Wie wird mit den kontaminierten Wässern umgegangen?

FAQ

Täglich fallen vor allem bedingt durch Grundwasserzufluss in die Reaktorgebäude und abhängig von Niederschlägen kontaminierte Wässer zusätzlich an. Diesen Wässern werden mit Aufbereitungsanlagen Radionuklide entzogen, aber Tritium kann nicht entzogen werden. Die Wässer werden in Tanks auf dem Anlagengelände gelagert.

Am 23. Januar 2020 lagerten auf dem Anlagengelände ca. 1,2 Mio. Kubikmeter Wasser verteilt auf ca. 1.000 Tanks. Tokyo Electric Power Company Holdings, Inc. (TEPCO) hatte bis zum Ende des Jahres 2020 eine Lagerkapazität von 1.370.000 Kubikmeter in 1.047 Tanks bereitgestellt. Am 30. September 2021 waren diese Tanks mit ca. 1,28 Mio. Kubikmeter Wasser gefüllt. Bis zum 17. Februar 2022 stieg die gelagerte Wassermenge auf 1,29 Mio. m³. TEPCO geht davon aus, dass im Sommer 2022 alle Tanks gefüllt sind und damit die Lagerkapazität erschöpft sein wird. Auf dem Anlagengelände wird Platz reserviert, um das Corium, das noch geborgen werden soll, und Brennelemente in Zwischenlagerbehältern zu lagern. Dieser reservierte Platz könnte zur Lagerung von ca. 380.000 Kubikmeter Wasser genutzt werden, aber dann wären die Stilllegungsmaßnahmen beeinträchtigt. Die Umlagerung des Wassers aus den leckageanfälligen, geschraubten Tanks in geschweißte Tanks begann im März 2014 und konnte am 27. März 2019 abgeschlossen werden.

Im Herbst 2018 wurde öffentlich, dass das von TEPCO als sogenanntes "Tritium Wasser" deklarierte und in Tanks gelagerte Wasser teilweise immer noch größere Mengen radioaktiver Stoffe wie Jod, Cäsium und Strontium enthält. Diese Wässer sind bereits mit ALPS-Anlagen (Advanced Liquid Processing Systems) behandelt worden. Diese Anlagen sind in der Lage, die kontaminierten Wässer so aufzubereiten, dass die Grenzwerte für eine Abgabe an die Umwelt unterschritten werden. Im Februar 2022 wurden zudem in einigen Tanks testweise Rührwerke eingesetzt, um die Nuklide in den Tanks zu verteilen und so die Radioaktivitätskonzentration genauer bestimmen zu können.

Anfang Februar 2020 informierte die japanische Regierung ausländische Diplomaten darüber, welche Optionen es bezüglich der Entsorgung des in den Tanks gelagerten und mit Tritium belasteten Wassers gibt. Demnach hat eine vom japanischen Wirtschaftsministerium (Ministry of Economy, Trade and Industry, METI) eingesetzte Expertengruppe aufgrund ihrer Untersuchungen zur Tritium-Entsorgung die Optionen "Einspeisen in das Erdreich", "Abgabe als Wasserstoff" oder "Verfestigung mit unterirdischer Lagerung" verworfen, da zu viele ungelöste Aspekte vorhanden sind, die eine praktische Umsetzung aufgrund Vorschriften, Technologien und Zeit behindern. Deshalb werden die beiden Optionen "kontrollierte Abgabe ins Meer" oder "Verdampfung" vorrangig weiter untersucht und als praktisch umsetzbar angesehen. Die Option "kontrollierte Abgabe ins Meer" soll mehrere Vorteile haben. Tritiumhaltige Wässer werden bereits weltweit von Atomkraftwerken oder kerntechnischen Aufbereitungsanlagen ins Meer eingeleitet, so dass Betriebserfahrungen mit dieser Option hinsichtlich der regulären Abgabe von vergleichbaren Abwässern vorhanden sind. Die Wässer aus den Tanks sollen vor einer Einleitung nochmals mittels der ALPS-Anlagen so weit aufbereitet werden, dass die zugelassenen Grenzwerte unterschritten werden. Es ist eine unabhängige Überprüfung der Radionuklidkonzentrationen nach dieser Aufbereitung vorgesehen. Vor der eigentlichen Einleitung ist zusätzlich eine Verdünnung mit Seewasser vorgesehen. Die Vorhersage der Verteilung der Radionuklide im Meer ist aufgrund der relativ konstanten Meeresströmungen einfacher als im Falle der "Verdampfung" mit Freisetzungen in die Luft und dem Einfluss des Wetters. Dies trifft ebenfalls für die messtechnische Überwachung der Verteilung der Radionuklide im Meer zu. Darüber hinaus werden auch Vorteile bei der gesellschaftlichen Akzeptanz sowohl national als auch international gesehen (zum Beispiel kein direktes Einatmen, keinen Niederschlägen ausgesetzt, Auswirkungen auf Flora und Lebewesen niedriger).

Die IAEO hat am 2. April 2020 einen Report veröffentlicht, in dem sie den Aussagen des japanischen „ALPS-Kommitees“, bei dem es sich um eine Kommission der japanischen Regierung („The Inter-Ministerial Council for Contaminated Water, Treated Water and Decommissioning issues”) handelt, weitgehend zustimmt. Der IAEO-Bericht enthält zwei dringende Empfehlungen. Der Kühlwassereintrag in die Blöcke 1-3 sollte verringert und wenn möglich beendet oder dafür ein geschlossener Kühlkreislauf gefahren werden. Die japanische Regierung sollte dringend eine Entscheidung treffen, ob und/oder wie das kontaminierte Tankwasser in die Umwelt abgegeben werden soll.

Am 13. April 2021 hat das ALPS-Kommitee eine grundlegende Strategie für die Einleitung der mit den ALPS-Anlagen aufbereiteten Wässer ins Meer verabschiedet. Danach muss TEPCO bei der Einleitung des aufbereiteten Wässers ins Meer die gesetzlichen und sonstigen Sicherheitsstandards einhalten, um die Öffentlichkeit, die Umwelt und die Erzeugnisse der Land-, Forstwirtschaft und Fischerei zu schützen. Um negative Auswirkungen zu minimieren, sollen Überwachung, Objektivität und Transparenz durch die Einbeziehung von Experten von außen weiter verbessert sowie durch eine Überprüfung durch die IAEO gewährleistet werden. Darüber hinaus sollen genaue Informationen kontinuierlich und in aller Transparenz verbreitet werden.

Nachdem die japanische Regierung im April 2021 der Einleitung des Wassers ins Meer grundsätzlich zugestimmt hat, konkretisierte TEPCO daraufhin seine Pläne zur Meereseinleitung (siehe Abb. 9) und veröffentlichte am 25. August 2021 das mögliche Vor-gehen /21/, das sich weitgehend an das Vorgehen entsprechend der Anfang Februar 2020 veröffentlichten Informationen der japanischen Regierung für ausländische Diplomaten hält, das bereits zuvor beschrieben wurde. Die Verdünnung dieser aufbereiteten, jedoch weiterhin tritiumhaltigen Wässer soll durch Meereswasser erfolgen. Als Grenzwerte gelten 1.500 Bq/l bzw. ein Jahreswertgrenzwert von max. 22 Trillionen Bq. Der Grenzwert von 1.500 Bq/l ist um 1/40 niedriger als der gesetzliche, japanische Grenzwert von 60.000 Bq/l und liegt 1/7 niedriger als der WHO-Wert für Trinkwasser (10.000 Bq/l). Um die Wässer ausreichend zu verdünnen sollen 3 Meerwasserpumpen im Einlaufbauwerk von Block 5 installiert werden, die jeweils eine Kapazität von 170.000 m³/Tag haben. Das Verdünnungswasser stammt dadurch nicht aus dem belasteten Wasser im Hafenbereich. Durch die Verdünnung soll ein Betriebswert von 440 Bq/l gewährleistet werden. Die Einleitung soll über eine ca. 1 km lange unterhalb des Meeresbodens verlegte Rohrleitung in einem Bereich erfolgen, in dem eine gewerbliche Fischerei nicht zulässig ist. Für den Verlauf der geplanten Rohrleitung wurden im Dezember 2021 geologische Erkundungen im Meer durchgeführt, die ergaben, dass keine Hindernisse die Bohrung beeinträchtigen könnten. Bevor das tritumhaltige Wasser ins Meer eingeleitet wird, soll es in verschiedenen Testtanks nach der erneuten Aufbereitung mit den ALPS-Anlagen temporär gelagert und die Kontaminationswerte überprüft werden. Dabei sollen auch die Auswirkungen auf biologische Organismen (Fische, Krebstiere und Meeresalgen) in den Testtanks beobachtet werden. Erste Tests wurden inzwischen durchgeführt und von TEPCO als erfolgreich bewertet.

Im Zusammenhang mit der geplanten Einleitung der ALPS-Wässer ins Meer hat die japanische Regierung eine Überprüfungskommission der IAEO nach Japan eingeladen, um den Prozess zu inspizieren. Diese IAEO Task Force besteht neben Mitarbeitenden der IAEO aus elf internationalen Expertinnen und Experten. Mitte Februar 2022 traf diese Task Force der IAEO in Japan ein. Die radiologische Charakterisierung des abzuleitenden Wassers und die sicherheitsrelevanten Aspekte des Wasserableitungsprozesses wurden überprüft. Einen weiteren Schwerpunkt stellte die Umweltüberwachung im Zusammenhang mit der Ableitung dar, die auch die behördliche Kontrolle einschließlich Genehmigung, Inspektion, Überprüfung und Bewertung umfasste. Eine unabhängige Analyse der Wässer soll zudem regelmäßig in den eigenen IAEO-Laboren erfolgen.

TEPCO reichte die Planungen zur Einleitung der tritiumhaltigen Wässer ins Meer im Dezember 2021 bei der japanischen Aufsichtsbehörde zur Genehmigung ein. In diesem Zusammenhang wurde eine Bewertung der radiologischen Auswirkungen der Ableitung auf die Öffentlichkeit und die Umwelt von ALPS-behandeltem Wasser ins Meer durchgeführt und in drei Teilen auf Englisch veröffentlicht. Die Bewertungsmethodik wurde in Übereinstimmung mit international anerkannten Methoden entwickelt und die Berechnungen hierzu orientieren sich an den Vorgaben der IAEO und der Internationalen Strahlenschutzkommission (IPRC). Den Berechnungen zufolge wäre eine Person durch die Einleitung mit einer zusätzlichen effektiven Dosis zwischen 0,000017 bis 0,0021 mSv pro Jahr zusätzlich belastet. Simulationen zur Verteilung des Tritiums im Meerwasser zeigten, dass das Gebiet, in dem die Tritiumkonzentration in der Oberflächenschicht höher ist als die derzeitigen Werte im umliegenden Meeresgebiet (0,1 – 1 Bq/l), auf etwa zwei bis drei Kilometer um den Kraftwerksstandort begrenzt ist. Die Bewertung ergab, dass die Auswirkungen der Einleitung von aufbereitetem ALPS-Wasser ins Meer auf die Bevölkerung und die Umwelt minimal sind, da die berechneten Dosen deutlich unter den Dosisgrenzwerten, Dosiszielen und den von internationalen Organisationen für jede Art festgelegten Werten liegen. Der im Juli 2023 veröffentlichte Bericht der IAEO kommt zu dem Schluss, dass das Konzept für die Ableitung von aufbereitetem ALPS-Wässer ins Meer und die damit verbundenen Aktivitäten von TEPCO, der japanischen Atomaufsichtsbehörde (NRA) und der japanischen Regierung mit den einschlägigen internationalen Sicherheitsstandards in Einklang stehen und dass die Einleitung von aufbereitetem ALPS-Wässern, wie sie von TEPCO geplant worden ist, vernachlässigbare radiologische Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben wird. Die IAEO ist bestrebt, die Sicherheit nicht nur vor, sondern auch während und nach den Ableitungen zu überwachen. Am 24. August 2023 wurde mit der Einleitung der mittels ALPS gereinigten Wässer begonnen, die sich nach derzeitigen Planungen zeitlich bis 2051 strecken soll. Dabei sollen die betrieblich festgelegten Grenzwerte für die Anlage im Normalbetrieb (vor dem Unfall) nicht überschritten werden.   

Stand:

https://www.bmuv.de/FA1525

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