Trittin: "Nur konsequenter Hochwasserschutz wird die Folgen des Klimawandels für uns beherrschbar machen"
Als Konsequenz aus der Hochwasserkatastrophe in Bayern hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin verstärkte Anstrengungen für den internationalen Klimaschutz und den vorbeugenden Hochwasserschutz gefordert. "Die aktuellen Ereignisse zeigen: Der Klimawandel ist Realität geworden. Zwar kann man nicht einzelne Ereignisse zweifelsfrei dem vom Menschen gemachten Klimawandel zuschreiben, jedoch handelt es sich längst nicht mehr um Einzelereignisse, wie die Menschen nicht nur an Oder, Rhone, Ganges, Weichsel und Donau wissen", sagte Trittin.
Wissenschaft und Versicherungswirtschaft seien sich einig, dass in Zukunft Häufigkeit und Intensität - und damit die Schäden - solcher Ereignisse weiter zunehmen werden. Hochwasserschutz werde darum in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. "Ohne sofortige und wirksame Emissionsreduktionen werden die Risiken unbeherrschbar, ist jeder Deich zu niedrig, jedes Rückhaltebecken zu klein."
Trittin: "Mit dem Hochwasserschutzgesetz, das am 10. Mai 2005 in Kraft getreten ist, wurde die Grundlage für einen zeitgemäßen Hochwasserschutz gelegt. Das gilt es nun umzusetzen. Die Länder sind innerhalb der nächsten vier Jahre verpflichtet, Hochwasserschutzpläne aufzustellen, welche ganze Flussgebiete umfassen. Hochwasserschutz muss entlang der Flüsse koordiniert werden. Die Pläne sind an den Gefahren eines 100-jährlichen Hochwassers auszurichten. Sie sollen Maßnahmen wie Rückverlegung von Deichen, Wiederherstellung von Auen oder zur geregelten Polderflutung und -entleerung enthalten."
"Zukünftig werden Hochwasserereignisse immer häufiger und intensiver auftreten, wie wir leider erkennen müssen. Die Länder sollten daher die Frist, die das Gesetz für die Aufstellung einer abgestimmten Hochwasserschutzplanung vorsieht, nicht außchöpfen."
"Ein Kernpunkt des neuen Hochwasserschutzgesetzes ist die Vermeidung und Verminderung von Schäden. In erster Linie entstehen Schäden dort, wo der Mensch dem Gewässer zu Nahe gekommen ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass wir in Überschwemmungsgebiete keine neuen Schadenspotenziale schaffen dürfen. Neue Baugebiete dürfen in Überschwemmungsgebieten nicht mehr entstehen. Das neue Hochwasserschutzgesetz enthält daher zum ersten Mal ein Verbot für die Ausweisung von neuen Baugebieten in Überschwemmungsgebieten. Bundesregierung und Bundestag wollten ein solches Verbot ohne Ausnahmen. Die Länder haben im Vermittlungsausschuss weit reichende Ausnahmeregelungen verlangt. Sie haben sich damit nicht, bzw. nur scheinbar durchgesetzt."
"Ausnahmen vom Verbot neuer Baugebiete sind nur möglich, wenn neun Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Liegt nur eine der neun Voraussetzungen nicht vor, darf die Ausnahme nicht zugelassen werden. Eine der neun Voraussetzungen lautet, dass nachzuweisen ist, dass bei einem Jahrhunderthochwasser (HQ 100) keine baulichen Schäden zu erwarten sind. Ein solcher Nachweis kann nur in extremen Ausnahmefällen geführt werden. Und dann müssten zusätzlich noch die anderen acht Voraussetzungen erfüllt sein. Nicht die Gemeinden entscheiden über die Zulässigkeit von Ausnahmen vom Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete, sondern die Landesbehörden, die für den Hochwasserschutz zuständig sind."
"Das neue Hochwasserschutzgesetz schafft Verbesserungen für die Bürger und für die Gesellschaft. Diese müssen wir nutzen. Das Argument der Kosten kann ich hier nicht gelten lassen. Jeder Euro, der in den vorbeugenden Hochwasserschutz gesteckt wird, erspart der Volkswirtschaft ein Vielfaches an Schadensbeseitigung. Nur ein konsequenter Hochwasserschutz wird diese Folge des Klimawandels für unsere Gesellschaft beherrschbar machen."
Klimawandel erhöht die Hochwassergefahren
"Die Bekämpfung des Klimawandels kann kein Land allein bewältigen, sagte Trittin. Das Kyoto-Protokoll mit seinem multilateralen Ansatz und seinen rechtsverbindlichen Verpflichtungen zur Minderung von Treibhausgasemissionen sei "ein erster Schritt auf dem einzig richtigen Weg". "Wir brauchen einen verbindlichen multilateralen Rahmen. Konkrete Verhandlungen über die Ausgestaltung eines internationalen Klimaschutzregimes nach 2012 müssen in Montreal im Dezember beginnen."
Trittin kritisierte in diesem Zusammenhang die jüngst erhobene Forderung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) nach einer Abkehr vom Kyoto-Protokoll: "Die Vergangenheit hat gezeigt: Mit freiwilligen Verpflichtungen sind keine echten Erfolge in der Umweltpolitik zu erzielen. Einer Abkehr von verbindlichen Zielen ist keine Alternative, sondern lenkt nur von der dringenden Notwendigkeit zu handeln ab. Die Frage, die sich klimapolitisch in diesem Zusammenhang an die Opposition stellt, ist ganz einfach: Wir stehen für minus 40% bis 2020, doch wofür stehen die anderen? Von der CDU hört man bisher nur wolkig, sie sei für ein "Kyoto-Plus". Aber was soll das eigentlich heißen? Heißt das minus 40%, wie wir das in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Wissenschaft wollen, oder heißt das Klimaschutz-Rückwärtsgang à la BDI?"
"Die Industriestaaten als Hauptemittenten müssen mit anspruchsvollen Reduktionsverpflichtungen vorangehen. Die EU-Regierungschefs haben für Industrieländer Reduzierungspfade von 15 bis 30 Prozent bis 2020 in Aussicht genommen. Wir schlagen vor, dass die EU für 2020 ein Minderungsziel von 30% gegenüber 1990 annimmt. Deutschland wäre dann bereit, seine Anstrengungen zu verdoppeln und die Emissionen bis 2020 um 40% zu reduzieren. Wir fordern die USA auf, Ihre Verantwortung wahrzunehmen."