Gerade dieser Vogel
Engagement braucht Symbole, als Kenn- und Erkennungszeichen und zur Verlautbarung und Sichtbarmachung. "Ich bin hier und wache", scheint diese stilisierte Waldohreule mit den runden Augen zu vermitteln, die ihrem Gegenüber direkt ins Gesicht blickt. Es ist ein freundliches Emblem, das signalisiert, dass im Rücken dieser Wächterin die Natur einen besonderen Schutz genießt. Die Eule gilt bis heute als Logo und Ikone des Naturschutzes der DDR. Sie stammt aus dem Haus von Erna und Kurt Kretschmann, den wohl prägendsten Figuren der frühen ostdeutschen Umweltgeschichte.
"Die machst du jetzt als Zeichen für Naturschutz"
In den frühen 1950er Jahren zieht Kurt Kretschmann als Landesbeauftragter für Naturschutz durch Brandenburg. Er erhebt den Stand der Natur und sucht nach besonderen Biotopen und schützenswerten Arten, indem er sich bei den Menschen vor Ort nach ihren Naturerfahrungen und Beobachtungen erkundigt. Dazu gehört auch die Frage nach dem Bestand der Schleiereule. Kretschmann stellt fest, dass die Eulen weithin als schlechte Omen und als Totenvögel gelten: "Und weil die Eule so verleumdet war, habe ich gesagt: Die machst Du jetzt als Zeichen für Naturschutz, damit wir den Leuten zeigen, dass das eine falsche Einstellung ist und gerade dieser Vogel für uns wertvoll ist."
Kretschmann lässt in Olbernau im Erzgebirge 5.000 Holzschilder mit dem Motiv fertigen. Mit ihren kleinen Dachüberständen machen sie eher den Eindruck eines beschützenden Zeichens, eines Marterls, als den eines rigiden Verbotsschildes. Dieses Vogelmotiv hat eine individuelle Besonderheit, wie sich Kretschmann später erinnert: "Die Eule war am Anfang immer falsch gemalt, das heißt, das hat ein Grafiker gemacht nach meinen Vorschlägen – mit drei Zehen! Aber die hat in Wirklichkeit nur zwei Zehen und den einen Zeh hat sie nach hinten. Aber das hat nur einmal ein Biologielehrer kritisiert. Alle anderen haben das gar nicht gemerkt. Und wir haben es auch nicht gemerkt."
Es geht schließlich um etwas anderes: Ein Wiedererkennungsmerkmal für den Naturschutz zu schaffen. Kretschmann verteilt die Schilder an die "bekanntesten Naturschutzleute in der DDR". Als 1954 das Naturschutzgesetz der DDR geschaffen ist, wird das Logo zum offiziellen Signum der staatlich geschützten Naturdenkmäler, Alleen, Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Aber erst 1971 bekommt die Eule ein verbindliches Design und ist fortan von einem gelben Trapez umgeben. Dabei entflieht sie der staatlichen Festlegung und taucht als Symbol auch bei der jungen DDR Umweltbewegung auf – zum Beispiel bei der Aktion Mobil ohne Auto. 1994 erweitert das Eulensymbol seinen Radius noch einmal, als es von der 42. Umweltministerkonferenz als gesamtdeutsches Naturschutzzeichen empfohlen wird. So kann man sie heute auch am Ufer von Sylt treffen, wo die Eule über den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer wacht.
Zitate entnommen dem Zeitzeugenbericht von Kurt Kretschmann in: Behrens/ Hoffmann (2013): Naturschutzgeschichte(n), S. 263-270.