Kriterien für nachhaltige, sozial und ökologisch verantwortbare Bioenergieerzeugung
Nach seinem einwöchigen Besuch in Brasilien hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel sich für eine noch stärkere Unterstützung des Landes beim Schutz der Tropenwälder ausgesprochen. Zugleich müsse eine "nachhaltige, sozial und umweltpolitisch verantwortbare Bioenergieerzeugung" sichergestellt werden. "Bioenergieproduktion ist nicht per se gut oder schlecht. Sie muss sich messen lassen an konkreten ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsstandards", sagte Gabriel.
In Gesprächen mit seiner brasilianischen Kollegin Marina Silva, im Außenministerium und mit brasilianischen Nicht-Regierungsorganisationen hatte Gabriel in der vergangenen Woche einige der schwierigsten Verhandlungspunkte der UN-Naturschutzkonferenz erörtert, die in zwei Wochen in Bonn unter dem Vorsitz Gabriels eröffnet wird.
Brasilien fordert gemeinsam mit anderen Entwicklungsländern die Etablierung eines völkerrechtlich verbindlichen Regimes gegen Biopiraterie. Damit sollen die Entwicklungsländer wirksam davor geschützt werden, dass Konzerne genetische Informationen und traditionelles Wissen aus diesen Ländern verwenden, um daraus Produkte zu entwickeln, ohne dafür eine angemessene Gewinnbeteiligung sicherzustellen.
Gabriel hatte in seinen Gesprächen zugesagt, sich für ein solches Rechtsregime einzusetzen. Die brasilianische Seite signalisierte, ihrerseits Kompromissbereitschaft zu zeigen und auch auf die Länder zugehen zu wollen, die bislang einem solchen System ablehnend gegenüber stehen. "Ich bin der Meinung, dass ein fairer Ausgleich zwischen Entwicklungs- und Industrieländern sichergestellt werden muss, ohne dass wir damit bürokratisch umständliche Regelungen einführen, die der Entwicklung von biologisch basierten technischen Innovationen im Wege stehen", sagte Gabriel.
Fortschritte konnten auch bei der Frage erzielt werden, wie die weltweiten Bemühungen um den Schutz der Natur verstärkt werden können. "Brasilien tut sehr viel, um den Regenwald zu erhalten", sagte Gabriel. Allein mit dem Projekt ARPA (Amazon Region Protected Areas Program) habe die Regierung in Brasilia die Schaffung weiterer Urwaldschutzgebiete auf einer Fläche von 50 Millionen Hektar (das entspricht dem 1700-fachen des größten deutschen Nationalparks Bayerischer Wald) vorgesehen. Weitere Schutzgebiete seien in Planung.
Gabriel kündigte an, er werde der UN-Naturschutzkonferenz in Bonn eine "LifeWeb-Initiative" vorschlagen, mit der Deutschland seine Anstrengungen zur Schaffung von Schutzgebieten für sensible Ökosysteme verstärken könne. "Ich möchte die Bereitschaft der Entwicklungsländer, solche zusätzlichen Schutzgebiete auszuweisen, mit zusätzlichen Finanzmitteln der Industriestaaten unterstützen. Nachdem Brasilien bislang eine zurückhaltende Position in dieser Frage eingenommen hat, wurde uns bei meinen Gesprächen nunmehr signalisiert, diesen Weg unterstützen zu können."
Zum Thema Bioenergie-Erzeugung forderte Gabriel mehr Ehrlichkeit und Sachlichkeit in der Debatte: "Ich bin der Meinung, dass wir Biomasse, die aus Zerstörung von Wäldern oder anderen natürlichen Ökosystemen statt, nicht für unsere Bioenergie verwenden dürfen. Wer aber Palmölproduktion auf gebrandrodeten Urwaldflächen mit Zuckerrohrproduktion auf bislang schon agrarisch genutzten Flächen oder auf degradiertem Land gleichsetzt, argumentiert unredlich und wird den Weg zu gemeinsam entwickelten guten Lösungen eher verbauen."
"Wir müssen stets auf die genauen Standortbedingungen der Produktion, aber auch auf das größere Gefüge von Nutzungsverlagerungen schauen. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass hierzulande alles in einen Topf und als unverantwortbar gebrandmarkt wird, während mir auch die brasilianischen Umweltverbände bei einem intensiven Meinungsaustausch in Santarem gesagt haben, dass nach ihrer Einschätzung der Zuckerrohranbau in Brasilien derzeit noch keine Bedrohung für den Urwald sei. Ich verschweige durchaus nicht die Einschränkung "noch". Wir müssen also jetzt handeln, um das auch für die Zukunft sicherzustellen!"
Mit den brasilianischen Gesprächspartnern habe man vereinbart, im Rahmen der bilateralen Energiepartnerschaft eine Arbeitsgruppe zu bilden, die gemeinsam die Nachhaltigkeitsanforderungen an die Bioenergieproduktion festlegen soll. Darüber hinaus sollte im Rahmen der UN-Naturschutzkonferenz das Thema Bioenergie multilateral behandelt werden. "Ich erhoffe mir von der Vertragsstaatenkonferenz die Verabschiedung eines Fahrplans, wie wir auch hier zu Leitlinien kommen, um die Zerstörung von Ökosystemen als Folge eines erweiterten Biomasseanbaus unterbinden können", sagte Gabriel.