Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zum OVG-Urteil zum Schacht Konrad

08.03.2006
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: Nr. 040/06
Thema:
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Sigmar Gabriel
Amtszeit: 22.11.2005 - 28.10.2009
16. Wahlperiode: 22.11.2005 - 28.10.2009

Zum heutigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zum Schacht Konrad erklärt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel:

"Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat heute die Klagen der Stadt Salzgitter, der Gemeinden Lengede und Vechelde sowie der Familie Traube gegen den Planfeststellungsbeschluss des Niedersächsischen Umweltministeriums zum Endlager Konrad abgewiesen. Eine Revision gegen die Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Die Kläger haben allerdings das Recht zu einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Revisionsentscheidung des OVG.

Die Planungen zur Einlagerung schwach wärmeentwickelnder nuklearer Abfälle haben bei vielen Menschen, die in der Region Salzgitter leben und arbeiten, seit Jahren große Besorgnis ausgelöst. Die SPD in Salzgitter, aber auch in der gesamten Region Braunschweig, hat diese Sorgen immer geteilt und sich deshalb in der Vergangenheit gegen eine Realisierung dieses Endlagerprojektes gewandt.

Als Vorsitzender des SPD-Bezirks Braunschweig, als SPD-Landespolitiker und als SPD-Bundestagsabgeordneter für die Region Salzgitter habe ich die Kritik an den Plänen für das Endlager Schacht Konrad immer geteilt. Als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bin ich seit dem 22. November 2005 letztlich nach mehr als zwanzig Jahren Vorlauf "Erbe" dieses Projektes und gleichzeitig Vorgesetzter der Behörde, die den Antrag für die Einrichtung des Endlagers gestellt hat und das Projekt in allen Fragen der sicheren Endlagerung von schwach wärmeentwickelnden nuklearen Abfällen für geeignet hält.

Fest steht:

Mit dem heutigen Tag und dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg ist die Einrichtung eines Endlagers für schwach wärmeentwickelnde Nuklearabfälle im ehemaligen Erzbergwerk Schacht Konrad sehr wahrscheinlich geworden. Das Gericht hat alle Sicherheitsbedenken der Kläger als unbegründet zurück gewiesen.

Wir werden sorgfältig die Gründe für die Gerichtsentscheidung im Einzelnen zu analysieren haben, wenn in einigen Wochen die schriftliche Begründung vorliegt. Schon jetzt kann aber festgestellt werden, dass das Gericht in wichtigen Klagepunkten wie Bedarf für das Endlager Konrad, Standortalternativen, Strahlenschutz, Langzeitsicherheit und Sicherung gegen terroristische Angriffe entschieden hat, dass der Planfeststellungsbeschluss den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Noch zu klären ist die Frage, ob die abgewiesenen Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht Nichtzulassungsbeschwerde (gegen die vom OVG ergangene Nichtzulassung der Revision) erheben werden und wie das Bundesverwaltungsgericht ggf. darüber entscheiden wird. Erst danach wird ein rechtskräftiges Urteil zum Endlagerprojekt Konrad vorhanden sein.

Vor Erlangung der Rechtskraft wird das Bundesamt für Strahlenschutz keine vorbereitenden Arbeiten zur Einlagerung beginnen. Der Respekt vor den Klägern gebietet es, keine Fakten zu schaffen, solange das Urteil keine Rechtskraft erlangt hat. Zudem bedeutet die Umrüstung der Grube zu einem Endlager eine Investition von 800 bis 900 Millionen Euro, die nur dann zu verantworten ist, wenn der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden ist.

Falls die Rechtskraft nach einem Bundesverwaltungsgerichtsverfahren (Zeithorizont vermutlich max. 12 bis 18 Monate je nach Entscheidung über eine Revision) für die Schachtanlage Konrad erreicht würde, müssten umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen und Anpassungsmaßnahmen der ursprünglichen Planungen erfolgen, die vermutlich einen Zeitraum von ca. fünf bis sechs Jahren beanspruchen würde.

Das Endlagerprojekt Schacht Konrad würde im Falle eines rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss nur einen Teil der Lösung der Endlagerprobleme in Deutschland ermöglichen. Zwar sollen 90 Prozent der Volumenabfälle in der Schachtanlage Konrad endgelagert werden, jedoch enthalten sie nur 10 Prozent der anfallenden Radioaktivität im atomaren Abfall der Bundesrepublik.

Gleichzeitig hat sich Situation im Bereich der atomaren Abfälle seit Beginn der Verfahrens zur Schachtanlage Konrad vor über 20 Jahren dramatisch geändert. Weder gibt es heute und in Zukunft Abfälle aus der damals noch geplanten Wiederaufbereitung atomarer Abfälle, noch ergeben die tatsächlich anfallenden Abfälle die prognostizierten Volumina. So ist Schacht Konrad ausgelegt für eine maximale Abfallmenge von mehr als 600.000 Kubikmetern, die tatsächlich anfallenden Abfallmengen liegen aber vermutlich bei nur bei etwa 150.000 bis 200.000 Kubikmetern. Die daraus entstehenden Kosten pro Kubikmeter anfallenden drohen vor diesem Hintergrund so dramatisch zu steigen, dass die bisherigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zur Schachtanlage Konrad überprüft und mit den Abfall erzeugenden Unternehmen der Energiewirtschaft besprochen werden müssen.
Eine Einlagerung von nuklearen Abfällen, die nicht aus Deutschland stammen, bleibt auch in Zukunft ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, die Zeit bis zu einem denkbaren rechtskräftigen Urteil zum Schacht Konrad zu nutzen, um eine generelle Endlagerkonzeption für Deutschland zu entwickeln und im Lichte dieses Konzeption die Möglichkeit zur Einlagerung im Schacht Konrad zu bewerten.

Bei der Erarbeitung dieser Konzeption werde ich mich von folgenden Positionen leiten lassen:

Nationale Verantwortung wahrnehmen: Deutsche radioaktive Abfälle sollen auch in Deutschland entsorgt und nicht in andere Länder mit möglicherweise geringeren Sicherheitsstandards exportiert werden.Verantwortung jetzt übernehmen: Die Generation, die Kernenergie genutzt hat, muss sich auch um die Entsorgung der Abfälle kümmern.
Primat der Sicherheit durchsetzen: Bei der Endlagerung hat die Sicherheit Vorrang vor allen anderen Aspekten. Deshalb werden sämtliche radioaktive Abfälle in tiefen geologischen Formationen endgelagert.
Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicherstellen: Im Rahmen eines solchen Endlagerkonsenses ist ein nachvollziehbares, transparentes Verfahren unverzichtbar.

Über den Ausstieg aus der Kernenergie konnte im Jahr 2000 Konsens mit den Energieversorgern erzielt werden. Die Ausstiegsvereinbarung ist für mich unverhandelbare Grundlage für jedwede Lösung der Endlagerfragen. Denn durch den gesetzlich geregelten Ausstieg aus der Kernenergie sind die Mengen der aus der kommerziellen Nutzung der Kernenergie endzulagernden radioaktiven Abfälle begrenzt. Dies bleibt wichtige Voraussetzung dafür, dass die Menschen die Notwendigkeit der Endlagerung auch akzeptieren.

Ein Entsorgungskonsens mit den Abfallverursachern insbesondere über die Lösung der Endlagerfrage würde einen entscheidenden Schritt nach vorne bedeuten. Er würde die Ausstiegsvereinbarung ergänzen, in der die Fragen der Endlagerung nicht abschließend geregelt sind. Auch diejenigen, die sich für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden haben, dürfen sich nicht davor drücken, jetzt die Endlagerfrage zu lösen. Wir können diese Frage nicht unendlich vor uns herschieben. Ich trete für eine zügige verantwortliche Lösung der Endlagerfragen ein, die nach Möglichkeit im Konsens mit den Abfallverursachern entwickelt und getragen wird."

08.03.2006 | Pressemitteilung Nr. 040/06
https://www.bmuv.de/PM2900
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