Abschlussbericht: Auflagen für den Betreiber notwendig
Das Bundesumweltministerium wirft dem Betreiber des Atomkraftwerks Philippsburg (KKP 2) Versäumnisse im Sicherheitsmanagement vor. Die EnBW Kraftwerke AG habe im vergangenen Jahr erst mit mehr als sechsmonatiger Verzögerung auf ihr vorliegende Erkenntnisse reagiert, wonach die Beherrschung eines Kühlmittelverluststörfalls nicht mehr nachweisbar war. Zudem habe EnBW die Aufklärung des Sachverhalts verzögert und mehrfach widersprüchliche Angaben gemacht, heißt es im Abschlussbericht zu den Vorgängen, den das Bundesumweltministerium jetzt veröffentlicht hat. "Das Verhalten von EnBW entspricht in diesem Fall weder intern noch im Verhalten gegenüber der Atomaufsicht den Grundanforderungen eines qualifizierten Sicherheitsmanagements", so das Fazit der Atomaufsicht.
Der Bericht der Bundesaufsicht kommt unter anderem zu folgenden Ergebnissen:
Dem Betreiber des KKP2, der EnBW Kraftwerke AG, lagen seit Juni 2004 Erkenntnisse darüber vor, dass die Beherrschung eines Kühlmittelverluststörfalls nicht mehr nachweisbar war. Statt die Zweifel an der Störfallsicherheit zügig und konsequent auszuräumen, hatte EnBW über ein halbes Jahr gezögert und erst im Januar 2005 die notwendigen Maßnahmen ergriffen.
Zudem wurde die vertiefte Untersuchung sowie die Offenlegung des Problems nicht auf Initiative des Betreibers, sondern erst durch eine staatsanwaltschaftliche Untersuchung in Folge der atomaufsichtlichen Prüfung des BMU ausgelöst.
EnBW verzögerte die Aufklärung des Sachverhalts durch das Bundesumweltministerium, lieferte Auskünfte und Unterlagen unvollständig und erst auf Anordnung und machte mehrfach widersprüchliche Angaben. Viele Aussagen von EnBW beruhen auf nicht dokumentierten Quellen und sind nicht nachvollziehbar.
Nach einer durch das BMU veranlassten Auflage muss der Betreiber nun in Zukunft bei Zweifeln an der Störfallbeherrschung unverzüglich Maßnahmen ergreifen und die Aufsichtsbehörde informieren. EnBW hat gegen diese Auflage Klage vor dem Verwaltungsgericht Mannheim erhoben.
Die Bundesaufsicht hat bei ihrer Prüfung auch Schwächen der baden-württembergischen Atomaufsicht festgestellt. Diese hat weder selbst die notwendigen Fragen zur Aufklärung des Falles gestellt noch hat sie die Angaben des Betreibers auf die bundesaufsichtlichen Fragen verfolgt.
Zu den Einzelheiten des Sachverhalts gibt der Bericht der Bundesaufsicht Auskunft.
Weitere Ergebnisse des Berichts in Kurzform:
- Im Juni 2004 hätte EnBW klar sein müssen, dass die Beherrschung des Kühlmittelverluststörfalls nicht mehr sicher zu belegen war, weil aufgrund der Berechnungen der Herstellerfirma Framatome ANP (FANP) eine ausreichende Überdeckung der Sumpfansaugung bei einem bestimmten kleinen Leck nicht mehr angenommen werden durfte.
- EnBW konnte nicht glaubhaft darstellen, auf welcher Grundlage sie bis zum Januar 2005 ihre Auffassung beibehielt, dass keine Maßnahmen zur Gewährleistung der Störfallsicherheit notwendig wären. Er hätte jedoch schon aufgrund der von FANP im Juni 2004 vorgetragenen Erkenntnisse so reagieren müssen, wie er es dann erst im Januar 2005 getan hat.
- EnBW konnte zu den behaupteten eigenen Überprüfungen und Bewertungen des Anlagenzustands keine Belege vorlegen. Das Verhalten lässt den Schluss zu, dass diese Maßnahmen entweder nicht stattgefunden haben oder die Dokumente die heutige Darstellung des Betreibers nicht stützten.
- Die Darstellung des Betreibers zur Frage, wann und wie er von den Umständen der unzureichenden Störfallnachweise erfahren hat, ist widersprüchlich und insgesamt unglaubwürdig. Zunächst hatte EnBW angegeben, im Juni 2004 durch die Nachfrage des Gutachters der Staatsanwaltschaft Karlsruhe auf das sogenannte "Totvolumen Reaktorgrube" aufmerksam geworden sein. Im März 2005 legte der Betreiber dar, den Sachverhalt schon seit dem Dezember 2001 bei seinen Bewertungen berücksichtigt zu haben.
- Die Sachverhaltsaufklärung wurde wesentlich durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vorangetrieben. Das Verhalten des Betreibers stellt sich im Gesamtbild als Reaktion auf diese Ermittlungen dar. Die Androhung der Staatsanwaltschaft, den Leiter der Anlage mittels Zeugenvernehmung zur Klärung des Sachverhalts zu veranlassen (Fristende 20. Januar 2005) ist die einzig plausible Erklärung für die Entscheidung des Betreibers, den Sachverhalt am 13. Januar 2005 offen zu legen und die Behörden zu informieren.
Erst durch aufwendige Nachberechnungen und Experimente in einem Versuchsstand hat sich inzwischen herausgestellt, dass die Beherrschung des fraglichen Leckstörfalls nach Prüfung des hinzugezogenen TÜV gewährleistet war. Für die Beurteilung des Sicherheitsmanagements durch das BMU war dieses nachträgliche Prüfungsergebnis nicht relevant, sondern kam es darauf an, ob der Betreiber jederzeit davon ausgehen konnte, dass die Störfallbeherrschung mit Sicherheit bestand.