Halbzeit bei der UN-Naturschutzkonferenz in Bonn
Zur Halbzeit der UN-Naturschutzkonferenz in Bonn hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel eine zurückhaltend optimistische Bilanz der ersten Verhandlungswoche gezogen: "Wir sind noch längst nicht am Ziel, aber es ist uns offenbar gelungen, eine motivierende und konstruktive Konferenzatmosphäre zu erzeugen, die uns hilft, die schwierigen Verhandlungen voran zu bringen. Bei einem Zwang zur Einstimmigkeit zwischen 191 Vertragsstaaten liegt es in der Natur der Sache, dass Ergebnisse nur nach hartem und langem Ringen zu erreichen sind." Positiv bewertete Gabriel, der als Konferenzpräsident zwischen den verschiedenen Interessen vermittelt, dass die Gespräche über ein internationales Regime über den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich (Access and Benefit Sharing - ABS) erstmals in eine konkrete Phase getreten sind. Vor Beginn der Konferenz bestand über viele Monate nicht einmal Einigkeit darin, auf der Basis welcher Dokumente überhaupt verhandelt werden sollte.
In Abstimmung mit den Repräsentanten der unterschiedlichen Interessengruppen gelang es direkt zu Beginn der ABS-Verhandlungen am vergangenen Mittwoch, die formalen Hürden zu beseitigen und einvernehmlich auf der Basis konkreter Texte zu verhandeln. In den nächsten Tagen geht es darum, ein "Bonner Mandat" zu formulieren, das den Verhandlungsverlauf für die nächsten zwei Jahre definiert. Auf der letzten Vertragsstaatenkonferenz in Curitiba hatte man vereinbart, bis 2010 einen verabschiedungsreifen Text für das ABS-Regime zu entwickeln. "Entscheidend ist für mich ein klarer Fahrplan für die ABS-Verhandlungen". Gabriel unterstrich noch einmal, dass besonders Entwicklungsländer, aber auch Industrieländer Rechtssicherheit darüber brauchen, nach welchen Regeln eine Gewinnbeteiligung dieser Länder an der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen erfolgt.
Viel Zustimmung auf der Konferenz erhält die von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gestartete LifeWeb-Initiative. Mit dieser Initiative will Deutschland die verhärteten Fronten zur Schaffung weiterer Schutzgebiete aufbrechen. Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg hatte festgelegt, dass zur Sicherung der biologischen Vielfalt der Erde das weltweite Schutzgebietsnetz ausgeweitet werden soll – allerdings unter der Bedingung, dass die Industriestaaten zusätzliche Finanzmittel bereitstellen. Dies hatte seither immer wieder zu wechselseitigen Vorwürfen geführt. Mit der LifeWeb-Initiative sollen konkrete Planungen für neue Schutzgebiete in Entwicklungsländern mit konkreten Finanzzusagen der Industrieländer verknüpft werden. Damit sollen vor allem dringend benötigte Waldschutzgebiete finanziert werden, um die rapide voranschreitende Urwaldvernichtung zu bremsen. Gabriel kündigte an, dass er das bisherige finanzielle Engagement Deutschland um mindestens 40 Mio Euro jährlich erhöhen werde.
Harte Auseinandersetzungen gibt es in Bonn um ökologische Anforderungen an die Bioenergie-Produktion. Nachdem einige Länder vor der Konferenz keinerlei Diskussion zu diesem Thema zulassen wollten, gelang es bereits in den ersten Tagen, Verhandlungen über ökologische Leitlinien für Bioenergie in Gang zu bringen. "Das kann man bereits jetzt als einen Durchbruch bezeichnen. Es wäre ja am Ende nur die zweitbeste Lösung, wenn Deutschland oder die EU eigene Nachhaltigkeitsstandards für Bioenergie einführen würden. Wünschenswert wäre es, möglichst rasch multilaterale Vereinbarungen zu treffen."
Da auch die Verhandlungen zu vielen anderen Themen wie dem Meeresnaturschutz, dem Schutz der Wälder oder der Erschließung zusätzlicher Finanzmittel für den globalen Schutz der biologischen Vielfalt sehr zeitintensiv sind, hat Gabriel die Leiterinnen und Leiter der verschiedenen Verhandlungsgruppen gebeten, auch zusätzliche Nacht- und Wochenendsitzungen abzuhalten.
Die offiziellen Verhandlungen gehen in der kommenden Woche weiter und werden am Freitagabend abgeschlossen. Von Mittwoch bis Freitag findet das "High-Level Segment" der Konferenz statt, zu dem zahlreiche Ministerinnen und Minister aus der ganzen Welt erwartet werden.