Bundeskabinett verabschiedet Novelle zum Atomgesetz

16.07.1997
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 39/97
Thema: Nukleare Sicherheit
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Merkel: Atomgesetz - Chance zur Versachlichung der Gespräche über energiepolitische Fragen

Merkel: Atomgesetz - Chance zur Versachlichung der Gespräche über energiepolitische Fragen

Nach Auffassung von Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel ist die Novelle des Atomgesetzes ein wichtiger Schritt, um die jetzt noch offenen Fragen über die Entsorgung radioaktiver Abfälle zu klären. Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes beschlossen. Das Gesetzesvorhaben bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Novellierungsbedarf für das Atomgesetz besteht schon seit geraumer Zeit. Ein schon in der letzten Legislaturperiode erarbeiteter Gesetzentwurf führte zu Energiekonsensgesprächen, deren Ergebnisse im Präsidium der SPD scheiterten. Auch in dieser Legislaturperiode hat die Bundesregierung ihre Bemühungen zu einer Verständigung fortgeführt. Der jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf greift Punkte auf, die eine Expertengruppe im Rahmen der Konsensgespräche bereits am 1. Februar dieses Jahres für eine Änderung des Atomgesetzes vorgeschlagen hatte.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Für die Bundesregierung stand immer fest, daß nicht allein die Zukunft der deutschen Steinkohle geklärt werden muß, sondern auch andere energiepolitische Fragen."

Der Gesetzentwurf enthält - neben den Regelungen zur Umsetzung einer EURATOM-Richtlinie über die grenzüberschreitende Verbringung radioaktiver Abfälle und weiteren fachlich gebotenen Einzelregelungen - folgende Eckpunkte:

1. Sicherheitsverbesserungen bestehender Anlagen

Durch eine ergänzende Regelung wird klargestellt, daß Sicherheitsverbesserungen bei bestehenden Anlagen auch dann durchgeführt werden dürfen, wenn der für neu zu errichtende Anlagen geforderte Sicherheitsstandard nicht vollständig erreichbar ist. Die Neuregelung wird sicherheitsgerichtete Nachrüstungen der bestehenden Kernkraftwerke erleichtern und damit zu einer weiteren Verbesserung des bestehenden hohen Sicherheitsniveaus beitragen.

2. Prüfverfahren für Weiterentwicklungen der Sicherheitstechnik

Es wird ein Prüfverfahren bei einer Bundesbehörde geschaffen, um schon während laufender Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere im Hinblick auf die 1994 im Gesetz festgeschriebenen erhöhten Sicherheitsanforderungen für neu zu errichtende Kernkraftwerke, behördliche Sachverständigenprüfungen durchführen zu können. Dieses Prüfverfahren erhöht die Möglichkeit, schon während der Entwicklungsphase sicherheitstechnisch auf neue Konzepte Einfluß zu nehmen, ersetzt aber keine Genehmigungsverfahren. Genehmigungen für die Errichtung von Kernkraftwerken werden weiterhin nur von Landesbehörden erteilt.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Wir haben die höchsten Sicherheitsanforderungen der Welt für zukünftige Kernkraftwerke. Bei dem neuen Prüfverfahren geht es darum, schon die Entwicklungsphase für solche Anlagen durch behördliche Sachverständigenprüfungen begleiten zu können. Das Prüfverfahren kann und will landesbehördliche Genehmigungsverfahren für konkrete Bauvorhaben nicht ersetzen. Daher werden auch Beteiligungsrechte der Bürger nicht abgebaut. Das Prüfverfahren kann aber dazu beitragen, langfristig die Option auf eine noch sicherere Reaktorgeneration wie das deutsch-französische Projekt eines Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) aufrechtzuerhalten. Zugleich ist es ein Sig-nal, daß wir die Diskussion um die internationale Angleichung von Sicherheitsstandards aktiv vorantreiben wollen."

3. Funktionelle Privatisierung der Endlagerung

Das Gesetz ermöglicht die Wahrnehmung der Aufgabe der Endlagerung radioaktiver Abfälle durch einen staatlich beauftragten und beaufsichtigten beliehenen Unternehmer. Zugleich ist für einen späteren Zeitpunkt die Übertragung dieser Aufgabe auf die privaten Abfallverursacher in Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft vorgesehen. Dies ändert nichts daran, daß die Endlagerung radioaktiver Abfälle auch zukünftig eine staatliche Aufgabe bleiben wird. Anders als im Jahr 1976, in dem dem Bund die Aufgabe der Endlagerung radioaktiver Abfälle übertragen worden ist, sind heute die technischen Fragen im Hinblick auf die Endlagerung weitgehend gelöst; die Endlagerprojekte in Deutschland haben wesentliche Fortschritte erzielt. Die Einschaltung eines beliehenen Unternehmers und die später vorgesehene Verlagerung der Endla-geraufgabe auf die privaten Abfallverursacher trägt dem Verursacherprinzip Rechnung und erhöht zugleich die Verantwortung der Abfallverursacher.

4. Enteignungsvorschriften für Erkundung, Errichtung und Betrieb von Endlagern

In das Atomgesetz werden zur Standortsicherung während Erkundung, Errichtung und Betrieb von Endlagern für radioaktive Abfälle Vorschriften für die Enteignung von Grundstücken und Bergrechten aufgenommen.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Die gesetzliche Pflicht des Bundes zur Einrichtung von Endlagern macht es unabweislich, auch über die rechtlichen Möglichkeiten zu verfügen, diese Aufgabe effektiv wahrnehmen zu können. Das bedeutet keineswegs, daß Enteignungen künftig tatsächlich vorgenommen werden. Ebenso bleibt die Frage völlig offen, wann gegebenenfalls Verfahren einzuleiten sind. Für mich besitzen unverändert einvernehmliche Lösungen Vorrang."

5. Verlängerung der Übergangsfristen des Einigungsvertrags

Die Übergangsfristen des Einigungsvertrages für kerntechnische Einrichtungen in den neuen Ländern, so für Unterrichtsraktoren in Dresden und Zittau, die Zwischenlagerung im ZAB (Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente Greifswald) sowie die Endlagerung radioaktiver Abfälle im Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) haben sich als zu knapp bemessen erwiesen, um Anschlußgenehmigungen zur Stillegung zu erlassen. Daher werden die Übergangsfristen um fünf Jahre verlängert. Eine Erhöhung des schon bisher für die Endlagerung im ERAM vorgesehenen Nuklidinventars ist damit nicht verbunden.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Mit der Verlängerung der Übergangsfristen des Einigungsvertrages wird nicht nur für die Stillegung des ERAM die Rechtssicherheit erhöht. Der Abbau der Kernkraftwerke in Greifswald und Rheinsberg wird bis zum Jahr 2000 weit fortgeschritten sein. Ob und wieweit danach Bedarf für weitere Einlagerung im ERAM besteht, sollte im Rahmen eines Entsorgungskonsenses geklärt werden."

Mit der heute im Kabinett verabschiedeten Novelle des Atomgesetzes unterstreicht die Bundesregierung ihre Absicht, energiepolitische Fragen im Zusammenhang zu behandeln. Zugleich werden die nach wie vor notwendigen Gespräche über die Entsorgung von anderen die Kernenergie betreffenden Fragen entlastet. Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Das Tor zum Konsens bleibt offen. Aufgrund des Entwurfs können sich künftige Gespräche auf die für die Entsorgung entscheidenden Gesichtspunkte Transporte, Zwischen- und Endlagerung konzentrieren. Diese werden durch den Gesetzesentwurf nicht berührt. Die SPD wollte ohnehin nur über die Entsorgungsfragen sprechen. Es ist aber nicht hilfreich, einerseits eine Verteilung der Entsorgungslasten zu fordern und andererseits nach dem Sankt Florians-Prinzip zu handeln."

16.07.1997 | Pressemitteilung 39/97 | Nukleare Sicherheit
https://www.bmuv.de/PM1166
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