Informationsbesuch von EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard in Deutschland

04.07.1997
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 33/97
Thema: Europa
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Merkel: Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung im europäischen Vertragswerk stärkt aktive Rolle der EU im Umweltschutz - EU drängt weiter auf Festlegung klarer Klimaschutzziele nach 2000 für Industriestaaten

Merkel: Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung im europäischen Vertragswerk stärkt aktive Rolle der EU im Umweltschutz - EU drängt weiter auf Festlegung klarer Klimaschutzziele nach 2000 für Industriestaaten

Auf Einladung von Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel traf am Freitag das für Umweltschutz zuständige Mitglied der EU-Kommission Ritt Bjerregaard zu einem zweitägigen Informa-tionsbesuch in Deutschland ein. Neben bilateralen Gesprächen u. a. zu den Themen Klimaschutz, Osterweiterung der EU, Zusammenarbeit im Ostseeraum und EU-finanzierte Umweltprojekte in Deutschland steht auch ein Besuch in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Programm. Dabei wird sich EU-Umweltkommissarin Bjerregaard u. a. über die deutschen Naturschutzbemühungen im Ostseeraum am Beispiel der Insel Rügen, über die Arbeit der Internationalen Naturschutzakademie des Bundesamtes für Naturschutz auf der Insel Vilm und über den Stand des EU-LIFE-Pro-jektes zur Renaturierung des Trebeltalmoores südlich von Stralsund informieren.

1. EU-Umweltpolitik nach dem Amsterdamer Gipfel

Der Europäische Rat hat am 16./17. Juni dieses Jahres die Arbeiten der Regierungskonferenz zur Reform des europäischen Vertragswerkes abgeschlossen. Die Rolle des Umweltschutzes wurde deutlich gestärkt. Wesentliche Ziele der Bundesregierung wurden erreicht, darunter:

  • Aufnahme des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung in die Präambel des EU-Vertrages, in Artikel B des EU-Vertrages und in Artikel 2 des EG-Vertrages. Damit sind EU und EG auf die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet.
  • Die Verpflichtung zur Integration von Umweltaspekten in alle anderen Gemeinschaftspolitiken wurde im Grundsatzkapitel des EG-Vertrages verankert.
  • Ausweitung der Schutzverstärkungsklausel, die es nun erlaubt, unter bestimmten Bedingungen strengere nationale Regelungen auch noch nach Verabschiedung einer EG-Harmonisierung einzuführen.
  • Stärkung der Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "In Amsterdam sind deutlich mehr und positive Entscheidungen zum vertraglichen Umweltschutz in der EU erreicht worden, als es zu Beginn der Verhandlungen realistischerweise erwartet werden konnte. Besonders wesentlich erscheint mir die Aufwertung der umweltrechtlichen Integrationsklausel und das verstärkte Mitwirkungsrecht des traditionell im Umweltbereich fortschrittlichen Europäischen Parlaments. Die Verpflichtung auf das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung stärkt die aktive Rolle der EU im Umweltschutz und ist ein wichtiges politisches Zeichen für die Fortführung des Rio-Folgeprozesses. Die Erweiterung der Spielräume für nationale Schutzverstärkungen wird mit dazu beitragen, bei Umweltmaßnahmen ein hohes Schutzniveau durchzusetzen, da die Position derjenigen Mitgliedstaaten gestärkt wird, die aus guten Gründen eine schärfere Gangart im Umweltbereich einschlagen wollen."

2. Klimaschutz

Mit dem vom EU-Umweltrat am 19./20. Juni 1997 verabschiedeten Zielvorschlag zur Reduzierung von Treibhausgasen bis 2005 hat die EU ihre Positionen im Rahmen der Klimaprotokollverhandlungen komplettiert. So fordert die EU, daß für die Industrieländer eine Reduktion der Emissionen von CO2, CH4, und N2O zusammen um mindestens 7,5 Prozent bis 2005 und 15 Prozent bis 2010, jeweils gegenüber 1990, festgeschrieben wird. Weiterhin schlägt sie vor, für alle Industrieländer sowohl verbindliche als auch empfehlende Politiken und Maßnahmen zum Klimaschutz festzulegen. Dafür sowie für die weiteren Protokollelemente hat die EU detaillierte Vorschläge vorgelegt und ihre Rolle als treibende Kraft in den Verhandlungen dokumentiert. Sie erwartet nun auch von anderen wichtigen OECD-Ländern die Vorlage konkreter Zielvorschläge. Die Verhandlungssituation ist jedoch nach dem G-7-Gipfel und der VN-Sondergeneralversammlung nicht leichter geworden. Eine Annäherung zwischen den Positionen der außereuropäischen Industrieländer und der EU ist noch nicht erkennbar.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Deutschland nimmt innerhalb der Europäischen Union, aber auch weltweit eine führende Rolle im Klimaschutz ein. CO2, das wichtigste Treibhausgas, konnte im Zeitraum von 1990 bis 1996 in Deutschland um 10,5 Prozent reduziert werden. Damit leistet Deutschland auch einen bedeutenden Beitrag zur Stabilisierung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2000 auf dem Niveau von 1990. Es müssen aber sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene noch erhebliche weitere Anstrengungen unternommen werden, um - national - das Ziel einer 25-Prozent-Reduktion für CO2bis 2005 gegenüber 1990 und - EU-weit - die Verhandlungsziele der Gemeinschaft für 2005 und 2010 zu erreichen. Vor diesem Hintergrund begrüße ich den Vorschlag der EU-Kommission zur Besteuerung von Energieprodukten. Eine Energiebesteuerung ist ein Element einer nationalen und EU-weiten, aber - und vor allen Dingen - auch internationalen Klimaschutzpolitik. Der Richtlinienvorschlag sollte daher möglichst noch vor der 3. Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto angenommen werden. Dies hätte große Signalwirkung für die Klimaverhandlungen und würde die Ernsthaftigkeit der Reduktionszielvorschläge der EU für das Klimaprotokoll deutlich unterstreichen."

3. Osterweiterung der EU

Der Beitritt der Staaten Mittel- und Osteuropas im Rahmen der Ost-Erweiterung der EU stellt die Gemeinschaft wegen der noch immer erheblichen politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen diesen Staaten und den EU-Mitgliedsstaaten vor große Herausforderungen. Dennoch streben die Bundesregierung und die EU-Kommission eine möglichst schnelle Aufnahme der beitrittswilligen Staaten an, die sich allerdings je nach Stand der Vorbereitungen für die einzelnen Länder zu unterschiedlichen Zeitpunkten vollziehen wird. Voraussetzung für den Beitritt ist nicht nur die formale Umsetzung des EU-Rechts in nationales Recht, sondern auch seine flächendeckende praktische Anwendung in den Ländern. Begrenzte Übergangsphasen bei der Übernahme von Teilen des geltenden Gemeinschaftsrechts sind denkbar. Nach Ansicht der Bundesregierung ist aber ein "geteiltes Recht" für alte und neue EU-Mitgliedsstaaten längerfristig nicht hinnehmbar. Dies gilt insbesondere auch für das Umweltrecht.

Bundesumweltministerin Merkel hob in diesem Zusammenhang vor allem die über Jahre bewährte, intensive Zusammenarbeit im Umweltbereich mit Polen und der Tschechischen Republik hervor. Künftig wird die Unterstützung der mittel- und osteuropäischen Staaten bei der Heranführung an die EU eine wachsende Bedeutung im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit einnehmen.

4. LIFE-Programm

1992 beschloß der Rat die Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Umwelt (LIFE), das zur Entwicklung und Umsetzung der Umweltpolitik der Gemeinschaft und zur Verbesserung der Umweltqualität in den Mitgliedstaaten durch konkrete Projekte beiträgt. LIFE I hatte zunächst eine Laufzeit von 1992 bis Ende 1995. Dafür standen Mittel in Höhe von 400 Millionen ECU (rund 800 Millionen DM) zur Verfügung. Das LIFE-Programm wurde anschließend von 1996 bis Ende 1999 verlängert und das Mittelvolumen für diesen Zeitraum auf 450 Millionen ECU (rund 900 Millionen DM) festgelegt.

Davon sind 46 Prozent für Maßnahmen zur Umsetzung der Umweltpolitik und des Umweltrechts der EG, 46 Prozent für Naturschutz und 8 Prozent für Überwachungsmaßnahmen und Projekte in Drittstaaten vorgesehen. Im Rahmen von LIFE I und II sind von 1992 bis 1997 im Umweltbereich (ohne Naturschutz) insgesamt 57 deutsche Projekte in der gewerblichen Wirtschaft und in Kommunen mit insgesamt 47,5 Millionen DM gefördert worden. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Förderquote von rund 12 Prozent im Vergleich zum Gesamtfördervolumen.

Im Naturschutzbereich wurden im gleichen Zeitraum insgesamt 27 deutsche Projekte mit einem Finanzaufwand in Höhe von 52 Millionen DM auf den Weg gebracht (Förderquote:13 Prozent).

Am morgigen Samstag werden Bundesumweltministerin Merkel und EU-Kommissarin Bjerregaard das vom Finanzumfang her größte der deutschen LIFE-Natur-Projekte - "Erhalt und Wiederherstellung des Trebeltalmoores" in Mecklenburg-Vorpommern - besuchen. Die Gesamtkosten für dieses Vorhaben belaufen sich in einem Zeitraum von vier Jahren auf 15,5 Millionen DM, von denen die Europäische Kommission 11,6 Millionen DM trägt. Das entspricht dem Maximal-Fördersatz der EU von 75 Prozent.

Ziel des Vorhabens ist der Erhalt der in der EU einmaligen, von der Eiszeit geprägten Flußtalmoore von Trebel und Recknitz in Nordostdeutschland, die das Land Mecklenburg-Vorpommern wegen des Vorkommens einer Vielzahl seltener Vogelarten (u.a. Schreiadler, Große Rohrdommel, Wachtelkönig) als EU-Vogelschutzgebiet benannt hat. Dazu ist eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt bzw. vorgesehen, die die Wasserrückhaltung und das Speichervermögen der Flußtalmoore erhöhen soll. Von besonderer Bedeutung ist, daß die historisch gewachsene Biotopstruktur durch extensive Bewirtschaftung auch für die Zukunft gesichert wird.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Ich möchte Frau Bjerregaard als zuständiger EU-Kommissarin für die finanzielle Unterstützung dieses und der anderen in Deutschland geförderten Projekte danken und damit die Hoffnung verbinden, daß diese Zusammenarbeit auch künftig fortgeführt wird. LIFE-Projekte tragen zum einen dazu bei, die EU-Umweltpolitik vor Ort umzusetzen, zum anderen erhöhen sie aber auch das Ansehen der EU in der Bevölkerung, indem sie spürbare Verbesserungen der Umweltqualität mit sich bringen."

5. Agenda 21 für den Ostseeraum

Auf Anregung der Staats- und Regierungschefs der Ostseeanrainerstaaten im Mai vergangenen Jahres in Visby (Schweden) haben die Umweltminister der Ostseeanrainerstaaten im Oktober 1996 die Ausarbeitung einer Agenda 21 für den Ostseeraum (BALTIC 21) initiiert. Diese erste regionale Agenda 21 soll insbesondere Vorschläge für konkrete Maßnahmen im Ostseeraum zur verstärkten Integration des Umweltschutzes in die Politikbereiche Energie, Fischerei, Industrie, Land- und Forstwirtschaft, Tourismus und Verkehr enthalten. Deutschland bearbeitet gemeinsam mit Lettland den Sektor "Umwelt und Verkehr". An der Erarbeitung von BALTIC 21 sind neben den Ostseeanrainerstaaten auch NGO, internationale Organisationen wie die EU und internationale Finanzierungsinstitutionen beteiligt. Auch die Öffentlichkeit wird sich in Kürze über eine Internet-Homepage mit Anregungen und Kommentaren beteiligen können.

Bei der Ausarbeitung von BALTIC 21 kann auf zahlreiche Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen den Ostseeanrainern vor allem im Rahmen der Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (HELCOM), die seit über 20 Jahren tätig ist, zurückgegriffen werden. Die Europäische Kommission ist auf vielfältige Weise und durch Mitwirkung in den verschiedenen Gremien an diesen Prozessen beteiligt. Der Intensivierung der Zusammenarbeit im Ostseeraum dient auch die Ostsee-Initiative der EU-Kommission, mit der sie ihre Aktivitäten im Ostseeraum bündelt.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Deutschland unterstützt die Ausarbeitung einer Agenda 21 für den Ostseeraum mit dem Ziel, zwar relativ begrenzte, dafür aber klare und konkret umsetzbare Aktionen zur Verbesserung des Umweltschutzes im Ostseeraum vorzuschlagen. Der Wegfall des Eisernen Vorhangs bietet eine große Chance zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Umweltschutz in dieser Region. Wichtig für BALTIC 21 sind aus meiner Sicht vor allem die Stärkung der Eigenverantwortung aller Beteiligten und die weitgehende Nutzung bereits vorhandener Institutionen und Prozesse, wie beispielsweise die Helsinki-Kommission."

04.07.1997 | Pressemitteilung 33/97 | Europa
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