In einer Presseerklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) werden nach Ansicht des Bundesumweltministeriums die Folgen des Reaktorunglücks in Tschernobyl verharmlost. Bei der Aussage, es könnten insgesamt etwa 4000 Menschen an den Folgen des Unfalls sterben, handelt es sich lediglich um eine Risikoabschätzung auf der Basis der Strahlenerkenntnisse von Hiroshima und Nagasaki. In der Nacht des 26. April 1986 hatte sich im Atomkraftwerk Tschernobyl der bisher weltweit schwerste Unfall in der zivilen Atomenergienutzung ereignet.
WHO und IAEA beziehen sich auf eine Studie des "Chernobyl Forums" zu den Auswirkungen des Tschernobyl-Unfalls. Nach ersten Erkenntnissen des Bundesumweltministeriums sind in der Studie aber die tatsächliche Dosisermittlung und die damit verbundenen Folgen für Leben und Gesundheit für die betroffene Bevölkerung im Einzelnen gar nicht betrachtet worden, so dass die Aussagen weder hinreichend belastbar noch plausibel sind. In der Presseerklärung wird der Eindruck erweckt, es gebe eine untere Grenze radioaktiver Kontamination und radioaktiver Strahlenbelastung, die unschädlich sei. Eine solche Auffassung widerspricht den heutigen Erkenntnissen.
Unberücksichtigt bleibt in der Darstellung insbesondere, dass große Teile der Bevölkerung in weiten Regionen in Weißrussland und der Ukraine höheren Lebensmittelkontaminationen ausgesetzt waren und noch sind. Weiterhin ist - was die Studie nicht verschweigt, aber offensichtlich nicht als schwerwiegend betrachtet - eine 30-km-Zone um den Standort des explodierten Atomkraftwerks unbewohnbar und gesperrt. Keine Aussagen werden im Übrigen zu einem weiteren großen Folgeproblem des Unfalls gemacht: die Angst der dort lebenden Menschen, möglicherweise doch noch an den Folgen des Unfalls erkranken oder sterben zu können.
Das Bundesumweltministerium wird die zitierte Studie mit der gebotenen Genauigkeit prüfen.