis zur Reduzierung von Belastungen aus dem Bereich der Nichteisenmetall-Industrie (z. B. Zink, Kupfer, Blei, Nickel).

· Eine Empfehlung von Grenzwerten (u.a. für polzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) im Bereich der Aluminiumindustrie.

· Eine Novelle der Leitlinien für Baggergut aus Schiffahrtswegen und Häfen. In den Leitlinien werden u.a. Hinweise für den Umgang mit kontaminiertem Baggergut gegeben.

· Eine Leitlinie für den Fall der Einbringung von Abfällen aus der Fischverarbeitungsindustrie. Sie legt fest, unter welchen Bedingungen die Einbringung von diesen Abfällen ins Meer noch zulässig sein kann. Nach deutscher Gesetzgebung ist die Einbringung verboten.

Auf der Grundlage der gefaßten Beschlüsse werden die Minister den "Aktionsplan" der Kommission verabschieden, der das mittelfristige Vorgehen der Kommission (5 Jahre) festlegt und Grundlage für die jährliche Fortschreibung der Arbeitsprogramme der Facharbeitsgruppen ist.

Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Klinkert: "Nachhaltige Erfolge im Meeresumweltschutz bedürfen konzertierter internationaler Aktionen. Neben den nationalen Anstrengungen sind vor allem internationale Beschlüsse sowie deren konsequente Umsetzung notwendig. Die Entscheidungen von Sintra versprechen gerade bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks gute Fortschritte."

Hintergrund

Die konstituierende Sitzung der OSPAR-Kommission findet in Portugal statt, das im Internationalen Jahr des Ozeans die Weltausstellung Expo 98 unter dem Motto "die Ozeane - ein Erbe für die Zukunft" ausrichtet. Die OSPAR-Kommission ist das beschlußgebende Gremium im Rahmen des am 25. März 1998 in Kraft getretenen Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkommen). Abgelöst wurden mit dieser Konvention das Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Schiffen und Luftfahrzeugen (Oslo 1972) und das Übereinkommen zur Verhütung des Meeresverschmutzung vom Lande aus (Paris 1974). Dem OSPAR-Übereinkommen gehören 16 Vertragsparteien an. Das Konventiongebiet ist in der Anlage näher beschrieben.

19.07.1998 | Pressemitteilung 106/98 S | Europa
https://www.bmuv.de/PM418
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