Projektlaufzeit
04.2016 - 10.2017
Forschungskennzahl
3716 67 432
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Aktuelles Rechtsgutachten bestätigt: Nicht rechtliche Hürden verhindern einen besseren Schutz der Biodiversität vor unannehmbaren Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln, sondern fehlende Anpassungen der Zulassungspraxis in Deutschland.
Der Schutz der biologischen Vielfalt vor negativen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln stellt eine im EU-Recht verankerte Zulassungsanforderung dar. Wird im Rahmen des Zulassungsverfahrens eines Pflanzenschutzmittels festgestellt, dass bei dessen Einsatz unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt und die biologische Vielfalt nicht ausgeschlossen werden können, müssen mit der Zulassung geeignete Anwendungsbestimmungen erteilt werden, um die Umweltrisiken auf ein annehmbares Maß zu reduzieren oder die Zulassung ist zu versagen.
Aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft belegen, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln unter den aktuellen landwirtschaftlichen Bedingungen eine der maßgeblichen Ursachen für die Gefährdung vieler typischer schützenswerter Feldarten darstellt. Grund hierfür ist der Verlust von Ackerlebensräumen als Nahrungs- und Fortpflanzungshabitat. Diese sogenannten indirekten Effekte von Pflanzenschutzmitteln werden in der derzeitigen Zulassungspraxis nicht berücksichtigt. Insbesondere der Einsatz von wenig spezifisch wirkenden Insektiziden und Herbiziden (Breitband-Produkte) führt dazu, dass der ´Acker von heute´ immer weniger Nahrung und Lebensraum für dort lebende Feldvögel und andere Arten in der Nahrungskette bereitstellt. Die indirekten Auswirkungen der Produkte sind unmittelbar mit der Bekämpfung von Schadorganismen verbunden und wegen der zu geringen Selektivität der eingesetzten Mittel unvermeidbar. Das Umweltbundesamt hat deshalb einen Vorschlag erarbeitet, wie im Rahmen der Zulassungsprüfung der Produkte dennoch ein angemessener Schutz der Biodiversität sichergestellt werden kann. Dieser Vorschlag sieht vor, die Anwendung von Produkten mit starken Nahrungsketteneffekten auf solche Bereiche zu beschränken, in denen das Vorhandensein ökologischer Ausgleichsflächen eine ausreichende Kompensation dieser Effekte sicherstellt und somit die Anforderungen an die Zulassung auch erfüllt werden können. Ergänzend zu den vorliegenden fachlichen Grundlagen diente das Rechtsgutachten dazu, die rechtlichen Aspekte für die Umsetzung des vom Umweltbundesamt vorgeschlagenen Anwendungsvorbehalts zu prüfen.
Die Gutachter kommen zum Ergebnis, dass der Einführung eines Anwendungsvorbehalts zum Schutz der Biodiversität vor indirekten Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln keine rechtlichen Bedenken entgegenstehen. Das Gutachten bestätigt die Legitimität der Forderung des Umweltressorts nach einer angemessenen Berücksichtigung der Biodiversität in der Zulassungspraxis.
Die Gutachter führen in ihrem Gutachten unter anderem die folgenden Erwägungen als Begründung an: Wird bei der Risikobewertung eines Produktes festgestellt, dass das Risiko für die Biodiversität aufgrund erwarteter Nahrungsketteneffekte unannehmbar hoch ist, dann böte das geltende Pflanzenschutzrecht die Möglichkeit dies bei der Zulassung durch die Verknüpfung mit Anwendungsbestimmungen in Form eines Anwendungsvorbehalts zu verknüpfen. Sowohl in der Verordnung (EG) Nr. 1107 / 2009, welche unter anderem die Zulassungskriterien und das Zulassungsverfahren regelt, als auch im nationalen Pflanzenschutzrecht fänden sich Rechtsgrundlagen für den Erlass von Risikominderungsmaßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt. Die Berücksichtigungsfähigkeit indirekter Biodiversitätseffekte stünde nicht unter dem Vorbehalt, dass die zuständige europäische Bewertungsbehörde EFSA für diesen Aspekt EU-weit geltende Bewertungsmethoden anerkannt hat. Das Fehlen eines EU-weit harmonisierten technischen Leitfadens könne daher nicht dazu führen, dass Mitgliedstaaten erwartete unannehmbare Auswirkungen eines Produktes auf die Biodiversität bei der Zulassung ignorieren. Bei der Bewertung und der Entscheidung über die Zulassung orientieren sich die Mitgliedstaaten an dem Vorsorgegrundsatz und dem Ziel der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus. Den Maßstab für die Bewertung und Entscheidung der zuständigen nationalen Behörden stelle dabei der aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik dar. Die Vorgaben des EU-Rechts zur Bewertung können in diesem Sinne nur Mindeststandards für die Bewertung regeln und die Mitgliedstaaten können bei fehlen harmonisierter Leitfäden eigene Bewertungsmethoden anwenden. Die Gutachter stellen fest, dass die vom Umweltbundesamt geplanten Anwendungsbestimmungen sowohl mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind als auch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, insbesondere das Übermaßverbot beachten würden. Zwar führe die Formulierung eines Anwendungsvorbehalts für betroffene Pflanzenschutzmittel zu einem Eingriff in Grundrechte der Pflanzenschutzmittelanwender. Dieser sei jedoch gerechtfertigt. So sei der Staat aufgrund der Staatszielbestimmung des Art. 20a des Grundgesetzes zum Schutz der Biodiversität verpflichtet. Die Gutachter kommen zudem zu dem Schluss, dass rechtlich nicht verbindliche Maßnahmen, wie etwa im Rahmen des Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vorgesehenen Maßnahmen, zwar einen Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten können, jedoch nicht geeignet wären, die für eine Zulassung erforderliche Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen in Hinblick auf unannehmbare Umweltauswirkungen sicherzustellen.