Strommengen dürfen nicht von Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel übertragen werden/Antrag widerspricht dem Atomgesetz
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat heute die vom Energiekonzern Vattenfall beantragte Übertragung von Strommengen des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf das Atomkraftwerk Brunsbüttel abgelehnt. Ein vom Bundesumweltministerium erarbeiteter Entscheidungsentwurf war Vattenfall Ende Juni zur Anhörung übersandt worden. Nach Prüfung einer Stellungnahme der Rechtsanwälte des Konzerns hat das Bundesumweltministerium jetzt einen Ablehnungsbescheid erlassen.
Vattenfall hatte im März 2007 beim Bundesumweltministerium die Zustimmung zu einer Übertragung von Strommengen auf Brunsbüttel beantragt. Die Übertragung sollte aus dem Kontingent erfolgen, das RWE im Atomgesetz für das stillgelegte Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich zugewiesen wurde.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel: "Nach dem Atomgesetz dürfen Strommengen von Mülheim-Kärlich nicht auf das Atomkraftwerk Brunsbüttel übertragen werden. Der Antrag von Vattenfall widerspricht darüber hinaus der Vereinbarung, die die Energieversorgungsunternehmen am 14. Juni 2000 mit der Bundesregierung abgeschlossen haben."
Im Mai 2007 hatte das Bundesumweltministerium bereits die von RWE beantragte Übertragung eines anderen Teils des Mülheim-Kärlich-Kontingents auf das Atomkraftwerk Biblis A abgelehnt. Die Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Brunsbüttel verfolgt Vattenfall auch mit einem weiteren Antrag. Danach soll eine Strommenge vom jüngeren Atomkraftwerk Krümmel übertragen werden. Die Prüfung dieses Antrags durch das Bundesumweltministerium, die eine vergleichende Sicherheitsanalyse beider Kraftwerke erfordert, ist noch nicht abgeschlossen.
Hintergrund
Das Atomgesetz enthält für das Kontingent, das RWE für Mülheim-Kärlich zugebilligt wurde, eine spezielle Festlegung der Übertragungsmöglichkeiten. In Anlage 3 des Gesetzes werden die Atomkraftwerke einzeln aufgeführt, auf welche diese Strommenge von insgesamt 107,25 TWh (Terawattstunden) aus Mülheim-Kärlich übertragen werden darf.
Es sind dies die Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf sowie Gundremmingen B und C; auf Biblis B dürfen maximal 21,45 TWh von Mülheim-Kärlich übertragen werden. Das Atomkraftwerk Brunsbüttel ist in der Fußnote zur Anlage 3 nicht genannt. In § 7 Absatz 1d Atomgesetz ist zudem festgelegt, dass die aus Mülheim-Kärlich stammende Elektrizitätsmenge "nur nach Übertragung auf die dort aufgeführten Kernkraftwerke in diesen produziert werden darf". Mit diesen gesetzlichen Vorschriften wurde die Regelung, die Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen im Atomkonsens vom 14. Juni 2000 zu Mülheim-Kärlich getroffen haben einschließlich der dort bereits vorgesehenen Beschränkungen der Übertragungsmöglichkeiten, umgesetzt.
Das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich wurde 1986 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Im September 1988 musste RWE den Betrieb einstellen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die 1975 erteilte Erste Teilgenehmigung aufgehoben hatte. Eine 1990 neu erteilte Erste Teilgenehmigung wurde 1995 wegen unzureichender Ermittlungen der Genehmigungsbehörde zur Erdbebenauslegung ebenfalls gerichtlich aufgehoben. Im Rahmen der Verhandlungen über den Atomausstieg verpflichtete RWE sich gegenüber der Bundesregierung, den Genehmigungsantrag für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich und eine Schadenersatzklage gegen die rheinland-pfälzische Genehmigungsbehörde zurückzuziehen.
Zum Ausgleich sollte RWE die Möglichkeit erhalten, 107,25 TWh auf bestimmte andere Atomkraftwerke zu übertragen. In der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000, dem Atomkonsens, wurde hierzu festgelegt: "Es besteht Einvernehmen, dass diese Strommenge auf das KKW Emsland oder andere neuere Anlagen sowie auf die Blöcke B und C des KKW Gundremmingen und max. 20 Prozent auf das KKW Biblis B übertragen werden."