Umwelt und Gesundheit von Kindern ist Hauptthema des G8-Umweltministertreffens am 05./06. Mai 1997 in Miami

05.05.1997
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 033/97 S
Thema: Gesundheit
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Hirche: Konferenz ist wichtiger Beitrag zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes von Kindern

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:

"Ich begrüße das G8-Umweltministertreffen von Miami als wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes von Kindern. Bisher existiert auf internationaler Ebene noch kein übergreifendes Konzept zu dem brisanten Themenbereich Umwelt und Kindergesundheit. Die Erklärung von Miami wird für Bewegung auf diesem Gebiet sorgen und zur Einleitung konkreter Initiativen und Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene beitragen. Es ist absehbar, daß von Miami auch zusätzliche Impulse für das noch vom Bundesumwelt- und Gesundheitsministerium in Kürze vorzulegende Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit ausgehen werden." Dies erklärte der deutsche Delegationsleiter, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium Walter Hirche, heute anläßlich einer zweitägigen Umweltministerkonferenz der G8 (G7-Länder plus Rußland) zum Thema "Childrens Environmental Health" in Miami. Auf der Konferenz soll eine Deklaration verabschiedet werden, die Strategien sowie Ansätze für konkrete Maßnahmen und Initiativen in ausgewählten Bereichen festlegt.

Standardsetzung unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Bedürfnisse von Kindern

Die G8-Umweltminister wollen sich für eine bessere Berücksichtigung der Gesundheit von Kindern bei der Bewertung von Umweltrisiken und Festlegung von Umweltstandards einsetzen. Deshalb sollen in die laufenden Verhandlungen internationaler Abkommen, wie z. B. das geplante Übereinkommen über "Persistent Organic Pollutants" sowie die Konvention über Chemikaliensicherheit im Rahmen der VN, die Aspekte Gesundheit von Kindern und Schwangeren mit einfließen.

Die bisherige Setzung von Umweltstandards auf internationaler Ebene orientiert sich teilweise an der Belastungsfähigkeit des durchschnittlichen Erwachsenen, nicht aber an der von Kindern. Das deutsche Umweltrecht trägt den besonderen gesundheitlichen Bedürfnissen von Kindern im Rahmen des Vorsorgeprinzips Rechnung. Standards werden so gesetzt, daß in den geregelten Bereichen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht zugelassen werden. Es kommt jetzt darauf an, international Maßstäbe zu entwickeln, die auf die besonderen gesundheitlichen Bedürfnisse von Kindern Rücksicht nehmen. "Auch ein besseres, auf internationaler Ebene abgestimmtes Risikomanagement bei der Bewertung und Behandlung von Umwelt- und Gesundheitsgefahren ist zum Schutz der Gesundheit von Kindern erforderlich. Erst über ein effizientes Risikomanagement läßt sich abschätzen, ob die Einleitung konkreter Maßnahmen erforderlich ist. In einigen Fällen wird bereits die Information über Gesundheitsgefahren genügen, wie z. B. die Warnung der Eltern vor intensivem Sonnenbaden ihrer Kinder", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium Walter Hirche.

Wirkungen von Bleiemissionen auf Kinder

Die Minister wollen sich für einen internationalen Ausstieg aus bleihaltigem Benzin, Blei in Farben und Rostschutzmitteln sowie Blei in Produkten, mit denen bestimmungsgemäß Kinder in Berührung kommen, einsetzen. Ferner wollen sich die G8-Umweltminister zur Umsetzung der "OECD-Declaration on Lead Risk Reduction" verpflichten.

In Deutschland ist das Umwelt-Blei-Problem weitgehend gelöst, obwohl noch gewisse Belastungen des Trinkwassers durch Bleirohre in Altbauten eine Rolle spielen. Seit der Verabschiedung des ersten Benzin-Blei-Gesetzes im Jahre 1974 hat sich die Situation der Bleibelastung in Deutschland erheblich verbessert. In anderen Teilen der Welt sind dagegen die Bleiemissionen noch signifikant. Über eine Million amerikanischer Kinder haben erhöhte Blut-Bleiwerte. Es wird vermutet, daß in Entwicklungsländern alle Stadtkinder unter zwei Jahren und 80 % der Stadtkinder zwischen drei und fünf Jahren Bleiwerte im Blut aufweisen, die die zum Gesundheitsschutz empfohlenen Werte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) überschreiten. Zwischen 15 und 18 Millionen Kinder in Entwicklungsländern dürften nach vorsichtigen Schätzungen wegen hoher Bleibelastung permanente Schädigungen der Gehirnfunktion aufweisen.

Sauberes Trinkwasser

Die G8-Umweltminister plädieren für die Ausweitung technologischer und finanzieller Hilfsprogramme, um weltweit sauberes Trinkwasser zu garantieren. Es ist geplant, auf der dritten Konferenz der europäischen Umwelt- und Gesundheitsminister im Juni 1999 in London ein bindendes Rechtsinstrument über "Eradiction of water-related Diseases" zur Verabschiedung vorzulegen. Auf einer WHO/ECE-Tagung vom 20.-22.03.1997 in Kiew wurden erste Erörterungen für eine bindende Vereinbarung aufgenommen.
Jährlich sterben weltweit über zwei Millionen Kinder an Durchfallerkrankungen, da sie keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

Gesundheitsgefährdender Tabakrauch

Die G8-Umweltminister wollen sich verstärkt für erzieherische und bewußtseinsbildende Maßnahmen, insbesondere bei Eltern einsetzen, um die Exposition von Kindern gegenüber Tabakrauch zu verringern. Bei Kindern, die Tabakrauch ausgesetzt sind, ist die Gefahr größer, daß es zu Irritationen der Atemwege oder Beeinflussungen der Lungenfunktionen kommt. Asthmakranke Kinder sind besonders gefährdet.

Die Belastungen durch Tabakrauch führen beispielsweise in den USA jährlich bei etwa 150.000 bis 300.000 Kindern unter 18 Monaten zu Atemwegerkrankungen. Bei rund 200.000 bis 1.000.000 asthmakranken Kindern verschlechtern sich die Krankheitssymptome bei erheblichen Tabakrauchexpositionen. Für Kalifornien liegen Schätzungen vor, daß jährlich zwischen 9.700 und 18.600 Kinder wegen des Rauchens der Mütter in der Schwangerschaft mit Untergewicht geboren werden. In Deutschland setzt man bei der Bekämpfung der Gefahren des Tabakrauchs teilweise auf das Mittel der Aufklärung, aber auch auf gesetzgeberische Maßnahmen. So befinden sich derzeit zwei Gesetzentwürfe zum besseren Schutz der Nichtraucher im Bundestag.

Wirkungen chemischer Substanzen auf das Hormonsystem

In der Deklaration ist vorgesehen, daß ein internationales Verzeichnis aller Forschungsaktivitäten zum Thema endokrine Wirkungen chemischer Substanzen eingerichtet wird. Ferner soll eine internationale Bewertung der Standes der Forschung durchgeführt und die prioritären Forschungsbedürfnisse identifiziert werden. Darüber hinaus plädieren die Umweltminister für ein gemeinsames internationales Risikomanagement und präventive Strategien, sobald endokrine Wirkungen bestimmter Substanzen identifiziert werden können.

Stoffe, die auf das Hormonsystem einwirken, können negative Auswirkungen auf Mensch und Tier haben. In jüngster Zeit wird die Thematik auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Das gestiegene Interesse ist auf Beobachtungen bei Mensch und Tieren zurückzuführen:

In neueren Studien wurde der Einfluß von Umweltchemikalien auf die Fortpflanzung und Geschlechtsausprägung von Tieren beschrieben. Hierzu zählen Verringerung der Fruchtbarkeit, Verweiblichung der Männchen und Änderung des Sexualverhaltens bei Fischen, Reptilien und Vögeln. Derartige Befunde traten bei Tieren in der freien Wildbahn auf, die in stark chemikalienbelasteten Gewässern leben (z. B. Great Lakes in den USA).

Umstritten ist, ob die wesentlich geringere Belastung des Menschen mit Umwelthormonen zu Gesundheitsschäden führen kann. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob die beobachtete Zunahme von Brust- und Hodenkrebs hierauf zurückzuführen ist. Die Befunde über die Spermienzahl sind uneinheitlich. Während in einigen Untersuchungen eine Abnahme während der letzten Jahrzehnte beobachtet wurde, kommen andere Studien zu gegenteiligen Ergebnissen.

Parlamentarischer Staatssekretär Walter Hirche: "Spätestens seit dem Buch von Theodora Colborn - Die bedrohte Zukunft - steht das Thema Wirkungen auf das endokrine System ganz oben auf der umwelt- und gesundheitspolitischen Tagesordnung. Die bekanntgewordenen Hormonstörungen und Gesundheitsschäden haben zu einer Vielzahl von Forschungsaktivitäten geführt. Wir müssen wissenschaftlich abklären, ob die genannten Gesundheitsschäden beim Menschen tatsächlich durch eine hormonartige Wirkung von Chemikalien verursacht werden oder ob andere Ursachen, wie z. B. die Änderung der Ernährungs- oder sonstigen Lebensgewohnheiten im Vordergrund stehen. Ziel der in Deutschland ausgeschriebenen Forschungsvorhaben zum Thema Umwelthormone ist es letztendlich, den Kenntnisstand über eine mögliche Gesundheits- und Umweltgefährdung zu verbessern, um dann entscheiden zu können, ob und ggf. welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Zur Vermeidung von Doppelarbeit baut das Umweltbundesamt zur Zeit eine Datenbank über Forschungsvorhaben zu dieser Thematik innerhalb der EU auf. Industrie, Behörden und Forschungseinrichtungen wurden angeschrieben und gebeten, die Titel der laufenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu melden. Die Informationen wer, was und wo bearbeitet, sollen dargestellt werden. Eine vergleichbare Datenbank wurde von der Environmental Protection Agency in den USA aufgebaut. Zwischen dem Umweltbundesamt und der EPA wurde eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet Forschung und endokrine Wirkungen vereinbart."

Hintergrund

Kinder reagieren auf Belastungen aus der Umwelt häufig empfindlicher als Erwachsene. Bei einem großen Teil der Umweltprobleme steht deshalb die Besorgnis um die Gesundheit von Kindern im Vordergrund. Pseudokrupp und plötzlicher Kindestod (Sudden Infant Death Syndrome, SIDS), Asbest, Formaldehyd, Holzschutzmittel und PCB in Schulen und Kindergärten, Zunahme von Allergien, Neurodermitits und Asthma, Kinderspielplätze mit schadstoffbelastetem Boden, Belastung der Muttermilch mit persistenten organischen Verbindungen (Dioxine, polychlorierte Biphenyle, Moschus-xylol) sowie Leukämie bei Kindern stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Auch wenn sich in bestimmten Fällen Zusammenhänge nicht belegen lassen (z. B. bei Leukämie und Pseudokrupp), kann nicht bestritten werden, daß in vielen Bereichen begründeter Anlaß zur Sorge besteht. Dies gilt vor allem für die Zunahme von Allergien, Asthma bronchiale und Neurodermitis. Für diese mittlerweile echten Volkskrankheiten ist zwar der Umweltbezug nicht bewiesen, klärungsbedürftig ist aber, ob und in welchem Umfang Umwelteinflüsse hier eine ursächliche oder mitwirkende Rolle haben. Aktuell taucht die Frage auf, inwieweit hormonell wirkende Substanzen in der Umwelt Auswirkungen auf Fortpflanzung, sowie Nerven- und Immunsystem haben. Eine Problemstellung, die natürlich auch die Heranwachsenden betrifft. In diesen und anderen Bereichen hat Deutschland eine Reihe von Forschungsvorhaben vergeben und spezifische Aktivitäten eingeleitet, wie z. B. das Kinderkrebsregister in Mainz oder das bundesweite Lebensmittelmonitoring, das ein Gesamtbild über die Belastung der Grundnahrungsmittel mit Schadstoffen in Deutschland gibt. Ferner fördert das Bundesumweltministerium das "Umweltmedizinische Informationsforum (Uminfo)", das von der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Deutschen Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Osnabrück betrieben wird. Uminfo versorgt insbesondere Ärzte mit Informationen über Fragen der Kindergesundheit und Umweltbelastungen.

05.05.1997 | Pressemitteilung 033/97 S | Gesundheit
https://www.bmuv.de/PM1363
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