BMU: Strommengenübertragung von Mülheim-Kärlich auf Biblis A ist abzulehnen

09.03.2007
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: Nr. 065/07
Thema:
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Sigmar Gabriel
Amtszeit: 22.11.2005 - 28.10.2009
16. Wahlperiode: 22.11.2005 - 28.10.2009
Gabriel: "Antrag widerspricht dem Atomgesetz"

Gabriel: "Antrag widerspricht dem Atomgesetz"

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel beabsichtigt, die von dem Atomkonzern RWE beantragte Übertragung von Strommengen des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf das Atomkraftwerk Biblis A abzulehnen. Der vom BMU erarbeitete Ablehnungsbescheid wurde dem Antragsteller zur Anhörung zugestellt. RWE hat jetzt vier Wochen Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Danach wird das BMU unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Antragstellers seinen endgültigen Bescheid erlassen.

RWE hatte im September 2006 beim Bundesumweltministerium die Zustimmung zu einer Übertragung von Reststrommengen auf Biblis A beantragt. Die Übertragung soll aus dem Kontingent erfolgen, das RWE für das stillgelegte Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich zugewiesen wurde. Für den Fall einer Ablehnung dieses Antrages hat RWE hilfsweise beantragt, Strommengen vom Atomkraftwerk Emsland auf Biblis A zu übertragen. Dieser Hilfsantrag wird im Bundesumweltministerium weiter geprüft.

Bundesumweltminister Gabriel: "Die Überprüfung des Hauptantrags hat ergeben: Der RWE-Antrag widerspricht sowohl dem Atomgesetz als auch der von den Energieversorgungsunternehmen am 14. Juni 2000 mit der Bundesregierung abgeschlossenen Vereinbarung."

RWE hatte sich in seinem Antrag auf eine Bestimmung des Atomgesetzes berufen Danach kann das Bundesumweltministerium im Einvernehmen mit Bundeskanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium der Übertragung von Produktionsrechten (Strommengen) von einem in Betrieb befindlichen neueren auf ein älteres Kernkraftwerk zustimmen, wenn das nicht "zu Lasten der Sicherheit geht" - so die Begründung des Atomgesetzes. Die Prüfung des Bundesumweltministeriums hat ergeben, dass diese Regelung auf die RWE für Mülheim-Kärlich zugebilligten Strommengen überhaupt nicht anwendbar ist. Der Hauptantrag ist deshalb aus Rechtsgründen abzulehnen.

Hintergrund

Das Atomgesetz enthält für das Kontingent, das Mülheim-Kärlich zugebilligt wurde, eine spezielle Festlegung der Übertragungsmöglichkeiten. In Anlage 3 des Gesetzes werden die Atomkraftwerke einzeln aufgeführt, auf welche diese Strommenge von insgesamt 107,25 TWh (Terawattstunden) aus Mülheim-Kärlich übertragen werden dürfen.

Es sind dies die Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf sowie Gundremmingen B und C. Auf Biblis B dürfen maximal 21,45 TWh von Mülheim-Kärlich übertragen werden. Das AKW Biblis A ist in dieser Anlage nicht genannt. In § 7 Absatz 1d des Atomgesetzes ist zudem festgelegt, dass die aus Mülheim-Kärlich stammende Elektrizitätsmenge "nur nach Übertragung auf die dort aufgeführten Kernkraftwerke in diesen produziert werden darf". Mit diesen gesetzlichen Vorschriften wurde die im Juni 2000 in der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen zu Mülheim-Kärlich getroffene Regelung einschließlich der dort bereits vorgesehenen Beschränkungen der Übertragungsmöglichkeiten umgesetzt.

Für die Übertragung der Strommengen von Mülheim-Kärlich auf die im Gesetz genannten Atomkraftwerke ist keine Zustimmung des Bundesumweltministeriums erforderlich. Damit entfällt auch eine vergleichende Sicherheitsanalyse beider Anlagen, die ansonsten bei einer beantragten Strommengenübertragung vorgenommen werden muss.

Das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich wurde 1986 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Im September 1988 musste RWE den Betrieb einstellen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die 1975 erteilte Erste Teilgenehmigung aufgehoben hatte. Eine 1990 neu erteilte Erste Teilgenehmigung wurde 1995 wegen unzureichender Ermittlungen der Genehmigungsbehörde zur Erdbebenauslegung ebenfalls gerichtlich aufgehoben. Im Rahmen der Verhandlungen über den Atomausstieg verpflichtete RWE sich gegenüber der Bundesregierung, den Genehmigungsantrag für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich und eine Schadenersatzklage gegen die rheinland-pfälzische Genehmigungsbehörde zurückzuziehen. Zum Ausgleich sollte RWE die Möglichkeit erhalten, 107,25 TWh (die Hälfte der Regellaufzeit von 32 Jahren) auf bestimmte andere Atomkraftwerke zu übertragen.

Die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen, der Atomkonsens, legt deshalb fest: "Es besteht Einvernehmen, dass diese Strommenge auf das KKW Emsland oder andere neuere Anlagen sowie auf die Blöcke B und C des KKW Gundremmingen und max. 20 Prozent auf das KKW Biblis B übertragen werden."

Parallel zur Anhörung der RWE zum Hauptantrag setzt das Bundesumweltministerium die fachliche Prüfung des von RWE vorsorglich gestellten Hilfsantrags auf Zustimmung zu einer Strommengenübertragung vom Atomkraftwerk Emsland auf Biblis A fort. Das Ministerium hat RWE mehrfach aufgefordert, aussagekräftige Dokumente für eine vergleichende Sicherheitsanalyse der Atomkraftwerke Biblis A und Emsland vorzulegen. Eine technische Stellungnahme zu dem detaillierten Anforderungskatalog des Bundesumweltministeriums will RWE erst im März vorlegen.

Weitere Informationen:

09.03.2007 | Pressemitteilung Nr. 065/07
https://www.bmuv.de/PM3324
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