Naturschutz in Deutschland: Keine Entwarnung bei Arten- und Biotopgefährdung

18.02.1997
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 3/97
Thema: Naturschutz
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Neue Naturschutzstrategie erforderlich

Neue Naturschutzstrategie erforderlich

Die vom Bundesamt für Naturschutz vorgelegten "Daten zur Natur" geben auf 170 Seiten eine Zustandsbeschreibung der Natur und des Naturschutzes in Deutschland. Dieses Datenwerk belegt in der zusammenfassenden Darstellung von Flächen-, Tier- und Pflanzenartenschutz, daß eine Trendwende bei der Arten- sowie der Biotopgefährdung noch nicht erreicht werden konnte, einzelne Maßnahmen des Naturschutzes aber sehr erfolgreich gewesen sind.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Die vom Bundesamt für Naturschutz vorgelegten "Daten zur Natur" belegen, daß die Bemühungen der vergangenen Jahrzehnte nicht ausgereicht haben, die Gefährdungsursachen für den Arten- und Biotoprückgang wirksam zu bekämpfen. Angesichts des anhaltenden Arten- und Biotoprückgangs ist eine neue Naturschutzstrategie erforderlich:

  • Reduktion von Stoffeinträgen in den Naturhaushalt, insbesondere der durchschnittlichen immer noch 25 bis 30 kg Reinstickstoff je Jahr und Hektar aus der Luft;
  • Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Flächenverbrauch;
  • Landnutzungskonzepte, die Schutzerfordernisse in die Landnutzungsüberlegungen integrieren - von Naturschützern gemeinsam mit Landnutzern erarbeitet;
  • dadurch abgestufter "Naturschutz auf der gesamten Fläche";
  • Akzeptanzsteigerung für Maßnahmen des Naturschutzes bei den Grundeigentümern sowie in der breiten Bevölkerung.

    Der Schutz des Naturhaushalts kann nur dann erfolgreich sein, wenn wir dabei alle seine Bestandteile - Wasser, Boden, Luft sowie Pflanzen und Tiere - in ihrem komplexen Zusammenspiel beachten."


Stoffeinträge

Zu hohe Stoffeinträge in den Naturhaushalt sind eine der Hauptursachen für die Veränderung natürlicher und naturnaher Lebensräume einschließlich ihrer Tier- und Pflanzenarten. Während große Erfolge bei der anlagenbezogenen Reduktion von Stoffeinträgen zu verzeichnen sind - allein die Schwefeldioxidemissionen sind seit 1970 um 75 Prozent gesenkt worden - sind die Stoffeinträge aus dem Verkehr und der Landwirtschaft weiter problematisch. So ist ein Anstieg der Nitratgehalte im Grundwasser zu beobachten, der zum großen Teil durch eine nicht standortgerechte Produktion sowie durch unsachgemäße Düngung verursacht wird.

Mit den in der Düngemittelverordnung definierten "Regeln der guten fachlichen Praxis" wird u.a. bestimmt, daß der Einsatz von Düngemitteln am tatsächlichen Nährstoffbedarf der Pflanzen auszurichten ist. In den letzten Jahren konnte ein deutlicher Rückgang beim Absatz von Handelsdünger verzeichnet werden. So ist der Verbrauch von Handelsdünger im Wirtschaftsjahr 1995/96 gegenüber 1988/89 bei Stickstoff um 25 Prozent und Phosphat um rund 60 Prozent zurückgegangen. In Regionen mit intensiver Tierhaltung bestehen aber wegen des hohen Anteils an organischem Dünger zum Teil noch erhebliche Probleme bei der Einhaltung der "guten fachlichen Praxis" der Düngung. Die Flächenbindung der Tierhaltung und die Durchsetzung der "guten fachlichen Praxis" gemäß der 1996 verabschiedeten Düngemittelverordnung bilden deshalb wesentliche Bestandteile der Förderung einer naturverträglichen Landwirtschaft.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Eine weit größere Herausforderung stellt die Absenkung der Stoffeinträge aus dem Verkehr dar. Das Mobilitätsbedürfnis der Menschen nimmt weiter zu. Außerdem wird Deutschland als zentrales Transitland mit steigendem Verkehrsströmen konfrontiert. Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Verkehrsträger Binnenschiff und Bahn ist zwar unter dem Emissionsgesichtspunkt eine wirksame Strategie, unter Naturschutzüberlegungen aber keineswegs immer unproblematisch. So setzt ein naturverträglicher Flußausbau einer Verlagerung auf die Binnenschiffahrt natürliche Grenzen. Diese Zielkonflikte müssen wir diskutieren, um den im Sinne des Naturschutzes bestmöglichen Kompromiß zu finden."

Landnutzungskonzepte - abgestufter Naturschutz auf der gesamten Fläche

Abgestufter Naturschutz auf der gesamten Fläche bedeutet, naturschutzkonforme Konzepte für die Nutzung insbesondere von land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu schaffen, Infrastrukturmaßnahmen natur- und umweltverträglich zu planen sowie Maßnahmen zur umweltgerechten Erholungsvorsorge zu treffen.

An der im Entwurf zur Novellierung des Bundes-Naturschutzgesetzes neu aufgenommenen Schutz- und Entwicklungskategorie "Biosphärenreservat" läßt sich modellhaft zeigen, wie der Schutz der Natur und die wirtschaftliche Nutzung verträglich miteinander verbunden werden können.

Akzeptanzproblem Naturschutz - Naturschutzproblem Akzeptanz
Die bislang vorrangig eingesetzten Instrumente des Naturschutzes, wie z. B. Schutzgebietsausweisungen in Verbindung mit Nutzungseinschränkungen oder -verboten, haben die allgemeine Akzeptanz für Naturschutzmaßnahmen weder bei den Land- und Forstwirten, die rund 85 Prozent der Fläche in Deutschland bewirtschaften, noch in der breiten Bevölkerung fördern können.

Um dem Verhältnis zwischen Land- und Forstwirtschaft auf der einen, dem Naturschutz auf der anderen Seite eine neue Basis zu geben, sieht der Entwurf zur Novellierung des Bundes-Naturschutzgesetzes Entschädungsleistungen vor. Die Schaffung eines finanziellen Ausgleichs für wirtschaftliche Nachteile, die der Land- und Forstwirtschaft durch naturschutzbedingte Nutzungsbeschränkungen - insbesondere durch Ausweisung von Schutzgebieten - entstehen, ist ein geeignetes Instrument, Naturschutz in die land- und forstwirtschaftliche Landnutzung zu integrieren. Darüber hinaus sieht die Novellierung des Bundes-Naturschutzgesetzes eine Regelung zur Stärkung des Vertragsnaturschutzes vor.

Eine höhere Akzeptanz des Naturschutzes in der breiten Bevölkerung bedingt nicht nur Informationen über den Zustand und die Gefährdung des Naturhaushaltes sowie verständliche und nachvollziehbare gesetzliche Regelungen. Notwendig ist auch das unmittelbare Naturerlebnis in geschützten Gebieten, ohne diese zu gefährden. Viele Schutzgebietskonzeptionen sollten daraufhin überprüft werden. Mehr Markt- und Bürgernähe wird auch durch die Entwicklung und Einführung eines vom Bundesumweltministerium geförderten und vom Bundesamt für Naturschutz betreuten Öko-Labels für den Handel mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten erwartet.


Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Naturschutz und Umweltschutz sind und bleiben eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Bundesumweltministerium fördert Naturschutz in Deutschland alleine im Rahmen von Naturschutzgroßprojekten jährlich mit über 40 Millionen DM - seit Beginn des Förderprogramm im Jahr 1979 bis heute mit weit über einer halben Milliarde DM. Der Entwurf der Novellierung des Bundes-Naturschutzgesetzes enthält die notwendigen Elemente zur Umsetzung neuer und erfolgversprechender Naturschutzstrategien. Eine Blockade dieses Gesetzesvorhabens würde einen verbesserten Schutz des Naturhaushalts verhindern. Und wir brauchen eine Trendwende in der Inanspruchnahme von Flächen und für den Schutz des Bodens. Einen wesentlichen Beitrag wird hier das Bodenschutzgesetz bringen. Notwendig sind auch hier neue, tragfähige Strategien, die den Menschen nicht aussperren, sondern mit all seinen Tätigkeiten und Bedürfnissen als Handelnden miteinbeziehen."
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18.02.1997 | Pressemitteilung 3/97 | Naturschutz
https://www.bmuv.de/PM1422
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