Betrieb von Atomkraftwerken muss einer modernen Sicherheitskultur entsprechen
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat heute in einem Eilverfahren den Vollzug einer nachträglichen Auflage für das Atomkraftwerk Philippsburg aufgehoben. In der Hauptsache ist noch nicht entschieden. Den Erlass der Auflage hatte das Bundesumweltministerium durch eine bundesaufsichtliche Weisung vom 28. Februar 2005 gegenüber der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde, dem baden-württembergischen Wirtschaftsministerium gegen dessen Willen durchgesetzt.
Anlass der Auflage war die unzureichende Behandlung des Betreibers von Zweifeln an der Störfallbeherrschung beim Atomkraftwerk KKP II.
Die Auflage sieht folgendes vor:
- Wenn Anforderungen zur Störfallbeherrschung entsprechend der atomrechtlichen Genehmigung nicht eingehalten werden, ist der Betrieb einzustellen.
- Bei Zweifeln an der Störfallbeherrschung aufgrund neuer Erkenntnisse muss die Behörde benachrichtigt werden. Zudem ist ein Projektplan zur Nachweisführung oder zur Nachrüstung vorzulegen. Der Betreiber muss den Betrieb spätestens nach drei Monaten einstellen, wenn bis dahin die Zweifel nicht beseitigt sind.
Das Bundesumweltministerium hält den Inhalt der Auflage zum Schutze der Bevölkerung weiterhin für erforderlich. Die Auflage verlangt von der Betreiberin ein Verhalten, das den Anforderungen einer modernen nuklearen Sicherheitskultur entspricht. Ähnliche Regelungen gibt es in anderen modernen Industriestaaten (USA, Schweiz, Schweden). Das Bundesumweltministerium bedauert deshalb die Entscheidung des VGH. Sie verhindert die Durchsetzung notwendiger Betreiberpflichten. Die Entscheidung verschlechtert die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit in Deutschland.
Das Bundesumweltministerium wird auf der Grundlage der Entscheidungsgründe des Gerichts prüfen,
- ob eine veränderte Auflage erlassen wird
- ob eine entsprechende Rechtsvorschrift oder sicherheitstechnische Regel geschaffen werden muss
- ob die noch offenen Hauptverfahren (Biblis und Philippsburg) letztinstanzlich bis zum Bundesverwaltungsgericht verfolgt werden.
Das Bundesumweltministerium erwartet von den zuständigen Atomaufsichtsbehörden der Länder, dass die vom Gericht ausdrücklich bestätigten aufsichtlichen Mittel (z. B. Anordnungen) zur Behebung von Zweifeln an der Störfallbeherrschung im Sinne der Auflage zur Störfallbeherrschung und damit zum Schutz vor den Risiken der Atomenergie eingesetzt werden.