Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:
Fünf Jahre nach der VN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro wird auf einer Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen (SGV) vom kommenden Montag bis zum 27. Juni 1997 in New York erstmals eine umfassende Zwischenbilanz der bei der Umsetzung der Rio-Ergebnisse erzielten Fortschritte gezogen. Für den in Rio begonnenen Prozeß der Integration von Umwelt und Entwicklung in alle Politikbereiche hat diese SGV herausragende Bedeutung. An ihr nehmen mehr als 60 Staats- und Regierungschefs teil. Sie soll neben der Bewertung des bisher Erreichten, insbesondere hinsichtlich des Aktionsprogramms für das 21. Jahrhundert, der Agenda 21, dem in Rio begonnenen Prozeß für eine globale nachhaltige Entwicklung neue Impulse geben, klar umrissene inhaltliche Prioritäten und Schwerpunkte der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik für die kommenden Jahre setzen sowie den institutionellen Rahmen für den weiteren Folgeprozeß festlegen.
Von deutscher Seite nehmen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Klaus-Jürgen Hedrich sowie Vertreter weiterer Ressorts und Verbände teil.
Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "In wichtigen Teilbereichen sind in den vergangenen fünf Jahren nach der Rio-Konferenz erste Fortschritte erzielt worden - die Konventionen zu Klima, Artenvielfalt und Wüstenbekämpfung sind in Kraft getreten und werden Schritt für Schritt umgesetzt. Eine große Zahl von Staaten, darunter auch die Bundesrepublik, haben Handlungsstrategien und entsprechende Rahmenbedingungen für die nachhaltige Entwicklung, viele Kommunen Lokale Agenden 21 entwickelt. Andererseits sind viele Probleme noch nicht gelöst oder nehmen sogar an Schärfe zu, etwa die weiter wachsende Armut, das Bevölkerungswachstum in vielen Teilen der Welt, aber auch die fortschreitende Umweltzerstörung und die Übernutzung natürlicher Ressourcen. Weltweit konnte eine wirkliche Trendwende zu einer nachhaltigen Entwicklung noch nicht erreicht werden. Deshalb wird die wichtigste Aufgabe der Sondergeneralversammlung darin bestehen, das in Rio abgegebene Bekenntnis zur globalen Nachhaltigkeit zu erneuern und den begonnenen Prozeß unumkehrbar zu machen . Deutschland wird sich insbesondere für klare politische Signale zum Klimaschutz nach 2000, für den Beginn eines Verhandlungsprozesses für eine international verbindliche Waldkonvention sowie für die institutionelle Stärkung des Umweltschutzes innerhalb des Systems der Vereinten Nationen mit dem mittelfristigen Ziel der Gründung einer Weltumweltorganisa-tion einsetzen."
Der auf der 5. Tagung der Kommission für nachhaltige Entwicklung verabschiedete Entwurf des Schlußdokumentes der SGV enthält noch zahlreiche strittige (geklammerte) Textpassagen. Diesem ca. 50 Seiten umfassenden Dokument wird voraussichtlich eine kurze politische Deklaration der Staats- und Regierungschefs vorangestellt.
Zu den Schwerpunktthemen der Sondergeneralversammlung im einzelnen:
Klima
Neue Impulse werden insbesondere für die laufenden Verhandlungen auf internationaler Ebene im Klima-Bereich erwartet, damit bei der dritten Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonven-tion im Dezember diesen Jahres in Kyoto ein anspruchsvolles Protokoll verabschiedet werden kann, das für die Zeit nach dem Jahr 2000 rechtsverbindliche Verpflichtungen der Industrieländer zu Zielen für eine signifikante Reduktion von Treibhausgasemissionen unter das Niveau von 1990 sowie zu konkreten Politiken und Maßnahmen enthält. International besteht allerdings noch keine Einigkeit darüber, wie weitreichend diese Verpflichtungen sein sollen. Die Europäische Union strebt eine Verpflichtung zur Reduzierung der Emissionen von Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid zusammen um mindestens 7,5 Prozent bis 2005 und 15 Prozent bis zum Jahr 2010 (gegenüber 1990) an.
Wälder
Von zentraler Bedeutung sind auch der weltweite Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder. Als Lebensraum und Nahrungsquelle sowie für den Schutz von Boden, Grundwasser und als Kohlenstoffspeicher gehören ökologische stabile Wälder zu den elementaren Lebensgrundlagen der Menschheit. Für die Bundesregierung ist es ein wesentliches Ziel, bei der SGV umgehend einen Verhandlungsprozeß für eine internationale Waldkonvention in Gang zu setzen. Im Rahmen der Konvention sollten allgemeine Prinzipien, Leitlinien, Verpflichtungen und Standards für die Bewirtschaftung, den Schutz und die nachhaltige Entwicklung von Wäldern erarbeitet werden. Die unmittelbare Erteilung eines Verhandlungsmandats ist allerdings auf internationaler Ebene weiterhin eine äußerst umstrittene Forderung. Während sich die Europäische Union auf der 5. CSD-Tagung deutlich dafür ausgesprochen hat (Verhandlungen sollten bis zum Jahr 2000 abgeschlossen sein), haben die USA, mit Einschränkungen auch Japan, dem klar widersprochen. Von seiten der Entwicklungsländer wurde mehrheitlich die Auffassung vertreten, zunächst ein zwischenstaatliches CSD-Forum einzusetzen, das über Fragen einer nachhaltigen Forstwirtschaft beraten und erst 1999 eine Empfehlung hinsichtlich einer Waldkonvention geben sollte.
Institutionelle Stärkung des Umweltschutzes
Die institutionelle Stärkung des Umweltschutzes innerhalb des bestehenden Systems der Vereinten Nationen sind für die Koordinierung, Überprüfung, Weiterentwicklung und Umsetzung von Beschlüssen und Maßnahmen der internationalen Zusammenarbeit für eine nachhaltige Entwicklung von großer Bedeutung. Deshalb erwartet Deutschland von der SGV vor allem eine Stärkung der Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Die CSD sollte als führendes, politisch hochrangiges Forum für den Rio-Prozeß bestätigt werden. Die Bundesregierung will darüber hinaus erreichen, daß die nächste Generalversammlung der Vereinten Nationen die existierenden internationalen Institutionen im Umweltbereich einer Überprüfung mit dem Ziel unterzieht, mittelfristig eine Weltumweltorganisation unter dem Dach der Vereinten Nationen nach dem Vorbild der Weltgesundheitsorganisation WHO einzurichten, die sich auf ein reformiertes UNEP in Nairobi als einen wesentlichen Pfeiler stützt.
Die Europäische Union hat in die Verhandlungen zum Abschlußdokument eine Reihe weiterer Initiativen für eine nachhaltige Entwicklung eingebracht. Dazu gehören u.a. eine Öko-Effizienz-Initiative, die auf eine Änderung der Produktions- und Konsummuster bei einer verstärkten Umwelt- und Ressourcenschonung abzielt. Unter den Entwicklungsländern ist diese Textpassage allerdings strittig. Zur Bewältigung der wachsenden Probleme durch eine weltweite Verknappung der Süßwasserressourcen hat die EU eine Initiative zur Ausarbeitung eines globalen Aktionsprogramms "Wasser 21" durch die CSD vorgeschlagen. Dabei geht es auch um die Verhinderung ernsthafter Krisen bei der internationalen Sicherheit und der Nahrungsmittelerzeugung. Eine weitere Initiative für eine "Gemeinsame Strategie für eine nachhaltige Energie-Zukunft" soll eine Trendwende hin zu einer nachhaltigen Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Energie erreicht werden. Vor allem vor dem Hintergrund verstärkter Klimaschutzbemühungen ist ein sparsamer und rationellerer Energieeinsatz sowie eine deutlich gesteigerte Nutzung erneuerbarer Energien notwendig. Großer Widerstand kam dazu im Vorfeld insbesondere von den OPEC-Staaten, aber auch von USA und Australien, weshalb noch schwierige Verhandlungen bevorstehen.
Darüber hinaus erwartet die Bundesregierung u.a auch Entscheidungen zur Umsetzung der Konvention über die biologische Vielfalt, zum Thema nachhaltige Mobilität und Verkehr, zu Umwelt und Handel, Tourismus und dem Transfer umweltverträglicher Technologien. Deutschland wird sich des weiteren bereit erklären, den internationalen Finanzierungsmechanismus globale Umweltfaszilität wieder aufzufüllen. Der deutsche Beitrag hat sich von 1994 bis 1997 auf rund 240 Millionen US-Dollar belaufen. Frankreich und Großbritannien zahlten zum Vergleich jeweils rund 145 Millionen US-Dollar.
Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Im Vorfeld der Sondergeneralversammlung konnte - trotz anfänglicher Schwierigkeiten - ein gutes Fundament für die weiteren, sicher nicht leichten Verhandlungen gelegt werden. Damit sind Voraussetzungen gegeben, daß in New York die Ziele von Rio bekräftigt und weiterentwickelt werden. In Deutschland sind wir in den letzten Jahren ein gutes Stück vorangekommen und haben die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung geschaffen. Ich erhoffe mir von der Sondergeneralversammlung auch weitere Impulse für die Diskussion um die künftigen Ziele in der deutschen Umweltpolitik. Dazu werde ich im kommenden Jahr ein Umweltschwerpunktprogramm vorstellen, das Ziele und Wege hin zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland formulieren wird."