In einer Zwischenbilanz zur Wirkung des seit dem 1. Januar 2003 erhobenen Pfands für Einweggetränkeverpackungen erklärte heute Bundesumweltminister Jürgen Trittin vor Journalisten in Berlin:
- Ein halbes Jahr nach Einführung der Pfandpflicht können wir eine positive Zwischenbilanz ziehen. Daten der Gesellschaft für Konsumforschung zeigen einen Zuwachs der Mehrwegverpackungen um 9 Prozentpunkte im ersten Halbjahr 2003. (von 50,2% im Dezember 2002 auf 59,2% im Juni 2003)
- Das Pfand zeigt also die erwartete Lenkungswirkung. Wer wäre kompetenter, dies zu bestätigen, als die Einweg-Lobby, die in den vergangenen Jahren und in unzähligen Gerichtsverfahren die Lenkungswirkung der Pfandpflicht bestritten hat? Ihre Vertreter beklagen nun die Zuwächse beim Mehrweg.
- Unübersehbar ist: Seit Einführung des Pfandes sind unsere Parks und Grünflächen sauberer geworden. Die Vermüllung der Landschaft wurde weniger.
Mehrweg sichert Arbeitsplätze
- Das Pfand stützt aber nicht nur ökologisch vorteilhafte Mehrwegsysteme. Es erhält - und schafft - Arbeitsplätze. Erhebungen in den Betrieben, wie sie etwa von der FU Berlin vorgenommen wurden - also nicht computergestützte Simulationen - belegen: Seit Einführung des Pflichtpfandes sind 14.000 neue Arbeitsplätze in der mittelständischen, arbeitsintensiven Mehrwegbranche entstanden. Davon 2.300 zusätzliche Arbeitsplätze bei den mittelständischen Privatbrauereien, beim Getränke-Facheinzelhandel 4.100 zusätzliche Arbeitsplätze, beim Getränke-Fachgroßhandel 6.300 Arbeitsplätze und bei den Mineralbrunnen weitere 1.700 Arbeitsplätze.
- Die über Jahre anhaltende Vernichtung von Zehntausenden von Arbeitsplätzen durch den mittels Einweg geführten Verdrängungswettkampf der Grossen gegen den Mittelstand ist gestoppt und ins Positive gekehrt worden.
- Wenn die Union nun die Aussetzung der von ihrem ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer eingeführten Pfandpflicht fordert, dann bedroht sie 14.000 neu entstandenen Arbeitsplätze.
Ab 1. Oktober gilt: Wer Einweg verkauft, muss Einweg zurücknehmen
- Viele Verbraucher sind zu Recht genervt, dass die Einwegverpackungen nicht über all, wo Einweg verkauft wird, auch zurück geben werden kann. Der Handel hat darüber rund 400 Mio. Euro Pfandgelder eingenommen, die bis heute nicht an die Verbraucher zurückgeflossen sind. Diese fühlen sich abgezockt. Es entspricht auch nicht dem geltenden Recht. Ab 1. Oktober 2003 muss die Pfandpflicht für Einweg-Getränkeverpackungen rechtskonform umgesetzt werden. Dann gilt:
- Wer mit Einweg handelt, muss Pfand erheben. Wer Einweg verkauft, muss Einweg zurücknehmen.
- Seit 1. Januar 2003 dulden die Behörden die derzeitige Übergangsregelung, die notwendig wurde, weil große Handelskonzerne und Teile der Getränkeindustrie sich geweigert hatten, die Pfandpflicht rechtzeitig umzusetzen. Im Gegenzug hatte die Wirtschaft mir am 20. Dezember 2002 verbindlich zugesagt, bis zum 1.10.2003 die flächendeckende Rücknahme aufzubauen.
- Die großen Handelunternehmen haben diese Zusage gebrochen. Auch deshalb gibt es keinen Grund, die geltende Übergangsreglung länger als bis zum 1. Oktober zu dulden.
- Doch trotz der Obstruktion der großen Unternehmen gilt: Es wird Rücknahmesysteme geben.
- Es werden offenbar mehrere Systemanbieter antreten. Das ist in Ordnung. Wettbewerb ist durchaus zu begrüßen. Die Verordnung verlangt allerdings, dass diese Systeme kompatibel sind. Wer sich an einem System beteiligt, der muss gleichartige Verpackungen auch anderer Systeme zurücknehmen. Alles andere wäre ein Verstoß gegen die Verordnung und eine Zumutung für die Verbraucher.
- Nur bei Verpackungen, für die kein Pfand bezahlt wurde, braucht der Händler natürlich auch kein Pfand zu erstatten. Das gilt z.B. für im Ausland erworbene Dosen.
- Einige Abfüller und die großen Discounter werden sogenannte "Insel-Lösungen" einrichten, die individuell geformte Verpackungen in den Markt bringen und auch nur diese zurücknehmen. Auch das ist mit der Verordnung vereinbar. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass langfristig auch diese "Inseln" zusammenwachsen werden. Das wird der Verbraucher einfordern und der Markt erzwingen.
Mehrweg wird gestärkt
- Einige Handelsunternehmen werden zukünftig auf Getränke in Einwegverpackungen verzichten und Mehrweg anbieten. Gegen diese Entscheidung hat der Bundesumweltminister nichts einzuwenden. Es ist Ziel der Verpackungsverordnung. Denn: Mehrweg entlastet die Umwelt!
- Bei einem - ohne die Pfandpflicht unausweichlichen - Zusammenbruch der Mehrwegsysteme wäre mit einem zusätzlichen Abfallaufkommen von 1,2 Mio. Tonnen jährlich zu rechnen. Selbst wenn die heutigen Recyclingquoten erfüllt werden könnten, würde dies zu einer zusätzlichen Restmüllmenge von mindestens rd. 200.000 Tonnen jährlich und darüber hinaus zu einer Vervielfachung des Problems der Landschaftsverschmutzung führen.
Ende der europarechtlichen Bedenken
- Mit dem Ende der Übergangsregelung werden auch die Bedenken aus der Europäische Kommission gegen diese ausgeräumt. Keine der nunmehr vorgesehenen Umsetzungsvarianten verstößt gegen Europarecht. Sie sind für inländische und ausländische Anbieter gleichermaßen offen, sie diskriminieren nicht und sie verzerren nicht den Binnenmarkt. Die Vorgaben von Art. 28 des EG-Vertrags und von Art. 7 der Verpackungsrichtlinie sind damit erfüllt.
- Die Kritik aus den Reihen der Kommission richtete sich im übrigen nicht gegen die Pfandpflicht selbst, sondern ausschließlich gegen die unbefriedigende Übergangspraxis. Die der Pfandpflicht zu Grunde liegende Verpackungsordnung ist europarechtlich notifiziert. Vergleichbare Pflichten gibt es in einer Reihe von EU-Ländern etwa in Schweden und Dänemark.
Die Vereinfachung und Beschränkung der Pfandpflicht darf nicht verzögert werden.
- Die Bundesregierung beabsichtigt, mit einer Novelle der Verpackungsverordnung die Pfandpflicht zu begrenzen und zu vereinfachen. Die Novelle zielt darauf, ökologische vorteilhafte Kartonverpackungen und Wein von der Pfandpflicht auszunehmen. Die Pfandpflicht wird künftig an der Verpackung festgemacht und nicht am Inhalt.
- Dem Verordnungsentwurf der Bundesregierung hat der Bundestag zugestimmt. Der Entwurf setzt genau die Eckpunkte um, die ich bereits zu Beginn des Jahres mit den Ländern abgestimmt habe. Selbst die CDU-Vorsitzende Frau Merkel hat eine Vereinfachung der Verpackungsverordnung gefordert. Sie wusste wovon sie sprach: Die skurrilsten Unlogiken des geltenden Rechts fallen in Angela Merkels Amtszeit als Bundesumweltministerin. Nach Frau Merkels Recht ist Cola mit Schnaps pfandfrei, Cola pur aber pfandpflichtig, wird bei Eistee danach entschieden, ob kohlesäurehaltig oder nicht.
- Trotz des selbst erkannten und geforderten Bedarfs nach Vereinfachung und Begrenzung haben die CDU-Länder in den Ausschüssen des Bundesrates nun eine Vertagung der Novelle vorgeschlagen. Sollte sich die Bundesratsmehrheit nicht für die Novelle entscheiden, dann bleibt es beim geltenden Recht, das im Jahr 1991 von der damaligen Bundesregierung beschlossen und im Frühjahr 1998 bestätigt wurde. Die Pfandpflicht würde bestehen bleiben, und es zeichnet sich ab, dass ab dem nächsten Jahr nicht nur Fruchtsäfte in Einwegflaschen, sondern auch Kartons und Wein bepfandet würden.
- Die Bundesregierung würde eine Begrenzung und Vereinfachung der Pfandpflicht bevorzugen. Die Entscheidung aber liegt nun beim Bundesrat.
12.09.2003
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Pressemitteilung
Nr. 159/03
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