Urteil zum Atomausstieg
FAQs
-
Ungeachtet des deutschen Weges werden in Nachbarstaaten und global Kernkraftwerke weiter betrieben. Einige Staaten bauen ihre Nuklearprogramme gerade aus – andere haben die feste Absicht, erstmals in die Nutzung der Kernenergie zur Elektrizitätserzeugung einzusteigen. Diese grundsätzliche Entscheidung muss jeder Staat selbst treffen. In Deutschland sind wir allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nutzung der Kernenergie auch ökonomisch keine attraktive Alternative zu dem mit der Energiewende beschrittenen Weg einer konsequenten Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien ist. Die Rolle Deutschlands wird in Zukunft darin liegen, mit der Energiewende eine klima- und umweltverträgliche, sichere und bezahlbare Alternative zur Kernenergie und den fossilen Energieträgern aufzuzeigen und so zur Nachahmung anzuregen.
Unabhängig davon wird die Bundesregierung weiterhin in Europa Einfluss auf die Entwicklung der nuklearen Sicherheit nehmen und sich aktiv und nachdrücklich dafür einsetzen, die Sicherheit betriebener Kernkraftwerke zu erhöhen.
Stand:
-
Mit dem Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes hatte der Bundestag nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahre 2011 mit breiter Mehrheit den beschleunigten Ausstieg aus der kommerziellen Nutzung der Atomenergie in Deutschland beschlossen. Hierzu wurde die kurz zuvor verabschiedete Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zurückgenommen und der Betrieb der Atomkraftwerke auf den noch erforderlichen Zeitraum zeitlich gestaffelt befristet. Am 15. April 2023 endete der Leistungsbetrieb der letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke.
Am 6. Dezember 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zum beschleunigten Atomausstieg aus dem Jahr 2011 für im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. In zwei Punkten beanstandeten die Verfassungsrichter das Gesetz allerdings: bestimmte Reststrommengen und sogenannte frustrierte Investitionen.
Reststrommengen: Beim ersten Atomausstiegsgesetz 2002 bekamen die EVU Reststrommengen für ihre Atomkraftwerke zugeteilt – also pro Meiler eine Strommenge, die noch produziert werden durfte. Nach dem zweiten Atomausstiegsgesetz von 2011 mit festen Abschaltdaten für jedes Atomkraftwerk sind nun einige dieser Mengen für die Konzerne RWE und Vattenfall nicht mehr konzernintern verstrombar – auch dann nicht, wenn sie anderen Kraftwerken desselben Versorgers übertragen werden. Das betrifft gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für RWE voraussichtlich etwa 42 Terawattstunden für Mülheim-Kärlich und für Vattenfall voraussichtlich etwa 46 Terawattstunden für die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel. Die Versorger hätten sich – so die Verfassungsrichter – darauf verlassen dürfen, dass sie diese 2002 zugesagten Reststrommengen tatsächlich auch konzernintern produzieren dürfen
Stand:
-
Die drei Energieversorgungsunternehmen E.ON, RWE und Vattenfall hatten gegen das Gesetz zum beschleunigten Atomausstieg aus dem Jahr 2011 Klage erhoben.
Stand:
-
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, um für einen entsprechenden "Ausgleich" der nicht konzernintern nutzbaren Reststrommengen zu sorgen.
- 1. Option: Der Gesetzgeber könnte die im Atomgesetz festgelegten Abschaltdaten von einzelnen Kraftwerken von RWE und Vattenfall verschieben („Laufzeitverlängerung“)
- 2. Option: Der Gesetzgeber könnte einen Weg finden, dass RWE und Vattenfall ihre überschüssigen Reststrommengen an die anderen beiden Betreiber von Atomkraftwerken, also EnBW und E.ON zu wirtschaftlich angemessenen Bedingungen verkaufen. Deren Kraftwerke würden dann innerhalb der bestehenden gesetzlichen Laufzeit faktisch länger laufen.
- 3. Option: Der Gesetzgeber sieht einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die nicht verstrombaren Reststrommengen von RWE und Vattenfall vor. Das muss kein voller Wertersatz sein, es reicht das zur Herstellung der Angemessenheit erforderliche Maß.
Stand:
-
Der finanzielle Ausgleich ist die einzige Option, die den schnellstmöglichen Atomausstieg gewährleistet und konsequent fortführt. Das entspricht dem Grundgedanken des Atomausstiegs von 2011, der parteiübergreifend beschlossen wurde. Eine Verlängerung der gesetzlichen Laufzeiten für einzelne Kraftwerke würde diesem Grundgedanken widersprechen. Dieser Sichtweise hat sich der Bundestag mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs am 28. Juni 2018 angeschlossen.
Stand:
-
Das wird erst im Jahr 2023 abschließend feststehen. Dann ist das letzte Atomkraftwerk vom Netz. Dann weiß man auch, wie viele Reststrommengen tatsächlich nicht verstromt werden konnten. Es ist vorgesehen, dass die Genehmigungsinhaber der Atomkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Mülheim-Kärlich mit Ablauf des 1. Januar 2023 einen angemessenen finanziellen Ausgleich in dem jeweils vom Bundesverfassungsgericht für erforderlich gehaltenen Rahmen verlangen können, soweit die diesen Atomkraftwerken mit dem Gesetz von 2002 zugewiesenen Elektrizitätsmengen bis zur Beendigung der kommerziellen Nutzung der Kernenergie nicht auf ein anderes Atomkraftwerk übertragen werden und auch trotz ernsthaften Bemühens nicht genutzt werden konnten. Daher sind Schätzungen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Der Ausgleichsanspruch bestimmt sich nach der Strompreisentwicklung in den Jahren 2011 und 2022 und den erwartbaren Kosten für die Stromerzeugung in diesem Zeitraum. Zudem sind Vorteile, die sich für die Genehmigungsinhaber der Atomkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Mülheim-Kärlich durch den Wegfall des Betriebs der Atomkraftwerke ergeben, angemessen zu berücksichtigen. Aus heutiger Sicht erscheint ein Betrag im oberen dreistelligen Millionenbereich plausibel. Die Ausgaben für die überschüssigen Reststrommengen fallen erst ab 2023 an. Länder und Kommunen werden dadurch nicht belastet.
Ob überhaupt frustrierte Investitionen, die nach den engen Kriterien des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich einen Ausgleich erfordern würden, zwischen dem 28. Oktober 2010 und dem 16. März 2011 angefallen sind, ist von den Unternehmen im Einzelnen nachzuweisen.
Stand:
-
Das Atomgesetz enthält bereits die Möglichkeit, Reststrommengen auf freiwilliger Basis zu übertragen; die Entscheidung darüber liegt aber bei den Unternehmen selbst und nicht beim Staat. Zwangsweise Übertragung der Reststrommengen würde bedeuten, dass die Atomkraftwerke, die zusätzliche Reststrommengen erhalten, dann in jedem Fall länger laufen würden, als derzeit betriebswirtschaftlich geplant. Das entspricht nicht dem Ziel des schnellstmöglichen Atomausstiegs. Dazu kommt, dass selbst bei einer solchen Übertragung innerhalb der gesetzlichen Enddaten immer noch große Teile der vom Bundesverfassungsgericht für ausgleichspflichtig erachteten Reststrommengen nicht verstrombar wären. Diese müssten also ohnehin finanziell ausgeglichen werden.
Eine verpflichtende Übertragung und Erzeugung wäre zudem ein sehr komplexes Verfahren, das im Detail eine Vielzahl von Rechtsfragen aufwerfen würde. Die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils würde sich daher erheblich verzögern.
Stand:
-
Die Anlagen in Gronau und in Lingen verfügen über gültige, unbefristete Genehmigungen nach dem Atomgesetz. Sie stehen unter der kontinuierlichen Aufsicht durch die zuständigen Landesbehörden auf der Grundlage der Anforderungen nach dem Atomgesetz.
Die genannten Anlagen unterscheiden sich grundlegend von Kernkraftwerken. In den genannten Anlagen wird mit schwachradioaktivem abgereichertem und/oder schwach angereichertem Uran umgegangen. Kernspaltungen werden in diesen Anlagen nicht durchgeführt. Eine Beendigung der Urananreicherung und der Brennelementefertigung ist deshalb auch nicht in den Beschlüssen zum beschleunigten Kernenergieausstieg enthalten.
Darüber hinaus ist die Anlage in Gronau wesentlicher Teil einer völkerrechtlich vereinbarten Unternehmenskonstruktion, die durch trinationale Inhaberschaft, Verteilung auf Standorte in drei Ländern und mehrfach verschränkte Kontrollmechanismen ein internationales Vorbild im Hinblick auf nukleare Nichtverbreitung darstellt.
Stand:
-
- 2000: Bundesregierung (SPD, Grüne) verhandelt eine Ausstiegsvereinbarung mit den 4 EVU (im sogenannten "Atomkonsens" werden sogenannte "Reststrommengen" mit den 4 EVU vereinbart).
- 2002: Atomausstiegsgesetz tritt in Kraft.
- Dezember 2010: Mit dem Elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes der Bundesregierung von CDU/CSU und FDP werden die Laufzeiten verlängert. Die Atomkraftwerke sollen durchschnittlich zwölf Jahre länger Strom produzieren.
- März 2011: Reaktorkatastrophe von Fukushima.
- März 2011: Moratorium (alle 17 Atomkraftwerke in Deutschland werden auf Sicherheit überprüft, acht Atomkraftwerke werden vorübergehend vom Netz genommen).
- Sommer 2011: Der Bundestag beschließt im parteiübergreifenden Konsens (CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne) mit dem Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes den beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie: acht Atomkraftwerken wird Berechtigung zum Leistungsbetrieb entzogen, für die anderen neun Atomkraftwerke werden gestaffelte Enddaten eingeführt.
- Die letzten drei Atomkraftwerke gingen am 15. April 2023 vom Netz.
Stand: