Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium Walter Hirche hat sich heute in Eisenhüttenstadt über die Lage in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten entlang der Oder informiert.
Hirche: "Nach den Hochwasserereignissen an Rhein und Mosel 1993 und 1995 sowie an der Saale und ihren Nebenflüssen 1994 erleben wir jetzt an der Oder das vierte außergewöhnliche Hochwasser in Deutschland innerhalb von nur vier Jahren. Durch die aufopferungsvolle Arbeit tausender Helfer, die rund um die Uhr die Deiche sichern, Keller leerpumpen sowie die Versorgung und Betreuung der Bürger aufrechterhalten, konnten bisher größere Schäden vermieden werden. Ihnen allen gebührt Dank und höchste Anerkennung. Daß heute die Schäden bei einem ähnlich hohen Wasserstand wie vor 40 bzw. 50 Jahren größer sind, resultiert auch daraus, daß immer näher an die Flüsse und in die Überschwemmungsgebiete gebaut worden ist und sich in diesen Gefahrenzonen immer wertvollere Güter befinden. Dies ist nicht nur an Rhein und Mosel, sondern abgestuft auch an Elbe und Oder festzustellen. Künftig kommt es darauf an, beim Gewässerschutz nicht nur die Schadstoffeinträge zu vermindern, sondern das gesamte Ökosystem der Flüsse einzubeziehen und es in einen möglichst naturnahen Zustand zu versetzen. Nur wenn es gelingt, Hochwasserschutz mit der Raumplanung, Schiffahrt und Landwirtschaft sowie Naturschutz zu verbinden, wird man Hochwasserkatastrophen besser entgegenwirken können. Dazu hat die Bundesregierung u.a. durch die Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes und weiterer in der Beratung befindlicher Gesetzesvorhaben gute Voraussetzungen geschaffen."
Seit dem extremen Hochwasser Ende Januar 1995 an Rhein und Mosel hat der vorbeugende Hochwasserschutz mehr als je zuvor öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. Die Abtrennung natürlicher Überschwemmungsgebiete und die Beseitigung von Auwäldern, Flußeinengung und
-begradigung, zunehmende Versiegelung der Landschaft und beschleunigte Ableitung des Niederschlagswassers wurden als Fehlentwicklung erkannt.
In Beschlüssen und Erklärungen auf nationaler und internationaler Ebene wurde deshalb die Hinwendung zu einer umweltverträglichen Hochwasservorsorge gefordert. Dieses Ziel hat die Bundesregierung nachdrücklich verfolgt.
Mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vom 11. November 1996 wurden erste bundesrechtliche Konsequenzen aus den Hochwasserereignissen der letzten Jahre gezogen. In der seit 19. November 1996 geltenden Fassung des WHG werden Überschwemmungsgebiete an Flüssen zur Pflicht sowie ihre Festsetzung durch die Länder von Bundesrecht zwingend vorgegeben. So weit wie möglich sollen dabei ehemalige Überschwemmungsgebiete wiedergewonnen werden. Erstmals wird im Wasserhaushaltsgesetz ausdrücklich die Verpflichtung verankert, Gewässer grundsätzlich in einen naturnahen Zustand zurückzuführen. In keinem Fall dürfen durch einen Gewässerausbau die Hochwassergefahren verschärft, insbesondere natürliche Rückhalteflächen - vor allem in den Auen - zerstört werden.
Die Niederschläge sollen jedoch schon möglichst in der Fläche zurückgehalten werden. Daher müssen die Bodenversiegelung begrenzt, die ortsnahe Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser gefördert und die Überschwemmungsgebiete freigehalten werden.
Diese Ziele der Hochwasservorsorge sollen durch weitere bundeseinheitliche Regelungen unterstützt werden. Dazu zählen die von der Bundesregierung in die parlamentarische Beratung eingebrachten Entwürfe eines Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie die Novellen zum Bundesnaturschutzgesetz, zum Raumordnungsgesetz und zum Baugesetzbuch.
In den Grundlinien stehen die Initiativen und Maßnahmen des Bundes im Einklang mit der Haltung der Länder. Die von der Umweltministerkonferenz des Bundes und der Länder 1995 verabschiedeten "Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz" verdeutlichen dies.
Hirche: "Jetzt kommt es darauf an, daß die Länder, die die Verantwortung für die Wasserwirtschaft tragen, diese Vorgaben konsequent in die Tat umsetzen. Auch in Zeiten knapper Kassen darf diese langfristig angelegte Vorsorge zum Ausgleich der nachteiligen menschlichen Eingriffe nicht nachlassen."
Internationaler Aktionsplan Hochwasser
Die Hochwasservorsorge darf sich jedoch nicht allein auf nationale Maßnahmen beschränken. Vielmehr müssen an grenzüberschreitenden Flüssen alle Anlieger als Solidargemeinschaft handeln. Dafür bilden internationale Flußgebietskommissionen den geeigneten Rahmen.
Mit dem am 11. April 1996 unterzeichneten Vertrag über die Internationale Kommission zum Schutz der Oder (IKSO) haben die Republik Polen, die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union einen wichtigen Schritt zur vertieften internationalen Zusammenarbeit getan.
Hirche: "Dieser Vertrag muß in Zukunft auch für Hochwasserschutz und -vorsorge gelten. Ich halte es daher für notwendig, daß die Internationale Kommission zum Schutz der Oder auf der Grundlage einer gründlichen Analyse dieses extremen Hochwassers einen ‘Aktionsplan Hochwasser für das Flußeinzugsgebiet der Oder’ aufstellt, in dem die notwendigen Maßnahmen für einen vorsorgenden Hochwasserschutz verankert sein sollten. Dies schließt eine Verbesserung der Zusammenarbeit bei akuten Hochwasserereignissen mit unseren Nachbarstaaten ein."
Entsprechend dem Auftrag der Umweltminister der Rheinanliegerstaaten bei ihrem Treffen am
04. Februar 1995 in Arles, einen Aktionsplan Hochwasser auszuarbeiten, hatte die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins (IKSR) unverzüglich die Arbeit aufgenommen. Bereits im Dezember 1995 wurden die Grundlagen und die Strategie zum Aktionsplan Hochwasser fertiggestellt. Inzwischen liegt auch die Bestandsaufnahme zum Hochwasserschutz am Rhein vor. Sie beinhaltet für die einzelnen Abschnitte des Rheins und wichtige Nebenflüsse den Ausbauzustand, vorhandene Schutzmaßnahmen und Schutzgrad, Überschwemmungsflächen und Schadenspotentiale sowie weitere vorgesehene Maßnahmen. Abgeschlossen ist auch der Bericht zum Hochwassermelde- und -vorhersagedienst. Damit liegen die entscheidenden Voraussetzungen für den Aktionsplan vor. Er soll noch in diesem Jahr fertiggestellt und der Rheinministerkonferenz zur Billigung vorgelegt werden.