Bundesumweltministerin Merkel: Deutsch-tschechische Zusammenarbeit wird Luftqualität im Erzgebirge weiter verbessern

09.07.1997
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 35/97
Thema: Luft
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
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50 Millionen DM Bundesmittel für Modernisierung des Kraftwerksparks in Tschechien / 100 000 Tonnen SO2 weniger

"Die Bundesregierung arbeitet seit Jahren zusammen mit der tschechischen Seite kontinuierlich an der Verbesserung der Luftqualität im Böhmischen Becken zur Verminderung der Belastungen auch im Erzgebirge. Allein für die Modernisierung des Kraftwerksparks stellt die Bundesregierung insgesamt 50 Millionen DM zur Verfügung. Eines von insgesamt drei Großprojekten, die Nachrüstung des Kraftwerks Prunerov I, ist abgeschlossen. Zwei weitere Projekte werden Ende dieses Jahres fertig. Damit werden insgesamt rund 100 000 Tonnen Schwefeldioxid pro Jahr vermieden. Dies wird auch auf deutscher Seite spürbar sein. Darüber hinaus ist die Bundesregierung bereit, weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Energiestruktur in Tschechien zu fördern. Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren sowohl auf sächsischer als auch auf tschechischer Seite erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Luftsituation beiderseits des Erzgebirges zu verbessern. Dies wird sich sowohl auf die Gesundheit der Bevölkerung als auch auf den Wald positiv auswirken." Dies erklärte Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel heute in Marienberg (Mittlerer Erzgebirgskreis) während einer Diskussion zum Thema "Luftreinhaltung im Erzgebirge" mit sächsischen Kommunalpolitikern, Abgeordneten sowie Vertretern von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden.

Die Luftsituation im Erzgebirge hat in letzter Zeit eine besondere öffentliche Beachtung gefunden, nachdem im harten Winter 1995/96 verstärkt Waldschäden aufgetreten sind. Nach Angaben aus Sachsen sind in der Folge rund 3 000 Hektar Wald abgestorben und 20 000 Hektar zu mehr als 30 Prozent geschädigt worden. Die Ursachen dafür sind komplex und nicht allein der tschechischen Seite anzulasten. Durch jahrzehntelange extrem hohe Belastung mit Schwefeldioxiden und anderen Schadstoffen aus Kraftwerken der DDR und den Nachbarländern sind die Waldböden durch Versauerung vorbelastet und streßanfällig. Trotz langfristig sinkender Schadstoffemissionen stiegen wegen des erhöhten Energiebedarfs im Winter 95/96 die Emissionen wieder an, so daß bei anhaltendem Süd-/Südostwind auf sächsischer Seite kurzzeitig extreme SO2-Belastungen aus tschechischen Quellen verzeichnet wurden. Ungeachtet dessen hat sich der Trend zum Rückgang der Schwefeldioxid-Belastungen fortgesetzt, wie es der SO2-Halbjahresbericht des Sächsischen Umweltministeriums kürzlich bestätigt hat.

Entsprechend den Vereinbarungen werden Deutschland und Tschechien im Herbst einen gemeinsamen "Luftreinhaltebericht Erzgebirge" vorlegen. Dieser Bericht wird:

  • die gesamte Belastungssituation erfassen, die Wirkungen auf Mensch und Vegetation darstellen und die Ursachen analysieren,
  • bereits erfolgte bzw. geplante Gegenmaßnahmen und ihre Wirkungen erörtern,
  • Hinweise auf verbleibende Hauptemissionsquellen geben und
  • künftige Maßnahmen und Prioritäten vorschlagen.

Tschechisches Kraftwerkssanierungsprogramm

Grundlage für die Sanierung des Kraftwerksparks in Tschechien ist das tschechische Luftreinhaltegesetz von 1991, das dem deutschen Umweltrecht vergleichbare Grenzwerte vorschreibt. Altanlagen müssen bis Ende 1998 umgerüstet oder stillgelegt sein. Bislang haben die Tschechischen Energiewerke (CEZ AG) die Schwefeldioxid-Emissionen von annähernd 1 Million Tonnen 1991 auf 400 000 Tonnen 1996 zurückgeführt. Wenn in diesem Jahr das 800-MW-Kraftwerk Tusimice II nahe der Grenze saniert worden ist, werden es nur noch 200 000 Tonnen SO2 pro Jahr sein. Von den vier großen Kraftwerken in Grenznähe mit einer Leistung von 4 040 MW sind zur Zeit 1 910 MW saniert. Während im Winter 1995/96 insgesamt Kraftwerke mit einer Leistung von 3 600 MW ohne Rauchgasreinigung betrieben wurden, waren es im vergangenen Winter nur noch 800 MW. Im kommenden Winter werden es voraussichtlich weniger als 500 MW sein.

Unterstützung durch die Bundesregierung

Um den Prozeß zur Reduzierung der grenzüberschreitenden Luftbelastung zu beschleunigen, führt das Bundesumweltministerium seit 1992 gemeinsame Umweltschutzpilotprojekte durch, die Modellcharakter für Tschechien haben. Im Bereich Luftreinhaltung wurden für die Nachrüstung des Kraftwerks Prunerov I und des Kraftwerks T 700 von Chemopetrol Litvinov mit Rauchgasentschwefelung sowie für die Umstellung des Kraftwerks Tisova I auf Wirbelschichtfeuerung Mittel von 45,5 Millionen DM vom Bundesumweltministerium bereitgestellt. Durch diese Projekte vermindern sich die SO2-Emissionen um rund 100 000 Tonnen pro Jahr.

Im Rahmen der 1. Sitzung der deutsch-tschechischen Umweltkommission wurde heute in Prag ein weiteres Projekt auf den Weg gebracht, an dem sich die Bundesregierung mit 4,5 Millionen DM und der Freistaat Bayern mit 1 Million DM beteiligen. Ziel dieses Projektes ist die umweltfreundliche Wärme- und Stromversorgung von Cheb (Eger). Dabei wird die bisher auf Braunkohle basierende Fernwärmeerzeugung auf Erdgas umgestellt, 4 Blockheizkraftwerke errichtet, das Wärmeverteilernetz saniert, eine Solaranlage gebaut und entsprechende Meß-, Steuer- und Regeltechnik bei Verbrauchern installiert. Dieses Vorhaben wird nach Abschluß Ende 1998 zu einer Reduzierung von rund 2 425 Tonnen SO2 pro Jahr führen.

Stromlieferungen

Im vergangenen Winter waren in Tschechien noch insgesamt 1 130 MW nichtsanierte Kraftwerksleistung am Netz. Deshalb wurde versucht, die tschechische Seite dazu zu bewegen, diese Kapazitäten nicht zu nutzen und statt dessen deutschen Strom abzunehmen. Eine Vereinbarung zwischen den Energieversorgungsunternehmen VEAG und CEZ kam nicht zustande. Wegen des vergleichsweise milden Winters wurden die Kapazitäten aber ohnehin nicht ausgeschöpft. Im kommenden Winter werden noch rund 530 MW unsanierte Kraftwerksleistung betriebsbereit sein, davon ein Großteil für die Wärmeversorgung.

Unter dieser Voraussetzung und nach Übermittlung aktueller Daten der CEZ wird zu prüfen sein, ob von diesem Vorgehen weitere Entlastungen für das Erzgebirge erwartet werden können.

Geruchsbelastungen

Ein besonderes Problem stellen sporadisch auftretende, relativ kurzzeitige Geruchsbelastungen dar, die als sogenannter "Katzendreckgestank" im Erzgebirge wahrgenommen werden und individuell verschieden zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen führen können. Bundesumweltministerin Merkel hat die Dringlichkeit einer Lösung dieses Problems auch im Gespräch mit der tschechischen Seite deutlich gemacht und die Versicherung erhalten, daß auch Tschechien an der Beseitigung dieses Phänomens großes Interesse hat.

Wegen des flüchtigen Charakters der Belästigungen konnten die Quellen bislang noch nicht ermittelt werden. Seit Anfang dieses Jahres beschäftigt sich eine deutsch-tschechische Expertengruppe mit diesem Problem. Derzeit wird im Umweltbundesamt gemeinsam mit Fachleuten aus Sachsen an einem entsprechenden Meßprogramm gearbeitet, das eine systematische Suche nach den Quellen ermöglicht. Auch hier hat Bundesumweltministerin Merkel finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt.

Einheitliches Luftmeßnetz

Mit der Einrichtung eines deutsch-polnisch-tschechischen Luftmeßnetzes im Rahmen der Zusammenarbeit der drei Länder im Schwarzen Dreieck und durch die Unterzeichnung einer Vereinbarung der Umweltminister über den Austausch von Immissionsdaten wurden Voraussetzungen geschaffen, einen Überblick über die jeweils aktuellen Luftbelastungen in dieser Region zu erhalten. Der sächsisch-tschechische on-line-Austausch erfolgt seit Herbst 1996. Ein vom Bundesumweltministerium mit 1,2 Millionen DM gefördertes mobiles Fernmeßsystem wird künftig die Erfassung und Analyse der Belastungen vor allem in den grenznahen Gebieten unterstützen.

Bundesumweltministerin Merkel: "Die Luftsituation im Erzgebirge hat sich in den vergangenen fünf Jahren erheblich verbessert. Mit Abschluß der Sanierung bzw. Stillegung der Kraftwerke auf tschechischer Seite Ende kommenden Jahres wird nach Jahrzehnten extremer Schadstoffbelastungen aus Ost und West ein neues Niveau in der Luftreinhaltung erreicht sein. Neben Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind aber auch praktische Schritte zur Gesundung des geschädigten Waldökosystems erforderlich. Das Bundesforschungsministerium fördert derzeit ein umfangreiches Untersuchungsprogramm als Grundlage für die möglichst naturnahe Regeneration und standortgerechte Wiederaufforstung im Erzgebirge. Dazu sind auch die Ideen und das Engagement der Umwelt- und Naturschutzverbände gefragt."

09.07.1997 | Pressemitteilung 35/97 | Luft
https://www.bmuv.de/PM1185
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